In ihrer Begeisterung über die Freilassung eines Teils der israelischen Geiseln, die im Gazastreifen festgehalten wurden, schweigen die israelischen und internationalen Medien größtenteils über die von Israel freigelassen palästinensischen Gefangenen und die entsetzlichen Bedingungen ihrer Verhaftung und Inhaftierung.
Alles andere würde einer Bestätigung gleichgekommen, dass Israel in diesem einseitigen Konflikt der Aggressor ist und dass sein Massenmord und seine ethnische Säuberung des Gazastreifens auf einer beispiellosen Brutalität gegen die Palästinenser basieren, die faschistische Züge trägt.
Die Forderung nach der Freilassung palästinensischer Gefangener war ein zentraler Beweggrund für die Operation „Al-Aqsa-Flut“ am 7. Oktober. Aus fast jeder palästinensischen Familie im Westjordanland und in Ost-Jerusalem sitzt ein Angehöriger in einem israelischen Gefängnis. Ihr einziges Verbrechen ist Widerstand gegen eine illegale Besatzung, die durch brutale Unterdrückung aufrechterhalten wird.
Bis zum Donnerstagabend hat Israel 240 palästinensische Gefangene freigelassen als Gegenleistung für die Freilassung von 99 zivilen Geiseln, darunter 24 Ausländer. Weitere fünf Geiseln waren bereits zuvor freigelassen worden, sodass die Gesamtzahl 104 beträgt. Ein ursprünglich auf vier Tage begrenzter Waffenstillstand wurde am Montag um zwei Tage und dann am Donnerstag um einen weiteren Tag verlängert.
Bis auf einige wenige sind fast alle freigelassenen Palästinenser Frauen und Kinder, die unter Verletzung ihrer Menschenrechte ohne Anklage, ordnungsgemäßes Verfahren und in immer wieder verlängerbarer Untersuchungshaft festgehalten worden waren. Viele saßen nicht im besetzten Westjordanland in Haft, sondern in Gefängnissen in Israel, was ein Kriegsverbrechen im Sinne des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs und einen Verstoß gegen die Vierte Genfer Konvention darstellt.
Zu den Freigelassenen gehören:
- Ahed Tamimi (22), deren Konfrontation mit israelischen Soldaten im Jahr 2017 sie zu einem Symbol für den Widerstand der Palästinenser machte. Der faschistische israelische Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte persönlich ihre Verhaftung wegen eines Social-Media-Posts angeordnet, obwohl ihre Familie bestreitet, dass sie etwas damit zu tun hatte. Sie saß drei Wochen ohne Anklage oder Prozess in israelischer Untersuchungshaft.
- Fatima Shahin verbrachte sieben Monate im Gefängnis. Sie wurde ursprünglich des versuchten Mordes an einem Israeli beschuldigt, aber nie dafür angeklagt. Laut eigenen Angaben wurde ihr und ihrer Familie ein Anwalt verweigert, während sie sich in der Haft von lebensbedrohlichen Verletzungen erholte, die sie bei der Verhaftung erlitten hatte. Sie erklärte gegenüber CNN: „Man warf mir vor, ich hätte jemanden mit einem Messer verletzt, aber das stimmt nicht. Man hat auf mich geschossen. Ich wurde zweimal in die Wirbelsäule getroffen und bin teilweise gelähmt. Ich kann meine Beine nicht spüren und nicht aufstehen.“
- Marah Bakeer (24) wurde im Jahr 2015 zwölfmal von israelischen Soldaten angeschossen, weil sie angeblich einen Soldaten erstochen hat, was sie bestreitet. Sie trug bleibende Verletzungen davon und wurde zu acht Jahren Haft verurteilt, die in vier Monaten abgelaufen wären.
- Shorouk Dwalayt wurde zu sechzehn Jahren Haft verurteilt, weil sie 2015 in Ost-Jerusalem einen Israeli erstochen und es bei einem weiteren versucht hatte. Zuvor hatte einer der beiden sie angepöbelt, versucht ihr das Kopftuch abzureißen und auf sie geschossen.
- Hanan Saleh al-Bargouthi, mit 59 die älteste freigelassene Gefangene, saß ohne Anklage in unbefristeter israelischer Haft.
Die Freigelassenen stehen auf einer Liste von 300 Palästinensern, die von der israelischen Regierung veröffentlicht wurde. Alle werden als „Terroristen“ gebrandmarkt, obwohl weniger als ein Viertel überhaupt wegen eines Verbrechens verurteilt wurde und die Mehrheit ohne Prozess in Untersuchungshaft sitzt. Die große Mehrheit von ihnen ist unter achtzehn Jahre alt, hauptsächlich männliche Teenager, aber auch eine weibliche Jugendliche und 32 Frauen. Fünf von ihnen sind erst vierzehn Jahre alt. Bei den meisten handelt es sich um relativ neue Gefangene, die in den letzten ein oder zwei Jahren inhaftiert wurden.
Als eine Menschenmenge zum Gefängnis Ofer nahe Ramallah im Westjordanland zog, um die Gefangenen zu begrüßen, warnte das israelische Militär sie, zurückzubleiben und schoss mit Tränengaskanistern in die Menge. Am Kontrollpunkt Beituniya nahe Ramallah, wo die israelischen Behörden eine Gruppe von 24 Frauen und fünfzehn männlichen Jugendlichen frei ließen, setzten Soldaten Gummigeschosse und Tränengas ein.
Ben-Gvir ordnete ein hartes Durchgreifen gegen Feierlichkeiten an. „Meine Anweisungen sind klar: Es darf keine Freudenbekundungen geben. Freudenbekundungen sind gleichbedeutend mit einer Unterstützung des Terrorismus, Siegesfeiern sind eine Unterstützung dieses menschlichen Abschaums, für diese Nazis.“
Befürchtungen begleiten die Feierlichkeiten, da viele Angst haben vor einer erneuten Verhaftung. Nach dem Abkommen zwischen Israel und der Hamas im Jahr 2011, das die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit im Austausch gegen 1.027 Gefangene vorsah, wurden viele später erneut verhaftet und ihre Strafen wieder in Kraft gesetzt.
Laut der Menschenrechtsorganisation B'tselem befanden sich im September 4.764 Palästinenser aus „Sicherheitsgründen“ in israelischen Gefängnissen, darunter 176 aus dem Gazastreifen. Davon verbüßten 2.222 eine Gefängnisstrafe, 1.117 waren noch nicht verurteilt worden, 1.310 saßen in Untersuchungshaft, und 115 wurden einfach als „Inhaftierte“ geführt.
Weitere 932 Palästinenser saßen wegen illegalen Aufenthalts in Israel in Haft, acht davon aus dem Gazastreifen. Davon verbüßen 534 eine Haftstrafe, und 398 wurden als „Häftlinge“ geführt.
Viele dieser Jugendlichen werden bei nächtlichen Massenverhaftungen aufgegriffen, mit verbundenen Augen und in Handschellen misshandelt und so dazu manipuliert, nicht begangene Verbrechen zu gestehen. Einige sind erst zehn Jahre alt. Ein Kind war noch so jung, dass seine Hände zu klein für die Handschellen waren. Dem Jüngsten war die Gefängniskleidung zu groß.
Im Jahr 2012 kamen britische Rechtsexperten zu dem Schluss, dass die Bedingungen, denen die palästinensischen Kinder ausgesetzt sind, der Folter gleichkommen. Im Jahr 2013 beklagte das UN-Kinderhilfswerk UNICEF die „schlechte Behandlung von Kindern, die mit dem Militärhaftsystem in Kontakt geraten, das offenbar weit verbreitet, systematisch und institutionalisiert ist.“ Anfang des Jahres forderte die Parlamentarische Versammlung des Europarats ein Ende „aller Formen von körperlicher oder psychischer Misshandlung von Kindern während der Verhaftung, Verlegung, der Wartezeiten und in Verhören.“
Nach dem 7. Oktober stieg die Zahl der Palästinenser in israelischen Gefängnissen auf über 10.000. Das ist Teil der israelischen Einschüchterungs- und Terrorkampagne, die darauf abzielt, die Palästinenser aus dem Westjordanland zu vertreiben. Die Sicherheitskräfte verhafteten im Gazastreifen weitere 4.000 palästinensische Arbeiter, die eine Arbeitserlaubnis für Israel hatten. Sie wurden mehrere Wochen unter entwürdigenden und unmenschlichen Bedingungen festgehalten und danach in den Gazastreifen zurückgeschickt, wo sie mit Bombenangriffen, dem Verlust ihrer Familien und ihrer Häuser und erzwungener Nahrungsmittel-, Treibstoff- und Stromknappheit sowie fehlenden sanitären Einrichtungen konfrontiert sind.
Israel hat auch im Westjordanland und in Ost-Jerusalem 3.290 Palästinenser verhaftet. Die meisten davon wurden bei morgendlichen Razzien in ihren Häusern festgenommen, weil sie in sozialen Netzwerken gepostet hatten, und befinden sich in Untersuchungshaft. Die Verhaftungen gingen auch während der „humanitären Pause“ weiter, die am Freitag begann, sodass Israel fast so viele Palästinenser verhaftet wie freigelassen hat.
Die Gefängnisse sind überfüllt, und viele müssen ohne Matratze auf dem Boden schlafen. Seit dem 7. Oktober haben sich die Bedingungen noch weiter verschlechtert. In den sozialen Medien kursieren Videos, die zeigen wie israelische Soldaten auf palästinensische Gefangene einprügeln, eintreten und sie demütigen. Die Gefangenen haben die Augen verbunden, sind an den Händen gefesselt und halb- oder völlig nackt.
Laut Rechtshilfeorganisationen haben die Gefängnisbehörden auch die medizinische Versorgung für mindestens eine Woche eingestellt. Gefangene dürfen keine Besuche von Familien und Anwälten erhalten, die Zeit für Bewegung im Hof wurde auf weniger als eine Stunde pro Tag gekürzt und der Zugang zu Strom und heißem Wasser eingeschränkt. Die Kantine, in der Gefangene Grundgüter kaufen konnten, wurde geschlossen und elektrische Geräte wurden bei Durchsuchungen aus den Zellen entfernt. Auch Besuche des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in den Gefängnissen, in denen Mitglieder der Hamas-Elitetruppe Nukhba inhaftiert sind, wurden ausgesetzt.
Palästinenser im Westjordanland müssen sich vor israelischen Militärgerichten verantworten und erhalten in der Regel keinen Rechtsbeistand. Sie sind mit Sprachbarrieren und schlechten Übersetzungen konfrontiert, während Misshandlung, Missbrauch und sogar Folter während der Haft dafür sorgen, dass sich die meisten Gefangenen im Rahmen eines Deals schuldig bekennen, was zu einer Verurteilungsquote von 95 bis 99 Prozent führt. Berufungen werden nur selten zugelassen. In deutlichem Unterschied dazu können die 500.000 jüdischen Siedler, die zwischen ihnen leben, ungehindert die Häuser und Grundstücke von Palästinensern überfallen und sie sogar ermorden.
Heba Morayef, die Regionaldirektorin von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika, erklärte Anfang November: „Untersuchungshaft ist eines der wichtigsten Werkzeuge, mit denen Israel sein Apartheidsystem gegen die Palästinenser durchsetzt... Zeugenaussagen und Videobeweise deuten zudem auf zahlreiche Fälle von Folter und anderen Misshandlungen durch israelische Truppen hin, darunter brutale Schläge und vorsätzliche Demütigung von Palästinensern, die in erschütternden Haftbedingungen gehalten werden.“
Im Jahr 2012 erschien ein Bericht des Europäischen Parlaments, der die Untersuchungshaft als Taktik beschrieb, die „hauptsächlich zur Einschränkung des Politikaktivismus der Palästinenser angewandt wird.“ Im Jahr 2020 forderte der damalige UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte in den Palästinensergebieten, Michael Lynk, von Israel, die Praxis abzuschaffen.
Israel kommt damit durch, weil es von allen imperialistischen Mächten unterstützt wird, die jetzt selbst demokratische Rechte und die Meinungsfreiheit beschneiden, um den Widerstand gegen ihre Innen- und Außenpolitik zu unterdrücken.