Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein heben Isolationspflicht auf

Am Mittwoch hoben die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern die Isolationspflicht auf. Am Donnerstag folgte Schleswig-Holstein. Hessen plant, sich in den nächsten Wochen anzuschließen.

Die Aufhebung der Isolationspflicht ist ein politisches Verbrechen, das dem Virus freien Lauf lässt. Millionen von Menschen werden sich in Folge dieser Entscheidung zusätzlich mit dem Virus infizieren und Langzeitfolgen davontragen. Ein bedeutender Teil wird schwer erkranken, im Krankenhaus landen oder sogar sterben.

Das Ende der Isolationspflicht ist nicht nur eine weitere Lockerung, sondern bedeutet im Wesentlichen die Beendigung aller Schutzmaßnahmen gegen das Virus und die vollständige Übernahme der rechten „Herdenimmunitätspolitik“ – also der bewussten und permanenten Durchseuchung der Bevölkerung. Gerechtfertigt wird diese Politik mit dem Argument, Corona sei letztlich nichts anderes als eine Grippe.

Dieses Argument kann man nur als kriminell bezeichnen. Weltweit sind infolge der Corona-Pandemie bereits über 20 Millionen Menschen gestorben. Noch immer sterben in Deutschland jede Woche über 1000 Menschen an Covid-19 – und damit mehr als doppelt so viele wie während der heftigsten Grippewelle 2017/18.

Und Covid-19 ist ein Virus, das nahezu jedes Organ des Körpers angreifen kann – auch bei einem scheinbar harmlosen Verlauf. Zwischen 10 und 30 Prozent der Infizierten entwickeln Long Covid, das bisher als nicht heilbar gilt. Die Symptome – von Müdigkeit bis zu erhöhter Herzfrequenz – haben allesamt tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen.

Jüngste Studien zeigen, dass mehrfache Covid-19-Infektionen – zu denen es infolge der Durchseuchungspolitik zwangsläufig kommt – das Risiko für Long Covid und einen tödlichen Verlauf deutlich erhöhen und die Lebenserwartung senken.

Auch ist das Corona-Virus bei ungehinderter Ausbreitung in der Lage, in kurzen Zeiträumen zu mutieren und so selbst den Schutz durch Impfstoffe zu umgehen. Das zeigt die Ausbreitung der Subvarianten BQ.1 und BQ.1.1, die in Deutschland offiziell bereits 12 Prozent ausmachen. Die beiden Subvarianten haben eine so hohe Immunflucht, dass Impfungen, Antikörper vorheriger Infektionen oder Medikamente nur eine schwache bis gar keine Wirkung gegen sie haben.

Corona wie eine Grippe zu behandeln bedeutet, das massenhafte Sterben und die umfassende Schädigung der Gesundheit der Bevölkerung bewusst zu akzeptieren. Trotzdem planen bereits weitere Bundesländer dem Beispiel von Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein zu folgen.

Die hessische Landesregierung will in nächster Zeit ebenfalls die Isolationspflicht aufheben. Landesgesundheitsminister Kai Klose (Grüne) bezeichnete die Schutzmaßnahme zynisch als „vergleichsweise schweren Gesundheitseingriff“.

Auch Berlin schließt eine solche Aufhebung nach dem Auslaufen der aktuellen Corona-Verordnung am 21. Dezember nicht aus. So erklärte Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne), es gebe „gute Argumente dafür, dass infizierte Menschen ohne Symptome nicht zwangsläufig in die Isolation gehen müssen“. Ähnliches erklärten die schwarz-rot-grüne sächsische Landesregierung und die von der Linkspartei geführte rot-rot-grüne Koalition in Thüringen. Alle drei Länder drängen jedoch auf ein einheitliches Vorgehen aller Bundesländer.

Vollbesetzter BVG-Linienbus in Berlin

Mit dem Ende der Isolationspflicht sollen alle anderen noch verbliebenen Maßnahmen fallen. Schleswig-Holstein plant zum Ende des Jahres auch die Maskenpflicht in Bus- und Bahn auslaufen zu lassen und appelliert dahingehend auch an die anderen Landesregierungen. Bayern hat bereits seine Zustimmung signalisiert. So erklärte Ministerpräsident Markus Söder (CSU): „Es ist wenig verständlich, warum es in der Bahn eine Maskenpflicht gibt, im Flieger aber nicht.“

Auf Bundesebene schloss sich der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Andrew Ullmann, dem Vorhaben an. Er plädiert für eine „Maskenempfehlung statt einer Maskenpflicht“.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) übte in den letzten Tagen zwar Kritik an den Lockerungen, doch seine Kritik ist so zynisch wie verlogen. Er hat das Infektionsschutzgesetz mit ausgearbeitet, das bereits im August einen Großteil der Maßnahmen aufhob und den Landesregierungen die Möglichkeit gab, noch weitergehende Lockerungen vorzubereiten.

Besonders bei der Frage der Quarantäne hat sich Lauterbachs Rolle als „oberster Durchseucher“ gezeigt. Anfang April schlug er selbst vor, die Quarantäne aufzuheben. Auf Grund massiver öffentlicher Empörung musste er zwar wieder zurückrudern. Dennoch beschlossen am 28. April Bund und Länder – mit Lauterbachs Unterstützung –, die Isolationszeit auf fünf Tage zu reduzieren.

Die derzeitigen Zahlen machen deutlich, dass die Pandemie nach wie vor grassiert. Jede Woche werden bundesweit rund 7500 Menschen hospitalisiert und über 1000 Menschen sterben. In medizinischen Behandlungseinrichtungen kam es laut RKI in der vergangenen Woche zu 86 Ausbrüchen und 24 Todesfällen. In Alten- und Pflegeheimen zu 296 Ausbrüchen und 135 Todesfällen.

Kliniken droht im Winter aufgrund von steigenden Hospitalisierungen, Personalausfällen durch Infektionen und Energieknappheit in Folge des Wirtschaftskriegs gegen Russland eine Überlastung bis hin zum kompletten Kollaps. So warnte in Mecklenburg-Vorpommern der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Krankenhaus vergangene Woche: „Fachkräftemangel, konkurrierende Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene und nicht zuletzt die Corona-Pandemie und die Energiekrise machen es den Krankenhäusern auch im kommenden Jahr nicht leichter, ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen.“

Die Ausbreitung der Varianten BQ.1 und BQ.1.1 – die auch als „Cerberus“ (Höllenhund) bekannt sind – wird diese Situation verschärfen. Der Anteil von BQ.1 am Infektionsgeschehen beträgt derzeit vier Prozent und von BQ1.1 über acht Prozent (vier Prozent in der Vorwoche). Da diese Werte dem RKI jedoch immer mit mehreren Wochen Zeitverzug übermittelt werden, ist davon auszugehen, dass sie auch in Deutschland schon einen wesentlich höheren Anteil am Infektionsgeschehen ausmachen.

Arbeiter und Jugendliche müssen die Aufhebung der Isolationspflicht in dieser Situation als tödliche Warnung verstehen: Nachdem die herrschende Klasse bereits weltweit zig Millionen Pandemieopfer hingenommen hat – davon mehr als 156.000 in Deutschland –, will sie das Leiden und Sterben am Virus nun verewigen.

Zur Beendigung der Pandemie ist eine Strategie zur weltweiten Eliminierung des Virus notwendig. Gleichzeitig müssen Milliarden in die Gesundheit fließen und in sichere Arbeitsplätze und Bildung investiert werden. Eine solche Politik steht jedoch im Gegensatz zu den Interessen der Regierungen, die Profite über Menschenleben stellen. Ein Kampf gegen die Pandemie erfordert daher einen Kampf gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft.

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