Mitte der Woche kamen die führenden Vertreter der Bundesregierung zum mittlerweile vierten Mal zu einer Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg in Brandenburg zusammen. Das Treffen markiert eine enorme Eskalation der reaktionären Politik der Ampel als Regierung der Konzerne und des deutschen Imperialismus. Exakt zur Halbzeit der Legislatur verschärfen SPD, Grüne und FDP ihren Spar- und Kriegskurs. Sie heckten folgende Beschlüsse aus:
-Ein sogenanntes Wachstumschancengesetz stellt den großen Wirtschaftskonzerne weitere Entlastungen von sieben Milliarden Euro in Aussicht. Das Gesetz zielt explizit darauf ab, die Profite der deutschen Kapitalisten im Wettstreit mit ihren internationalen Konkurrenten zu sichern und die Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhnen zu intensivieren.
Es gehe darum, die „Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken“, heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung. Eine Verbesserung der „Liquiditätssituation der Unternehmen“ sei „wichtig, um die Transformation unserer Wirtschaft zu begleiten sowie die Wettbewerbsfähigkeit, die Wachstumschancen und den Standort Deutschland zu stärken“.
Was dies konkret bedeutet, wurde bereits in den letzten Monaten sichtbar. Im Öffentlichen Dienst, bei der Post und jüngst auch bei der Bahn setzten die Regierung und die Unternehmen in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften massive Reallohnsenkungen und eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch. Im Namen der „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Transformation“ werden nun weitere Angriffe vorbereitet. Allein in der Auto- und Zulieferindustrie sollen im Zuge der Umstellung auf Elektromobilität Hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet werden.
-Auch das Zukunftsfinanzierungsgesetz dient ausschließlich den Interessen des Großkapitals. „Es ist erforderlich, die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts zu stärken und die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts als bedeutenden Teil eines starken Finanzplatzes Europa zu erhöhen“, heißt es gleich im ersten Abschnitt des Regierungsentwurfs.
Der gesamte Gesetzestext macht deutlich, was sich hinter den offiziellen Phrasen der Regierung verbirgt. Durch „Digitalisierung“, „Entbürokratisierung“ und „Internationalisierung“ solle „der deutsche Finanzmarkt und der Standort Deutschland attraktiver sowohl für nationale als auch für internationale Unternehmen und Investoren werden“. Dies beinhalte, „Wettbewerbsnachteile für den Finanzstandort Deutschland“ zu beseitigen und eine „Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Wagniskapitalfonds“.
-Das einzige sozialpolitische Versprechen der Regierung, die Kindergrundsicherung, wurde in Meseberg de facto kassiert. So wurden die von der grünen Familienministerin Lisa Paus ursprünglich in Aussicht gestellten 12 Milliarden auf 2,4 Milliarden Euro zusammengestrichen. Das ist nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. An der grassierenden Kinderarmut – in Deutschland wächst jedes fünfte Kind in Armut auf – wird sich damit nicht das Geringste ändern.
Tatsächlich ist fraglich, ob am Ende überhaupt ein zusätzlicher Cent bei den Familien ankommt. Die Ampel will in der Kindergrundsicherung bereits bestehende Leistungen wie das Kindergeld, den Kinderzuschlag und das Bürgergeld für Kinder bündeln und gemeinsam auszahlen. Während klar ist, dass dabei zusätzliche Verwaltungskosten anfallen, wurde bislang keine einzige konkrete Erhöhung von Leistungen verkündet.
Trotzdem erklärte Finanzminister Christian Lindner (FDP), „dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die letzte größere Sozialreform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt“. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai pflichtete ihm bei. Es könne „in der aktuellen Situation, im Angesicht von Inflation und hoher Zinsen, nicht um eine Ausweitung des Sozialstaats gehen“.
In Wirklichkeit organisiert die Ampel die umfassendsten sozialen Angriffe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch der neue Haushaltsentwurf, den Lindner und die Bundesregierung in der nächsten Woche im Bundestag vorstellen werden, ist eine Kriegserklärung an die arbeitende Bevölkerung. Mit 445,69 Milliarden Euro liegen die geplanten Gesamtausgaben für 2024 rund 30,6 Milliarden niedriger als in diesem Jahr. Rechnet man die prognostizierte Inflation von sechs Prozent für 2023 mit ein, ergeben sich Kürzungen des Realhaushalts von über zehn Prozent. Um die Einhaltung der Schuldenbremse sicherzustellen, wird die Neuverschuldung auf 16,56 Milliarden Euro begrenzt.
Der Kahlschlag betrifft dabei nahezu alle Etats. Am krassesten sind die Kürzungen im Einzelplan des Bundesgesundheitsministeriums: statt 24,48 Milliarden Euro wie im laufenden Jahr sind für 2024 nur noch Ausgaben von 16,22 Milliarden Euro eingeplant. Das entspricht einem Rückgang um 33,7 Prozent! Im Jahr zuvor war der Gesundheitshaushalt, der 2021 noch erhebliche Ausgaben für die mittlerweile komplett beendeten Pandemiemaßnahmen enthielt, sogar um fast 40 Milliarden Euro gekürzt worden.
Ähnlich sieht der Trend in anderen Bereichen aus. Der Bildungsetat schrumpft im kommenden Jahr um 1,2 auf 20,3 Milliarden Euro, und auch der Familienetat wird gekürzt. Das Gleiche gilt für Unterstützungsleistungen für Arbeitssuchende und Langzeitarbeitslose. So werden allein zehn Milliarden Euro, die bisher aus dem Haushalt in das Arbeitslosengeld II („Bürgergeld“) geflossen sind, restlos gestrichen.
Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Die Gelder für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe werden um 23 Prozent gekürzt, für die Beauftragte für Migration um 20 Prozent und Ausgaben für das Müttergenesungswerk und Familienferienstätten um jeweils 93 Prozent. Ausgaben für Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätten werden um 77 Prozent zusammengestrichen, für die Freie Jugendhilfe um 19 Prozent und das Bafög um 24 Prozent.
Die andere Seite dieses historischen Sozialkahlschlags ist die größte Aufrüstungsoffensive seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Militärhaushalt soll 2024 auf das Rekordhoch von 70,97 Milliarden Euro steigen. Laut dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf speist sich die Summe aus dem regulären Etat in Höhe von 51,8 Milliarden Euro (plus 1,68 Prozent) und 19,17 Milliarden Euro aus dem „Sondervermögen Bundeswehr“. Das insgesamt 100 Milliarden schwere Sondervermögen hatte die Ampel bereits im vergangenen Jahr mit Unterstützung der Oppositionsparteien auf den Weg gebracht.
Alle offiziellen Phrasen über die Verteidigung von „Freiheit“ und „Demokratie“ können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es wieder um die alten Ziele und Gelüste geht. Den erneuten Drang des deutschen Imperialismus nach Osten und einen dritten „Griff nach der Weltmacht“. Bezeichnenderweise hat die Bundesregierung ausgerechnet in der Woche, in der sich zum 84. Mal der deutsche Überfall auf Polen und damit der Beginn des Zweiten Weltkriegs jährt, ihre Kriegsoffensive gegen Russland verschärft.
Kurz nach Ende des Treffens in Meseberg gab die Bundesregierung bekannt, dass sie allein in der letzten Woche zehn weitere Leopard-Kampfpanzer, 16 Aufklärungsdrohnen und 13,12 Millionen Schuss Handwaffenmunition an die Ukraine geliefert habe. Hinter den Kulissen wird auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern vorbereitet. Diese haben eine Reichweite von 500 Kilometern, was Kiew in die Lage versetzen würde, umfassende Angriffe auf die Krim und selbst die russische Hauptstadt Moskau durchzuführen.
Die Kriegseskalation, die immer akuter die Gefahr einer nuklearen Eskalation heraufbeschwört, geht einher mit massiven Angriffen auf demokratische Rechte. In Meseberg einigten sich die Kabinettsmitglieder auf einen Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), der auch Georgien und Moldau als sichere Herkunftsländer einstuft und damit die Grundlage für neue Massenabschiebungen schafft. „Mehr als jeder zehnte abgelehnte Asylantrag kommt aus diesen beiden Ländern,“ erklärte Faeser. Hier könne man „also sehr schnell irreguläre Migration wirksam reduzieren“.
Die Beschlüsse von Meseberg und der geplante Haushalt zeigen, mit welcher Aggressivität die Ampel trotz ihrer internen Konflikte den Generalangriff auf die Arbeiterklasse organisiert. Gleichzeitig entwickelt sich der Widerstand. Das zeigt die massive Opposition in den Betrieben, die mit Streiks und Protesten in ganz Europa und international zusammenkommt.
Die Ampel selbst ist nach zwei Jahren im Amt verhasst. Dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend zufolge hat die Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung ein Rekordtief erreicht. Aktuell sind nur noch 19 Prozent mit der Arbeit von SPD, Grünen und FDP „sehr zufrieden“ beziehungsweise „zufrieden“. Vier von fünf Deutschen (79 Prozent) sind damit weniger beziehungsweise „gar nicht zufrieden“. Dabei wächst der Anteil derer, die keiner etablierten Partei zutrauen, die brennenden sozialen und politischen Probleme zu lösen.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat bereits im Dezember 2021 vorausgesagt, dass die Arbeiterklasse „unweigerlich in Konflikt mit der Ampel und allen Bundestagsparteien geraten“ wird. Dieser Punkt ist nun erreicht. Doch um die reaktionären Pläne der herrschenden Klasse zurückzuschlagen, brauchen Arbeiter ihre eigenen unabhängigen Organisationen: Aktionskomitees, die den Kampf gegen soziale Angriffe, Entlassungen und Krieg unabhängig von den kapitalistischen Parteien und den Gewerkschaften in die eigene Hand nehmen und sich international vernetzen. Und sie brauchen ihre eigene Partei, die konsequent für eine internationale und sozialistische Orientierung und Perspektive eintritt.