Chinas Exporte sind im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 14,5 Prozent eingebrochen. Dies geht aus den jüngsten offiziellen Daten hervor, die diese Woche veröffentlicht wurden. Dieser Rückgang – der größte seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie Anfang 2020 – ist nur einer von vielen Wirtschaftsindikatoren, die bestätigen, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft und der größte Exporteur der Welt vor dem Hintergrund der weltweiten Inflation, der hohen Zinsen und der sich verlangsamenden Wirtschaftstätigkeit, die sich auf den Handel auswirkt, in eine Krise geraten ist.
Der Wert für den Monat Juli stellt keinen Ausreißer dar. Die chinesischen Exporte sind in den letzten drei Monaten jeweils um 12,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen. Auch die Importe sanken im Juli um 12,4 Prozent und im Juni um 6,8 Prozent, was sowohl auf rückläufige Konsumausgaben als auch eine geringere Vorleistungsnachfrage der Industrie zurückzuführen ist.
Die gestern veröffentlichten offiziellen Inflationsdaten deuten darauf hin, dass die Preise in China, anders als in den meisten anderen Ländern der Welt, rückläufig sind. Nachdem der Verbraucherpreisindex im Juni unverändert geblieben war, sank er im Juli um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Index der Erzeugerpreise – ein Maß für die Preise von Gütern ab Werkstor – fiel im Juli sogar noch stärker, und zwar um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Der Preisrückgang ist ein weiteres Indiz dafür, dass die erwartete Belebung des Konsums nach der Aufhebung fast aller COVID-19-Beschränkungen durch die Regierung zu Jahresbeginn ausgeblieben ist. China befand sich das ganze Jahr über am Rande einer Deflation, die ein Indikator für wirtschaftliche Stagnation ist. Der durchschnittliche Anstieg der Verbraucherpreise betrug in den ersten sieben Monaten nur 0,5 Prozent und lag damit deutlich unter dem offiziellen Ziel der Regierung von drei Prozent.
Die Konjunkturverlangsamung spiegelt sich auch in den Daten des verarbeitenden Gewerbes wider, das gemäß dem Einkaufsmanagerindex vier Monate in Folge schrumpfte. Der Index lag im Juli bei 49,3 und damit etwas höher als im Juni (49), aber immer noch deutlich unter der Schwelle von 50, die eine Schrumpfung des Produktionssektors von einer Expansion trennt.
Ein bescheidenes Wirtschaftswachstum von fünf Prozent hat sich die Regierung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zum Ziel gesetzt. Mit Ausnahme eines starken Wirtschaftseinbruchs im Jahr 2020 wäre dies der niedrigste Wert seit 1990. Inzwischen wird sogar das Ziel von fünf Prozent in Frage gestellt. Im zweiten Quartal dieses Jahres betrug das Wachstum 6,3 Prozent, verglichen mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, als wichtige Produktionszentren wie Shanghai aufgrund von COVID-19 geschlossen blieben. Im Vergleich zum ersten Quartal dieses Jahres – einer genaueren Messgröße – betrug das Wachstum jedoch nur 0,8 Prozent.
Chinas Präsident Xi Jinping und die Führung der KPCh sind offensichtlich besorgt über den Zustand der Wirtschaft, nicht zuletzt wegen der daraus resultierenden sozialen Unruhen. Auf seiner Sitzung letzten Monat erkannte das KPCh-Politbüro an, dass die Wirtschaft seit Aufhebung der COVID-19-Beschränkungen „mühsam vorankommt“. Es versprach, „das Umfeld für die Entwicklung von Privatunternehmen konkret zu verbessern“, das heißt die begrenzten Beschränkungen für Bauunternehmen und andere Privatunternehmen aufzuheben.
Der Rückgang der chinesischen Exporte und die Verlangsamung der Wirtschaft sind nicht nur das Ergebnis eines schwachen Weltwirtschaftswachstums und eines stagnierenden Welthandels. Die USA führen auch einen Wirtschaftskrieg, um die chinesische Wirtschaft zu schwächen und speziell die High-Tech-Industrie zu lähmen. US-Präsident Biden hat nicht nur die von seinem Vorgänger Trump gegen China verhängten Strafzölle aufrechterhalten. Im Namen der „nationalen Sicherheit“ hat er auch den Umfang der Verbote gegen chinesische Hightech-Unternehmen und den Verkauf von hochentwickelten Computerchips und Chip-Produktionsanlagen an China erheblich ausgeweitet.
Biden hat am Mittwoch den Angriff auf die chinesische High-Tech-Branche verstärkt. Er unterzeichnete ein Gesetz, das amerikanischen Firmen und Risikokapitalinvestoren Investitionen in chinesische Unternehmen verbietet, die sich mit Spitzentechnologien beschäftigen, einschließlich der Entwicklung von Halbleitern, Quantencomputern und bestimmten Anwendungsmöglichkeiten für künstliche Intelligenz.
Die Verbote sind bei weitem nicht so eng definiert, wie Washington behauptet. Vielmehr sind sie sehr umfassend und zielen darauf ab, Chinas Fähigkeit zur Entwicklung und zum Wettbewerb in kommerziellen und militärischen Hightech-Anwendungen zu lähmen. Wie schon bei früheren Verboten üben die USA auch jetzt wieder Druck auf ihre Verbündeten in Europa und Asien aus, damit sie diesem Beispiel folgen.
Der US-Imperialismus sieht in China die größte Bedrohung seiner globalen Hegemonie. Deshalb wird er vor nichts zurückschrecken, nicht einmal vor Krieg, um Beijing in die Knie zu zwingen. Allein die Tatsache, dass Washingtons sich ausweitender Wirtschaftskrieg im Namen der „nationalen Sicherheit“ geführt wird, macht deutlich, dass die USA sich rasch auf einen militärischen Konflikt mit China vorbereiten – selbst, wenn sie zeitgleich den Krieg gegen Russland eskalieren.
Die von Washington verhängten Wirtschaftssanktionen und die bewusste Verschärfung der Spannungen mit China haben sich bereits auf die chinesische Wirtschaft ausgewirkt. Nicht nur die chinesischen Exporte sind betroffen, auch die Auslandsinvestitionen in China haben sich bereits vor den jüngsten Maßnahmen deutlich reduziert. Die ausländischen Netto-Direktinvestitionen in Festlandchina fielen im Juni-Quartal auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten. Im Vergleich zum Vorjahr sanken sie um 87 Prozent auf nur noch 4,9 Milliarden US-Dollar.
Angesichts der zunehmenden Unsicherheit, die durch den US-Wirtschaftskrieg ausgelöst wurde, diversifizieren globale Unternehmen ihre Produktionsstandorte zunehmend nach dem Prinzip „China plus eins“, was bedeutet, dass sie einige Fabriken in China behalten, vor allem für den riesigen chinesischen Markt, aber den Großteil der Produktion in andere Länder verlagern. Zweifellos spielen dabei viele Faktoren eine Rolle. Aber die chinesischen Exporte in die USA sind im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent eingebrochen, während die Exporte aus Mexiko, Kanada, Vietnam und anderen Ländern in die USA stark gestiegen sind.
Es steht außer Frage, dass der wirtschaftliche Abschwung in China zu starken sozialen und politischen Spannungen führt. Die Hinwendung der KPCh zu einer kapitalistischen Restauration ab 1978 basierte ideologisch auf der Behauptung, dass der Markt den Lebensstandard der gesamten Bevölkerung heben würde. In der Blütezeit des chinesischen Wirtschaftswachstums betrachtete die KPCh ein Wirtschaftswachstum von acht Prozent als Maßstab für ein hohes Maß an Beschäftigung und sozialer Stabilität.
Heute wird ein Wirtschaftswachstum von lediglich fünf Prozent angestrebt, wobei die Arbeitslosigkeit stetig steigt. Die offizielle Arbeitslosenquote in den Städten lag im Juli bei 5,4 Prozent, aber diese Zahl berücksichtigt nicht die riesige Zahl von Binnenmigranten aus ländlichen Gebieten – etwa 280 Millionen Arbeitnehmer –, die in die Städte strömen, um dort als Billigstarbeitskräfte in der verarbeitenden Industrie und im Baugewerbe zu arbeiten. Wanderarbeiter werden als Bürger zweiter Klasse behandelt, die in den Städten, in denen sie arbeiten, keinen Anspruch auf grundlegende Dienstleistungen haben und als erste entlassen werden.
Die städtische Jugendarbeitslosigkeit ist weitaus höher und erreichte im Juni laut offizieller Statistik mit 21,3% bei den 16–24-Jährigen einen Rekordwert. Aber viele junge Menschen, vor allem die Millionen von Hochschulabsolventen, fallen einfach aus der Arbeitsmarktstatistik heraus oder „liegen flach“ (Tang Ping), obwohl die Regierung sie ermahnt, jeden noch so schlechtbezahlten Gelegenheitsjob anzunehmen. Nach Schätzungen des Ökonomen Zhang Dandan von der Universität Peking könnte die reale Jugendarbeitslosigkeit im März sogar bei 46,5 Prozent gelegen haben. Und dabei ist die Situation in den ländlichen Gebieten noch gar nicht berücksichtigt.
Verstärkt wird die Entfremdung der Jugend durch die enorme soziale Kluft zwischen Arm und Reich, die der kapitalistische Restaurationsprozess hervorgebracht hat. Während die Zahl der Dollarmilliardäre in China zeitweise nur noch von der Zahl der Dollarmilliardäre in den USA übertroffen wurde, müssen große Teile der Bevölkerung mit sehr niedrigen Einkommen überleben. Der chinesische Premierminister Li Keqiang erklärte, dass im Jahr 2020 600 Millionen Menschen von weniger als 1.000 Yuan (ca. 126 Euro) im Monat, also weniger als fünf Euro am Tag, lebten.
Präsident Xi ist sich der explosiven sozialen Spannungen bewusst, die sich aufstauen. Er hat deshalb den „gemeinsamen Wohlstand“ zu einem der wichtigsten Slogans seiner dritten Amtszeit gemacht und drängt die Unternehmensoligarchie, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Gleichzeitig rühmte er sich, die absolute Armut in China beseitigt zu haben. Chinas außerordentliches Wirtschaftswachstum hat zwar den Lebensstandard großer Teile der Bevölkerung angehoben. Doch die soziale Ungleichheit ist nach wie vor eklatant, und die Not der Armen verschärft sich mit dem wirtschaftlichen Abschwung. Der bürokratische Apparat der KPCh reagierte darauf, indem er von den Medien verlangte, schlechte Wirtschaftsnachrichten positiv darzustellen, und indem er Videos und Geschichten über schreckliche Armut in den sozialen Medien zensierte.
Der wirtschaftliche Zusammenbruch und die sozialen Spannungen in China sind nur ein Ausdruck der sich vertiefenden Krise des globalen Kapitalismus auf der ganzen Welt, einschließlich der Vereinigten Staaten. In einer Weltwirtschaft, die in den letzten vier Jahrzehnten durch die Prozesse der globalisierten Produktion tief integriert wurde, werden die Handelskriegsmaßnahmen der USA, die den Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft verschärfen sollen, auf die eine oder andere Weise zurückschlagen.
Die chinesischen Konjunkturmaßnahmen nach der globalen Finanzkrise 2008/09 spielten eine entscheidende Rolle bei der Erholung der Weltwirtschaft, ebenso wie die chinesischen Exporte in der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie. Nun, da sich die Weltwirtschaft angesichts der zunehmenden finanziellen Instabilität verlangsamt, ist China, dass selbst mit einer enormen Schuldenlast zu kämpfen hat und sich mit einem von den USA angezettelten Handelskrieg konfrontiert sieht, nicht mehr in der Lage, die gleiche Rolle zu spielen.
Die einzige Antwort der herrschenden Klasse auf die Krise des globalen Kapitalismus ist Krieg gegen ihre Konkurrenten und Klassenkampf im eigenen Land gegen die Arbeiter. Die Antwort der internationalen Arbeiter muss ein einheitlicher politischer Kampf auf der Grundlage des sozialistischen Internationalismus sein, um das bankrotte Profitsystem und sein veraltetes Nationalstaatensystem abzuschaffen.