Perspektive

Antisemitismus und antichinesischer Rassismus: Der Fall Robert F. Kennedy Jr.

Beim Besuch eines gehobenen Restaurants in Manhattan äußerte Robert F. Kennedy Jr. – ein Herausforderer Bidens bei der Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten – letzte Woche seine faschistoide Haltung gegenüber dem Ursprung von Covid-19. Einem am Samstag in der New York Post veröffentlichten Bericht zufolge behauptete Kennedy, dass jüdische und chinesische Menschen weniger anfällig für das Virus seien, das die weltweite Pandemie verursacht, und dass dies das Ergebnis einer absichtlicher genetischer Manipulationen sein könne.

Robert F. Kennedy Jr. bei einem Protest gegen die Covid-19-Impfung. 13. November 2021, Mailand [AP Photo/Antonio Calanni]

In einer zweiminütigen Videoaufzeichnung seiner Äußerungen, die auf der Website der Zeitung veröffentlicht wurde, ist Kennedy mit den Worten zu vernehmen: „Es gibt in der Tat ein Argument, dass Covid-19 ethnisch ausgerichtet ist. Covid-19 greift bestimmte Rassen unverhältnismäßig stark an“. Kennedy behauptet weiter, dass aufgrund der „genetischen Struktur“ des Virus „Covid-19 gezielt Kaukasier und Schwarze angreift“. „Die Menschen, die am immunsten sind, sind aschkenasische Juden und Chinesen“, sagte Kennedy und zitierte eine wissenschaftliche Arbeit vom Juli 2020, die keine solche Behauptung aufstellt.

Kennedy vertritt die Verschwörungstheorie, dass es sich bei Covid-19 um ein künstlich hergestelltes Virus handele, das von chinesischen Wissenschaftlern des Wuhan Institute of Virology zusammen mit ihren amerikanischen Kollegen freigesetzt wurde. Kennedys Aussagen implizieren, dass es sich bei der Krankheit um eine biologische Waffe handelt, die von chinesischen Forschern und jüdischen amerikanischen Wissenschaftlern entwickelt wurde, um Christen zu töten.

Kennedys Bemerkungen haben tiefe historische Anklänge, denn sie sind mit der „Ritualmordlegende“ vergleichbar, die im Mittelalter in Umlauf gebracht wurde und Juden beschuldigte, heimlich das Blut von christlichen Kindern abzapfen zu wollen. Solche Lügen wurden vom russischen Zarismus in seiner Fabrikation der „Protokolle der Weisen von Zion“ wiederbelebt, um Pogrome gegen Juden zu rechtfertigen, und wurden anschließend von den Nazis in ihrem völkermörderischen Streben nach Ausrottung der jüdischen Bevölkerung Europas wieder aufgegriffen.

Im Jahr 2021 veröffentlichte die World Socialist Web Site mehrere Perspektivartikel, die diese Verschwörungstheorie als „Wuhan-Lab-Lüge“ bezeichneten, in Anspielung auf ihre Parallelen zur antisemitischen Ritualmordlüge.

Kennedys rassistische Verschwörungstheorie könnte man als das Protokoll der Weisen von Wuhan bezeichnen – ein krudes Amalgam aus Antisemitismus und amerikanischer Nativismus-Hysterie gegen die „Gelbe Gefahr“. Die pseudowissenschaftliche „Theorie“ eines chinesischen Laborlecks wird mit der mittelalterlichen Fiktion kombiniert, dass Juden gegen den Schwarzen Tod immun und für diesen verantwortlich seien.

In Wirklichkeit war New York City mit der größten jüdischen Bevölkerung in Nordamerika die Stadt, die am stärksten von der ersten Covid-19-Welle betroffen war. Und China, das mehr als zwei Jahre lang durch Massentests, Kontaktnachverfolgung und Quarantäne von der Pandemie weitgehend verschont blieb, hat in den acht Monaten, seit die Zero-Covid-Politik auf Druck des Weltimperialismus – einschließlich der Vereinigten Staaten – aufgehoben wurde, eine kolossale Zahl von Todesopfern zu beklagen.

Kennedy kann nicht als Verrückter oder als randständiger Verschwörungsideologe abgetan werden. Er bringt starke Tendenzen innerhalb der US-amerikanischen herrschenden Klasse zum Ausdruck. Inmitten eines eskalierenden imperialistischen Krieges gegen Russland und laufender Vorbereitungen auf einen noch umfassenderen und gefährlicheren Krieg gegen China schürt diese bewusst faschistische Stimmungen, die in Amerika eine lange Geschichte haben – Antisemitismus, Rassismus, antichinesische Hetze.

Dabei sind es bei Weitem nicht nur Trump und die Republikanische Partei, die Stimmung gegen Einwanderer machen und Rassismus gegen Chinesen schüren. Die führenden der Demokratischen Partei nahestehenden Zeitungen, die New York Times und die Washington Post, zählen zu den Hauptverfechtern der Wuhan-Lab-Lüge – der rechten Verschwörungstheorie, die zuerst von Trumps faschistischem Berater Steve Bannon in die Welt gesetzt wurde, wonach SARS-CoV-2 im Wuhan-Institut für Virologie entwickelt und von dort in die Welt entlassen worden sei.

Sie leisteten zudem tatkräftig der Fiktion einer „russischen Einmischung“ in die US-Wahlen Vorschub, als die Demokratische Partei versuchte, den weit verbreiteten Hass auf Trumps reaktionäre Regierung in eine Kampagne gegen das Moskauer Putin-Regime umzuleiten, womit sie dem gegenwärtigen US-geführten Stellvertreterkrieg der Nato in der Ukraine den Weg ebneten.

In diesem Krieg haben die Biden-Regierung und die gesamten bürgerlichen Medien systematisch ein faschistisches Narrativ legitimiert, indem sie die neonazistischen Verbindungen ukrainischer Streitkräfte wie des Asow-Regiments und die Holocaust-Mittäterschaft von Stepan Bandera und anderen ukrainischen Faschisten vertuschten, die jetzt vom Kiewer Regime als Nationalhelden gefeiert werden.

Dass der Nato-Gipfel in der vergangenen Woche im litauischen Vilnius – nur eine kurze Autofahrt von der russischen Grenze entfernt – stattfand, war eine Provokation. Litauen wird heute von den politischen Erben der lokalen faschistischen Kollaborateure Hitlers beherrscht, die in ihrem Eifer, Juden auszurotten, der Gestapo in nichts nachstanden. Die versammelten Nato-Führer verloren kein Wort über die Tatsache, dass ihre Gastgeberstadt einer der Brennpunkte des Holocausts war.

Kennedys Tiraden werfen auch ein Licht auf den bankrotten und reaktionären Charakter der Kampagne für eine Querfront („Left-Right-Alliance“), die von verschiedenen Pseudolinken wie dem Schriftsteller Chris Hedges und dem Journalisten Glenn Greenwald lanciert wurde. Kennedys Äußerungen über Juden und Chinesen mögen ihnen persönlich zuwider sein, doch Greenwald führte ein sympathisierendes Interview mit Kennedy, nachdem dieser seine Präsidentschaftskampagne in Gang gesetzt hatte. Dort wurde seine Ablehnung von Impfregeln und anderen Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 ausführlich behandelt.

Als langjähriger Impfgegner hat Kennedy seine finanziellen Ressourcen für eine politisch kriminelle Kampagne eingesetzt, die grundlegende Impfungen gegen Kinderkrankheiten mit der Zunahme von Autismus in Verbindung bringt. Das hielt die Befürworter der „Left-Right-Alliance“ nicht davon ab, seine Kandidatur für die Vorwahlrunde der Demokraten zu unterstützen. So ist etwa der ehemalige demokratische Abgeordnete Dennis Kucinich, ein Gegner des Irak-Krieges, Kennedys Wahlkampfmanager. Als Sohn von Robert F. Kennedy und Neffe von John F. Kennedy hat Robert Jr. einen hohen Bekanntheitsgrad und eine anfängliche „Kredibilität“ bei Leuten, die mit seiner zutiefst reaktionären Perspektive nicht vertraut sein mögen.

Die Reaktion der bürgerlichen Medien auf diesen schmutzigen Ausbruch war bemerkenswert zurückhaltend. Er wurde nicht als politische Disqualifikation erachtet, die Kennedy aus dem Rennen zwingen würde. Nur in einer Sonntags-Fernsehsendung wurde der Vorfall überhaupt erwähnt, und das auch nur am Rande.

Besonders erwähnenswert ist ein sanfter Bericht in der New York Times der angeblich führenden Zeitung Amerikas mit einer großen jüdischen Leserschaft, die zweifellos alarmiert und empört war, als sie von Kennedys Äußerungen erfuhr. Die erste Version des Times-Berichts trug die Überschrift: „Robert F. Kennedy Jr.’s Bemerkungen über Corona werfen Frage des Antisemitismus auf“. Man könnte sich fragen, welche „Fragen“ das sein sollen, angesichts der Behauptung, Covid-19 sei „gezielt entwickelt“ worden, um Juden zu verschonen. Erst später – wahrscheinlich nach externen und internen Protesten – wurde die Schlagzeile geändert und lautete: „Robert F. Kennedy Jr. verbreitet hetzerische neue Corona-Verschwörungstheorie über Juden und Chinesen“.

Kennedys Äußerungen verdeutlichen eine allgemeinere Betrachtung über kapitalistische Politik in Kriegszeiten. Der imperialistische Krieg geht unweigerlich mit den schlimmsten Formen der ideologischen Reaktion einher – einschließlich des Antisemitismus –, die darauf abzielen, in der Bevölkerung den Hass auf den „Feind“ zu schüren. Dieser wiederum ist notwendig, um die Kosten des Krieges in Form von Angriffen auf den Lebensstandard, die demokratischen Rechte und menschliches Leben auf die Arbeiterklasse abzuwälzen und ihren unvermeidlichen Widerstand gegen den Krieg und all seine Folgen zu desorientieren und zu spalten.

Wie Leo Trotzki im Übergangsprogramm, dem Gründungsdokument der Vierten Internationale, schrieb:

Bevor er die Menschheit völlig auszehrt oder in Blut ertränkt, vergiftet der Kapitalismus die Weltatmosphäre mit dem verderblichen Dunst der Völker- und Rassenhasses. Der Antisemitismus ist heute eine der bösartigsten Zuckungen des kapitalistischen Todeskampfes.

Die unerbittliche Brandmarkung aller Rassenvorurteile und aller Schattierungen nationaler Anmassung und des Chauvinismus, insbesondere den Antisemitismus, muß in tägliche Arbeit aller Sektionen der IV. Internationale als grundlegende Erziehungstätigkeit im Kampf gegen Imperialismus und Krieg eingehen. Unsere Grundlosung ist und bleibt: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

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