Das Jahr 2022 endet mit einer schockierenden Zahl von Toten: Laut US-General Mark Milley wurden in dem brudermörderischen Krieg in der Ukraine 200.000 Menschen getötet oder verwundet.
Dieser schreckliche Verlust an Menschenleben war die Grundlage, die den Waffenherstellern enorme Gewinne beschert hat. Während der Dow Jones Industrial Average im gesamten Jahr um zehn Prozent gefallen ist, sind die Aktienkurse der US-Rüstungsunternehmen in die Höhe geschossen.
In den letzten zwölf Monaten ist der Aktienkurs von Northrop Grumman um 40 Prozent gestiegen, der von Raytheon um fast 17 Prozent, während der von Lockheed Martin um 37 Prozent zugelegt hat.
Laut einigen Schätzungen steigen die Militärausgaben der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten in einem Maße, wie es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr der Fall war.
Laut einer Analyse des Magazins Foreign Policy haben sich das Ausmaß und der Geldwert der von den USA genehmigten Waffenverkäufe an ihre Nato-Verbündeten im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 fast verdoppelt.
Foreign Policy schrieb: „Im Jahr 2021 bewilligte die US-Regierung 14 mögliche große Waffenverkäufe an Nato-Verbündete im Wert von etwa 15,5 Milliarden Dollar. Im Jahr 2022 erhöhte sich diese Zahl auf 24 mögliche große Waffenverkäufe im Wert von rund 28 Milliarden Dollar, darunter Waffenverkäufe an das potenzielle künftige Nato-Mitglied Finnland im Wert von 1,24 Milliarden Dollar.“
Deutschland kündigte im Dezember seine Absicht an, Dutzende von F-35-Kampfflugzeugen im Wert von 8,4 Milliarden Dollar von US-amerikanischen Rüstungsunternehmen zu kaufen. Im gleichen Monat bewilligten die USA den Verkauf von 100 M1-Abrams-Kampfpanzern an Polen.
Die USA haben bereits den geplanten Verkauf von HIMARS-Raketenwerfern an Estland und Litauen bestätigt, und ein ähnlicher Plan für Lettland dürfte in wenigen Monaten bekannt gegeben werden.
Die europäischen Großmächte erhöhen ebenfalls ihre Militärausgaben: Zehn Nato-Mitglieder geben dieses Jahr mehr als zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Waffen aus, im Jahr 2014 waren es nur vier.
US-Präsident Joe Biden unterzeichnete letzte Woche den 858 Milliarden Dollar umfassenden National Defense Authorization Act (NDAA). Die endgültige Version, die vom Kongress verabschiedet wurde, lag 45 Milliarden über der Summe, die das Weiße Haus beantragt hatte, und diese lag bereits über der Forderung des Pentagons.
Der Etat liegt damit um acht Prozent über dem des Vorjahres und bedeutet eine 30-prozentige Steigerung der Militärausgaben gegenüber dem Pentagon-Etat von 2016. Während die US-Militärausgaben massiv gestiegen sind, ist das Realeinkommen eines typischen US-Haushalts in den letzten zwölf Monaten um drei Prozent gesunken.
Das Gesetz erhöht die Mittel für jede einzelne Abteilung des Militärs und jedes Waffenprogramm. Die US Navy erhält 32 Milliarden Dollar für neue Kriegsschiffe, darunter drei Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse und zwei Atom-U-Boote der Virginia-Klasse. Und das Pentagon wird ermächtigt, weitere 36 F-35-Flugzeuge für etwa 89 Millionen Dollar pro Stück zu kaufen.
Laut einer Analyse der New York Times werden die Ausgaben der Army für den Kauf von Raketen um 55 Prozent steigen und die Waffenkäufe der Navy um 47 Prozent.
Im September erhielten Raytheon und Northrop Grumman den Zuschlag für einen Ein-Milliarden-Dollar-Auftrag zur Produktion von Prototypen von Überschallraketen für die US Air Force.
Die Times fasste die rasant steigenden Aufträge für die großen Rüstungskonzerne wie folgt zusammen: „Lockheed Martin, der größte Rüstungskonzern des Landes, hat vom Pentagon Aufträge für Raketen im Wert von mehr als 950 Millionen Dollar erhalten, zum Teil um die Bestände aufzufüllen, die in der Ukraine verwendet wurden. Raytheon Technologies hat von der Army Aufträge über Raketensysteme im Wert von mehr als zwei Milliarden Dollar erhalten, als Ersatz oder Erweiterung der Waffen, die an die Ukraine geschickt wurden.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Auch die asiatischen Verbündeten der USA erhöhen ihre Ausgaben ebenfalls massiv. Die japanische Regierung stellte im Dezember eine neue nationale Verteidigungsstrategie vor, die den Militärhaushalt verdoppeln und das Militär in eine Angriffsstreitmacht verwandeln soll. Japan wird erstmals Langstreckenraketen erwerben, mit denen es China offensiv angreifen kann.
Die enorme Menge an Kriegsgerät, das in die Ukraine geliefert wird, ist nahezu unbegreiflich. Bisher haben die USA und ihre Verbündeten der Ukraine mehr als 100 Millionen Schuss Handfeuerwaffenmunition, über eine Million Artilleriegeschosse und über 100.000 Panzergeschosse geliefert.
Darüber hinaus erhält die Ukraine einige der modernsten Waffen aus dem Arsenal der USA, darunter die Panzerhaubitze Paladin, die Flugabwehrsysteme NISAMS und Patriot sowie die HARM-Rakete zur Bekämpfung von Radarstellungen und die Schiffsabwehrrakete Harpoon.
Doch das ist erst der Anfang. Army Secretary Christine Wormuth erklärte gegenüber der Times: „Wir werden das noch hochfahren. Wir haben wirklich eng mit der Industrie zusammengearbeitet, um ihre Kapazität und auch die Produktionsgeschwindigkeit zu erhöhen.“
Timothy Ash, ein Mitarbeiter der pro-imperialistischen britischen Denkfabrik Chatham House, erklärte in einer Analyse für die Denkfabrik CEPA: „Kriege sind für Rüstungsunternehmen wie Schaufenster... Putins Fehleinschätzung hat seinen westlichen Konkurrenten lediglich fantastische Marketing-Möglichkeiten verschafft.“
In der Studie heißt es: „Da die Qualität /Fähigkeit der [russischen] Ausrüstung wegen der schlechten Leistung auf dem Schlachtfeld in Frage steht, werden sie vermutlich darum wetteifern, eine bessere US-Ausrüstung zu erwerben.“
Zweifellos mit Blick auf die immensen potenziellen Profite für die amerikanische und britische Rüstungsindustrie kommt Ash zu dem Schluss: „Doch wenn man es aus der Perspektive ‚gute Ware fürs Geld‘ sieht, ist die Unterstützung der USA und des Westens für die Ukraine in vielerlei Hinsicht eine unglaublich kosteneffiziente Investition.“
Ashs Äußerungen erinnern an die Aussage des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksi Resnikow, der im Juli erklärt hatte, die Ukraine sei mittlerweile „im Wesentlichen ein Testgebiet... Viele Waffen werden jetzt vor Ort in realen Kampfbedingungen gegen die russische Armee getestet, die selbst über zahlreiche Warnsysteme verfügt.“
Er zog die Schlussfolgerung: „Wir sind daran interessiert, moderne Systeme im Kampf gegen den Feind zu testen, und wir laden die Waffenhersteller ein, neue Produkte hier zu testen.“