Das US-Militär veröffentlichte am Donnerstag drei strategische Dokumente, in denen es seine Pläne für den Konflikt mit China und Russland darlegt und Atomwaffen zur „Grundlage“ der amerikanischen Militärstrategie erklärt.
Bei den veröffentlichten Dokumenten handelt es sich um die National Defense Strategy, die Nuclear Posture Review und die Missile Defense Review. Weniger als zwei Wochen zuvor hatte die Biden-Regierung ihre Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht, das von einem „entscheidenden Jahrzehnt“ sprach und erklärte, die USA würden den Konflikt mit Russland und China „gewinnen“.
Die Dokumente bekräftigten die grundlegenden Thesen der Nationalen Verteidigungsstrategie der Trump-Regierung von 2018, laut der „nicht der Terrorismus, sondern der zwischenstaatliche strategische Wettstreit jetzt im Mittelpunkt der nationalen Sicherheitspolitik der USA steht“.
Bei der Präsentation der Nationalen Verteidigungsstrategie bezeichnete Verteidigungsminister Lloyd Austin China als Amerikas „durchgehende Herausforderung“, während Russland eine „unmittelbare und akute Bedrohung“ darstelle.
Austin erklärte, China sei weiterhin der einzige Gegner, der „sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, als auch zunehmend über die Macht dazu verfügt“.
In der Nationalen Verteidigungsstrategie wird China als die „umfassendste und ernsthafteste Herausforderung für die nationale Sicherheit der USA“ bezeichnet. Im Nuclear Posture Review heißt es: „In den 2030er Jahren werden die USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte mit zwei atomaren Großmächten als strategischen Konkurrenten und potenziellen Gegnern konfrontiert sein.“
Die Denkfabrik Atlantic Council erklärte zur Bedeutung der Dokumente, dass die Bezeichnung „Konflikt“ als „kinetischer Konflikt“ verstanden werden muss, d.h. als Krieg.
Verbunden mit der Hervorhebung von „Kampagnen“ signalisiert es eindeutig, dass die Welt heute aktiv umkämpft ist, und dass sich das Verteidigungsministerium und die gesamte US-Regierung nicht nur auf mögliche kinetische Konflikte vorbereiten, sondern sich bereits in einer aktiven Auseinandersetzung mit Fokus auf China und in zweiter Linie mit Russland befinden.
Dass die NDS einen Schwerpunkt auf „Kampagnen“ legt, macht deutlich, dass das Verteidigungsministerium und weitere US-Behörden bereits Operationen zum Nachteil Chinas durchführen, was einem neuen Kalten Krieg gleichkommt. Die Zeiten, in denen das Verteidigungsministerium behauptete, seine Aktivitäten – „Freedom of Navigation“-Operationen, Aufklärungsflüge, multilaterale Übungen – seien lediglich „Dinge, die wir schon immer getan haben“, sind vorbei.
Als Biden im März 2020 Wahlkampf für das Präsidentenamt führte, versprach er, auf den „Ersteinsatz“ von Atomwaffen zu verzichten und schrieb: „Ich glaube, der einzige Zweck des US-Atomarsenals sollte die Abschreckung sein und, wenn nötig, die Vergeltung gegen einen Atomangriff. Als Präsident werde ich daran arbeiten, diese Überzeugung in Absprache mit dem US-Militär und unseren Verbündeten in die Praxis umzusetzen.“
Bidens Dokument zur Atomstrategie weist diese Ansicht nicht nur zurück, sondern vertritt sogar die radikale Ansicht, dass Atomwaffen die „Grundlage“ der amerikanischen Militärstrategie bilden.
Laut dem Merkblatt des US-Verteidigungsministeriums heißt es in dem Dokument:
[Es] wird anerkannt, dass Atomwaffen die Grundlage aller nationalen Verteidigungsprioritäten bilden und dass kein Element der amerikanischen Militärmacht die einzigartige Abschreckungswirkung von Atomwaffen ersetzen kann. Obwohl die grundlegende Rolle der amerikanischen Atomwaffen in der Abschreckung eines nuklearen Angriffs besteht, dienen sie im weiteren Sinne der Abschreckung aller Formen strategischer Angriffe, der Absicherung von Verbündeten und Partnern und erlauben uns, die Ziele des Präsidenten zu erreichen, wenn die Abschreckung scheitert.
Mit anderen Worten, die USA behalten sich das Recht vor, mit Atomwaffen auf einen nicht-atomaren Angriff zu reagieren, und verwischen damit die Grenzen zwischen „konventionellen“ Konflikten und einem Atomkrieg.
Das Verteidigungsministerium geht in seinem Briefing auf diesen Punkt ein. Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums erklärte, die NPR „legt eine Strategie fest, die sich auf Atomwaffen stützt, um alle Formen von strategischen Angriffen abzuschrecken. Dazu gehören der Einsatz von Atomwaffen jeglicher Größenordnung und Angriffe strategischer Natur mit hoher Konsequenz einschließlich nicht-atomarer Mittel.“
Experten für Rüstungskontrolle verurteilten die Veröffentlichung des Dokuments innerhalb kürzester Zeit. Die Union of Concerned Scientists (UCS) schrieb: „Die veröffentlichte Nuclear Posture Review der Biden-Regierung ist im Grunde ein erschreckendes Dokument.“
Die UCS erläuterte: „Es führt die Welt nicht nur auf den Weg ständig wachsender nuklearer Risiken, sondern vergrößert dieses Risiko in vielerlei Hinsicht. Denn es behauptet, die einzig praktikable Reaktion der USA sei der Wiederaufbau ihres gesamten Atomarsenals, die Beibehaltung zahlreicher gefährlicher Atomstrategien aus dem Kalten Krieg und die Drohung mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen in einer Vielzahl von Szenarien.“
Die Organisation schrieb weiter:
Die Realität ist – ein Anruf des Präsidenten und die Nennung eines Codes, der kürzer ist als ein Tweet, kann in weniger als fünf Minuten Hunderte von Atomraketen starten. Diese würden ihre Ziele in weniger als einer halben Stunde erreichen und mit Sprengköpfen bewaffnet sein, die 20-mal mehr Zerstörungskraft besitzen als die Bombe, die Hiroshima zerstört hat.
Das Dokument steht zwar grundlegend in der Kontinuität von Trumps Nationaler Sicherheitsstrategie, weist aber die Rhetorik der Nationalen Verteidigungsstrategie der Obama-Regierung von 2010 zurück. Die New York Times schreibt über die Atomstrategie des Pentagon:
Der Unterschied zum letzten, von einem demokratischen Präsidenten – Barack Obama – herausgegebenen Dokument ist jedoch deutlich. Obamas Strategie, die erstmals 2010 mit seinem damaligen Vizepräsidenten Biden veröffentlicht wurde, zielte auf eine drastische Verringerung der Rolle von Atomwaffen bei der Verteidigung der USA ab und konzentrierte sich größtenteils darauf, es Terrorgruppen nicht zu ermöglichen, an atomwaffenfähiges Material zu gelangen. Damals galten Russland und China als vollwertige Partner bei den Bemühungen, Nordkoreas Atomarsenal einzudämmen und den Iran vom Bau von Atomwaffen abzuhalten.
In der Einleitung der Nationalen Verteidigungsstrategie heißt es, das US-Militär werde sich „auf den Schutz und die Förderung wichtiger nationaler Interessen der USA konzentrieren“, wozu auch der „wirtschaftliche Wohlstand“ Amerikas gehört.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Entwicklung im Vergleich zu Trumps Nationaler Verteidigungsstrategie von 2018. Diese bezog sich weitgehend negativ auf den Einsatz von militärischer Gewalt zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen – mit der Behauptung, dass China dies tue. Das Dokument von 2018 machte es zwar zwischen den Zeilen auch deutlich, doch indem die Definition „nationaler Interessen“ im Pentagon-Dokument von 2022 auch „wirtschaftlichen Wohlstand“ umfasst, stellt es einen noch offeneren Schritt in Richtung einer Doktrin dar, die Krieg als zulässiges Mittel zur Sicherung wirtschaftlicher Ziele bezeichnet.
Diese Dokumente wurden in den amerikanischen Medien nicht ernsthaft diskutiert, verdeutlichen jedoch, wie grundlegend falsch die Behauptung ist, die massive Aufrüstung des US-Militärs in diesem Jahr sei eine Reaktion auf „russische Aggression“. In Wirklichkeit gehen die massiven Erhöhungen der Militärausgaben und die Pläne für einen Krieg gegen China nach Ansicht des Weißen Hauses und der Kriegsplaner im Pentagon auf „dramatische Veränderungen in der Geopolitik, Technologie, Wirtschaft und unserer Umwelt“ zurück.
Die Dokumente verdeutlichen, dass die USA den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas als existenzielle Bedrohung betrachten, auf die sie mit militärischer Gewalt reagieren müssen. Die Unterwerfung Russlands sehen sie dabei als entscheidenden Schritt im Konflikt mit China.
Arbeiter auf der ganzen Welt müssen diese Dokumente als Warnung betrachten. Der amerikanische Kapitalismus ist zu allem bereit, um seine globale Hegemonie zu verteidigen. Wie das schreckliche Vermächtnis der US-Überfälle auf den Irak und Afghanistan zeigen, ist der US-Imperialismus bereit, für das Ziel der weltweiten Vorherrschaft Millionen Menschen zu töten.
Der Ausbruch des US-Imperialismus, der mit dem Golfkrieg im gleichen Jahr begann, in dem die UdSSR aufgelöst wurde, richtet sich immer direkter gegen Russland und China, die von den USA als die Haupthindernisse für ihre ungehinderte Weltherrschaft betrachtet werden. US-Strategen haben die Vorherrschaft über die eurasische Landmasse mit ihren immensen Rohstoffen schon lange als Schlüssel zur Weltherrschaft betrachtet.
Doch das Streben der USA nach globaler Hegemonie verschärft die Krise des Kapitalismus nur und führt zu einer Inflationskrise, in der sich Millionen Menschen Nahrungsmittel und Treibstoff kaum noch leisten können. Dies hat zu einer weltweiten Eruption des Klassenkampfs geführt, der sich immer mehr mit der Perspektive des Sozialismus überschneidet.
Die Arbeiterklasse muss den Plänen des Pentagon für ein „entscheidendes Jahrzehnt“ des Kriegs den Kampf für das „Jahrzehnt der sozialistischen Revolution“ entgegensetzen, wie es das Internationale Komitees der Vierten Internationale definiert hat – indem sie eine globale Bewegung gegen den Krieg aufbaut.
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