Für viele Studierende spitzt sich die bereits jetzt dramatische soziale Notlage weiter zu. Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes waren 2021 mehr als ein Drittel aller Studenten armutsgefährdet. Für Studierende, die alleine oder in einer Wohngemeinschaft lebten, liegt das Armutsrisiko sogar bei schockierenden 76,1 Prozent. Die Politik lässt Studenten dabei am ausgestreckten Arm verhungern.
Besonders seit Beginn der Corona-Pandemie sind viele Studenten nicht nur massiven gesundheitlichen, sondern auch finanziellen Belastungen ausgesetzt. Laut einem Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands vom Mai dieses Jahres war bereits 2020 jeder dritte Studierende von Armut betroffen. Durch die Inflation und die explodierenden Energiepreise – beides Folgen des Nato-Stellvertreterkrieges gegen Russland in der Ukraine – wird sich die Lage drastisch verschärfen.
Insgesamt waren laut dem Statistischen Bundesamt 37,9 Prozent aller Studierenden im vergangenen Jahr von Armut bedroht. Mehr als drei Viertel der Studenten, die alleine oder mit anderen Studierenden zusammenlebten, gelten als besonders gefährdet. Wie hoch das Armutsrisiko für Studierende tatsächlich ist, wird im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung deutlich: Die Armutsquote liegt dort bei 15,8 Prozent.
Doch selbst diese bereits dramatischen Zahlen entsprechen nicht der Realität und basieren auf Werten, die von gutbetuchten EU-Bürokraten schöngerechnet werden. Laut der Europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) gilt eine alleinstehende Person erst dann als armutsgefährdet, wenn sie monatlich weniger als 1.000 Euro brutto zur Verfügung hat. Nicht nur für Studenten, die durchschnittlich nur 1.000 Euro im Monat verdienen, ist das purer Hohn.
Die Zahlen verdeutlichen nicht ansatzweise, welche dramatischen Auswirkungen die massiv gestiegenen Energiepreise für Studierende in den kommenden Monaten haben werden. Zwei von fünf Studenten (38,5 Prozent) waren 2021 nicht in der Lage, größere unerwartete Ausgaben zu bestreiten. Dasselbe gilt für 55,5 Prozent aller Studierenden, die alleine oder in einer WG lebten. Nachzahlungen für Nebenkosten in Höhe von mehreren Tausend Euro, die bereits bei unzähligen Menschen eingegangen sind, werden Studenten in den finanziellen Abgrund reißen, selbst wenn sie von anderen Schwierigkeiten verschont bleiben.
Auch die desaströse Wohnsituation, mit der Studierende in nahezu allen Universitätsstädten konfrontiert sind, werden durch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes nicht widergespiegelt. Die Mieten sind zumeist unbezahlbar und Zimmer in Studentenwohnheimen rar gesät. Insgesamt gelten knapp ein Viertel aller Studenten durch ihre Monatsmiete, die etwas mehr als 30 Prozent ihres mageren Einkommens auffrisst, als überlastet. Wer alleine oder in einer Wohngemeinschaft lebt, den trifft es noch härter: Monatlich muss mit 56,6 Prozent mehr als die Hälfte für die Miete aufgewendet werden.
Die Last der immer weiter eskalierenden Konfrontation mit Russland wälzt die Bundesregierung nicht nur auf Arbeiter und Rentner ab. Auch Studierende trifft es mit voller Wucht. Vergangene Woche beschloss die Ampelkoalition eine Energiepauschale für Studierende in Höhe von jämmerlichen 200 Euro. Der Betrag wurde bereits im September mit dem sogenannten „Entlastungspaket“ angekündigt, die Abstimmung darüber im Bundestag steht noch aus.
Ab wann Studenten dieses „Gnadenbrot“ beantragen können geschweige denn erhalten, ist völlig offen. Auch die Frage, wie die Pauschale angefordert werden kann, ist ungeklärt. Sollte wider Erwarten eine zügige Entscheidung getroffen werden, wird das unzählige Studierende nicht davor bewahren, sich zu verschulden. Allein für Oktober ermittelte das Statistische Bundesamt eine Preissteigerung für Energieprodukte im Vergleich zum Vorjahresmonat um sagenhafte 43 Prozent. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Als Reaktion auf die wachsende soziale Not unter Studierenden, besonders seit Beginn der Corona-Pandemie, wurden im Juli die maximalen BAföG-Förderbeträge angehoben. Doch die Anpassungen sind nichts weiter als ein Tropfen auf den heißen Stein: Statt 427 Euro erhalten Studierende einen Höchstsatz von 452 Euro im Monat. Der Mietzuschuss wurde um kümmerliche 35 Euro auf 360 Euro angehoben. Derweil frisst die Inflation, vermutlich noch während sich Studenten durch das komplizierte Antragsverfahren kämpfen, sämtliche Almosen wieder auf.
Weitere, vollkommen unzureichende BAföG-Anpassungen wurden hinsichtlich der Freibeträge beim Elterneinkommen beschlossen, die Altersgrenze wurde angehoben und höhere Vermögenswerte der Beziehenden ermöglicht.
Unterdessen laufen die Auszahlungen des Heizkostenzuschusses für BAföG-Empfänger in Höhe von 230 Euro äußerst schleppend an. Bislang haben lediglich 40 Prozent der Berechtigten die Zahlung erhalten, obwohl diese schon für den Sommer angekündigt war und automatisch erfolgen sollte. Derweil wurde eine weitere, ebenfalls homöopathische Bezuschussung von 345 Euro beschlossen.
Es ist bezeichnend, dass laut dem Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands die Anzahl der BAföG-Bezieher seit 2012 kontinuierlich gesunken ist, während die Zahl der armutsgefährdeten Studenten besonders in den letzten zwei Jahren stark zugenommen hat. Im Jahr 2010 bezogen noch 18,4 Prozent der Studierenden staatliche Unterstützung. Aufgrund von Nullrunden und der unzureichenden Anpassung an die Lebensrealität sank die Zahl auf 11,3 Prozent im Jahr 2020.
Studenten werden von der SPD, den Grünen und der FDP mit der Unterstützung sämtlicher bürgerlicher Parteien und den Gewerkschaften sehenden Auges immer tiefer in die soziale Katastrophe gestürzt.
Laut dem Paritätischen Wohlfahrtsverband werden sich die Inflation und die weiter steigenden Energiepreise massiv auf die Bildungschancen junger Menschen auswirken. Die wenigsten Eltern könnten es sich leisten, ihre Kinder während des Studiums finanziell zu unterstützen. Andreas Aust, Referent für Sozialpolitik beim Paritätischen, sagte dazu gegenüber der Deutschen Welle: „Diejenigen, die knapp bei Kasse sind, werden sich das doppelt und dreifach überlegen, ob sie ihre Kinder unter diesen Bedingungen zum Studieren schicken.“
Während immer mehr Studierende, Rentner, Arbeiter und ihre Familien unter den Folgen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine leiden, beschloss die Regierung im Februar ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. In dieser Woche findet die zweite Lesung des Bundeshaushalts 2023 statt, der ebenfalls ganz im Zeichen der militärischen Aufrüstung steht.
Dabei muss die Bevölkerung gleich in doppelter Hinsicht die Kosten tragen. Zum einen wird jeder Euro, der ins Militär fließt in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheit eingespart. Und zum anderen eskaliert die herrschenden Klasse den Nato-Stellvertreterkrieg in der Ukraine gegen die Atommacht Russland immer weiter, was die Existenz der gesamten Menschheit aufs Spiel setzt.
Dieser gefährlichen Entwicklung müssen vor allem auch junge Arbeiter und Studierende entgegentreten. Am 10. Dezember veranstalten die International Youth and Students for Social Equality ein Online-Treffen mit dem Titel „Für eine Massenbewegung von Jugendlichen und Studierenden gegen den Krieg in der Ukraine!“. Der Krieg muss beendet werden! Wir rufen alle Arbeiter, Studierenden und Jugendlichen dazu auf, an diesem wichtigen Treffen teilzunehmen und mit uns eine sozialistische Perspektive gegen Krieg und Kapitalismus zu diskutieren.