Perspektive

Biden beendet Corona-Notstand und verewigt Massensterben und Gesundheitsschäden

Ohne eine öffentliche Rede oder auch nur eine schriftliche Erklärung hat die Regierung Biden am Donnerstag den Covid-Notstand für öffentliche Gesundheit (Public Health Emergency, PHE) in den USA auslaufen lassen. Damit hat das Weiße Haus gesetzlich festgelegt, dass Covid-19 dauerhaft in der Gesellschaft verankert bleibt und in absehbarer Zukunft weiterhin Massen von Menschen infizieren, behindern und töten wird.

Das Auslaufen des PHE-Programms war die dritte und letzte der offiziellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in den USA, die damit allesamt formell beendet worden sind. Sie folgt auf die Aufhebung der Abmeldebeschränkungen für Medicaid am 1. April und das Ende der nationalen Corona-Notstandserklärung am 10. April. Zusammengenommen haben diese drei Maßnahmen enorme, unmittelbare Auswirkungen auf Millionen von Amerikanern und werden unsagbares weiteres Leid und Tod verursachen.

Am folgenreichsten war die Aufhebung der Beschränkungen für die Abmeldung von Medicaid. Sie könnte nach Schätzungen der Kaiser Family Foundation dazu führen, dass im kommenden Jahr bis zu 24 Millionen Amerikaner (darunter sieben Millionen Kinder) den Zugang zu Medicaid verlieren. Nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) sind derzeit 6,1 Prozent der amerikanischen Erwachsenen an Long-Covid erkrankt. Das bedeutet, dass über eine Million Erwachsene, die an dieser oftmals schwächenden Krankheit leiden, jetzt ihren Krankenversicherungsschutz verlieren könnten.

Mit dem Auslaufen der PHE wird die künftige Verteilung von Covid-19-Tests, -Behandlungen und -Impfstoffen privatisiert, sobald die vorhandenen Vorräte in den kommenden Monaten aufgebraucht sein werden. Hersteller wie Pfizer planen, ihre Impfstoffe für bis zu 130 Dollar pro Dosis und das Virostatikum Paxlovid für möglicherweise über 500 Dollar zu verkaufen, während Schnelltests für den Hausgebrauch jeweils zehn Dollar kosten sollen. Für etwa 30 Millionen nicht versicherte Amerikaner – die ärmsten und am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen – werden diese Kosten völlig unerschwinglich sein.

Überall in den USA stehen die Krankenhäuser unter wachsendem finanziellen Druck. Das Center for Healthcare Quality and Payment Reform prognostiziert, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren mehr als 200 Krankenhäuser in ländlichen Gegenden zur Schließung gezwungen werden könnten. Darüber hinaus wird das Hypothekenstundungsprogramm des Ministeriums für Wohnungsbau und Stadtentwicklung, das anlässlich der Pandemie aufgelegt worden war, bald auslaufen. Einer unbestimmten Zahl von Amerikanern droht deshalb bald die Zwangsräumung ihrer Häuser.

Am vergangenen Freitag kündigte die CDC an, dass sie diese gesundheitspolitische Abrissaktion nutzen wird, um ihr Infektionsdaten-Meldesystem für Covid-19 abzubauen. Wie schon während der gesamten Pandemie ist diese inzwischen völlig diskreditierte Behörde wieder einmal auf der Linie des Weißen Hauses, um die Verbreitung von Covid-19 zu vertuschen.

Die Beendigung des PHE in den USA erfolgt weniger als eine Woche, nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den internationalen Gesundheitsnotstand (PHEIC) für Covid-19 abrupt aufgehoben hat. Zweifellos hat der US-Imperialismus hinter den Kulissen Druck auf die WHO ausgeübt, den PHEIC zu beenden, um die Aufhebung des PHE in den USA zu rechtfertigen.

Die globale Beendigung dieser Notstandserklärungen hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Sie ist Ausdruck der wirtschaftlichen und politischen Zwänge der herrschenden kapitalistischen Eliten, die entschlossen sind, eine „Rückkehr zur Normalität“ zu erzwingen, um ihre Profite zu maximieren. Sie markieren den Höhepunkt der letzten anderthalb Jahre unerbittlicher Propaganda als Reaktion auf das Auftreten der hochinfektiösen und immunschwächenden Omicron-Variante im November 2021, die fälschlicherweise als „mild“ und im Grunde nicht schädlicher als die Grippe bezeichnet wurde.

In Wirklichkeit ist und bleibt Covid-19 ein hochgefährlicher Erreger, der jetzt immer schneller mutiert. Während die offiziellen Zahlen zu Infektionen und Todesfällen aufgrund der Abschaffung von Tests und Datenmeldungen bedeutungslos geworden sind, deuten Abwasserkontrollen und die Schätzungen der Übersterblichkeit darauf hin, dass die virale Übertragung und die Sterblichkeitsrate weltweit weiterhin hoch sind.

Für diese Woche schätzt das Magazin The Economist die Zahl der zusätzlichen Todesfälle pro Tag, die auf die Pandemie zurückzuführen sind, auf 14.000 weltweit. Die Gesamtzahl der Todesfälle beläuft sich inzwischen auf 22 Millionen, womit Covid-19 immer noch die dritthäufigste Todesursache weltweit ist. Allein in den USA gibt es schätzungsweise 1,4 Millionen überzählige Todesfälle, was weit über der offiziellen Zahl von 1,1 Millionen Corona-Toten liegt, mit derzeit 860 überzähligen Todesfällen pro Tag.

In zahlreichen Artikeln und Interviews der letzten Wochen haben Wissenschaftler vor den anhaltenden Gefahren der Entwicklung des Virus gewarnt. In einem Artikel im Fachmagazin Nature vom 1. Mai hieß es: „Derzeit entwickelt sich das Spike-Protein von SARS-CoV-2, in dem die meisten immunitätsschädigenden Mutationen auftreten, doppelt so schnell wie ein ähnliches Protein in der saisonalen Grippe und etwa zehnmal so schnell wie bei den Erkältungen verursachenden ,saisonalen’ Coronaviren.“

Es könnte sich jederzeit eine weitaus gefährlichere Variante entwickeln, die tödlicher, schneller übertragbar und immunschwächend ist und die Pandemie im Grunde wieder von vorne beginnen lässt, indem sie die lebensrettenden Wirkungen der vorhandenen Impfstoffe und Behandlungen zunichte macht.

Hinzu kommt das historisch beispiellose Phänomen von Long-Covid, ein Ereignis, durch das Massen von Menschen in ihrer Gesundheit geschädigt worden sind. Wissenschaftler haben es mit dem Unterwasserteil eines Eisbergs verglichen. Ein am Dienstag veröffentlichter Artikel in der Zeitschrift Foreign Policy stellte fest: „Weltweit wurden zehn Millionen Fälle von Long-Covid diagnostiziert – sicherlich eine Unterschätzung –, wobei mindestens ein Drittel der Betroffenen neurologische oder kardiovaskuläre Schäden erleidet, die sich als behindernd erweisen.“

Wissenschaftliche Erkenntnisse weisen außerdem darauf hin, dass Corona-Reinfektionen, die immer häufiger vorkommen, das Risiko erhöhen, Symptome von Long-Covid zu entwickeln.

Die Reaktion der bürgerlichen Medien auf die Auswirkungen der Abschaffung der PHE auf die öffentliche Gesundheit war weitgehend gedämpft. Viel stärker wurde die damit verbundene Aufhebung der Einwanderungsbeschränkungen nach Title 42 und das militarisierte Vorgehen gegen Migranten an der Grenze zwischen den USA und Mexiko kommentiert. Damit vertiefen die Medien ihre unheilvolle Rolle, die sie während der gesamten Pandemie gespielt haben, indem sie die Öffentlichkeit absichtlich falsch informiert haben.

Der Verzicht auf öffentliche Gesundheitsmaßnahmen durch die herrschenden Eliten weltweit muss von der internationalen Arbeiterklasse als Warnung verstanden werden. Das Ausmaß an Massensterben und -leiden, das sie zu tolerieren bereit sind, um ihre Macht und ihre Profitströme zu erhalten, kennt keine Grenzen. Im vergangenen Jahr hat sich dies in ihren Bemühungen um eine Normalisierung des Einsatzes von Atomwaffen inmitten des eskalierenden Krieges der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine deutlich gezeigt.

Die herrschenden Eliten haben die Pandemie als positives Gut für die Senkung der Lebenserwartung und die Verringerung der Rentenverpflichtungen betrachtet, und es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass sie auf künftige Pandemien – vor denen Wissenschaftler aufgrund des Klimawandels immer häufiger warnen – mit völliger Tatenlosigkeit reagieren werden.

In einem der wenigen Artikel über das Ende der PHE veröffentlichte die New York Times am Donnerstag eine Erklärung von Ezekiel Emanuel, Michael Osterholm und anderen Mitgliedern von Bidens Covid-Übergangsteam nach den Wahlen. Emanuel ist ein bekannter Befürworter von Maßnahmen, die Lebenserwartung der Bevölkerung zu senken, dessen seit langem bekannte eugenische Überzeugungen während der Pandemie nur noch offener zutage getreten sind.

Die Verfasser stellen die lebensrettende Politik der Schulschließungen in Frage, die 2020 willkürlich eingeführt und Anfang 2021 wieder aufgehoben wurden. Sie behaupten, dass bei künftigen Pandemien „der Präsenzunterricht während einer Lungenpandemie wie Covid fortgesetzt werden kann, noch bevor ein Impfstoff entwickelt wird.“ Sie fügten hinzu: „Selbst bei einer Pandemie sollten öffentliche Räume geöffnet bleiben, sofern sie nicht zu Infektionsherden werden.“

Es ist inzwischen völlig klar, dass die einzige Grenze für die Zahl der Todesfälle durch Covid-19 und künftige Pandemien der Widerstand in der Bevölkerung sein wird. Dies erfordert eine systematische Ausbildung der Arbeiterklasse und der fortschrittlichen Schichten der Mittelschicht in den Grundsätzen der öffentlichen Gesundheit und ein marxistisches politisches Verständnis des Wesens des kapitalistischen Systems.

Mit dem Ende des PHE hat die herrschende Klasse den Rubikon überschritten. Das Ende aller Schutzmaßnahmen ist ein Synonym für die Todeskrise des Kapitalismus, in der die öffentliche Gesundheit sofort aufgegeben wurde. In der modernen Geschichte gibt es dafür keinen Präzedenzfall. Dies ist ein entscheidender Moment, der die frühere politische Analyse bestätigt hat, dass die Corona-Pandemie ein Trigger Event, ein „auslösendes Ereignis“ in der Weltgeschichte war.

Während der gesamten Pandemie sind das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) und die ihm angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien die einzige politische Bewegung, die sich kontinuierlich gegen die mörderische Pandemiepolitik jeder kapitalistischen Regierung gestellt und versucht hat, den Arbeitern ein wissenschaftliches Verständnis dafür zu vermitteln, was getan werden muss, um die Pandemie weltweit zu stoppen.

Im November 2021 hat die World Socialist Web Site den Global Workers' Inquest zur Corona-Pandemie eingeleitet – nach wie vor die einzige unabhängige Untersuchung der von den kapitalistischen Regierungen und Unternehmen begangenen Verbrechen. Angesichts der sich vertiefenden Vertuschung von Covid-19 wird die Untersuchung ihre Arbeit weltweit fortsetzen, und wir fordern alle Arbeiter und Wissenschaftler auf, sich daran zu beteiligen.

Die Untersuchung ist ein wichtiger Bestandteil des Kampfes für den Wiederaufbau einer sozialistischen Kultur innerhalb der Arbeiterklasse. Die Erfahrungen mit der Pandemie und die eskalierende Gefahr des Dritten Weltkriegs unterstreichen den Charakter dieses Kampfes um Leben und Tod. Nur durch den sozialistischen Umsturz des überholten kapitalistischen Systems kann die Gefahr von Pandemien, nuklearer Vernichtung, Faschismus und immer größerer sozialer Ungleichheit gestoppt werden, und die sozialen Rechte der internationalen Arbeiterklasse – einschließlich des Rechts auf öffentliche Gesundheit und ein langes Leben – können gesichert werden.

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