Roger Waters auf Todesliste ukrainischer Rechtsextremisten

Die Kiewer Website Myrotvorets hat dem Musiker Roger Waters, einem Gründungsmitglied der Rockgruppe Pink Floyd, „anti-ukrainische Straftaten“ vorgeworfen. Dazu zählt sie die angebliche Verbreitung „anti-ukrainischer Propaganda“, Mitwirkung an Bestrebungen, die Annektierung der Krim durch Russland zu legalisieren, und Verletzungen der territorialen Integrität der Ukraine.

Der britische Musiker Roger Waters bei einer Kundgebung in London gegen die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange an die USA am 22. Februar 2020 [AP Photo/Alberto Pezzali]

Die Website enthält Screenshots aus einem Interview, das Waters russischen Medien im Jahr 2018 gab, sowie allgemeine Informationen über ihn und seine Äußerungen zum Krieg in der Ukraine aus Interviews in der jüngeren Vergangenheit. So werden seine Bemerkungen zur Krim, zur Unterstützung des US-Außenministeriums für den Putsch in der Ukraine im Jahr 2014 und zur Hetzkampagne gegen Russland zitiert. Ebenfalls erwähnt wird, dass er Russen einmal als „tapfer, standhaft und unnachgiebig“ charakterisiert hat.

Am Ende fordert Myrotvorets die „Strafverfolgungsbehörden“ auf, gegen Waters vorzugehen wegen „vorsätzlicher Handlungen gegen die nationale Sicherheit der Ukraine, den Frieden, die Sicherheit der Menschheit, internationales Recht und Ordnung sowie anderer Straftaten“.

Myrotvorets wurde dem Vernehmen nach im Jahr 2014 von Anton Geraschtschenko gegründet, einem ehemaligen Berater des ukrainischen Innenministeriums. Auf der Website finden sich personenbezogene Informationen wie Adressen und Telefonnummern einiger angeblicher „Feinde der Ukraine“. Sie erlangte Bekanntheit, als mehrere auf ihr genannte Personen ermordet wurden, darunter der ukrainische Schriftsteller Oles Busyna, der ehemalige Parlamentarier Oleg Kalaschnikow und der italienische freischaffende Fotojournalist Andrea Rocchelli.

Unter den Tausenden von Personen, deren Namen auf Myrotvorets aufgeführt sind, befinden sich Journalisten, Geschäftsleute und Politiker, sowohl Ukrainer als auch Ausländer. Abgesehen von Waters tauchen auch die Namen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger und des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad auf. Den völlig reaktionären Charakter der Website verdeutlicht die Tatsache, dass auch die Namen von mehr als 300 Kindern aufgeführt werden.

Waters spricht sich in seiner Musik und in Interviews seit langem gegen Nationalismus und Krieg aus. Sein Vater wurde im Zweiten Weltkrieg getötet, sein Großvater im Ersten Weltkrieg. Eines der Themen des legendären Pink Floyd-Albums The Wall (1979), das hauptsächlich von Waters geschrieben wurde, ist die Bedrohung durch den Faschismus. The Final Cut (1983) stellt dem Patriotismus, den der britische Staat im Zweiten Weltkrieg geschürt hat, den – in Waters Augen – Verrat des Landes an den gefallenen Soldaten gegenüber. Auch der Falklandkrieg wird scharf verurteilt.

In seinen Äußerungen zum Krieg in der Ukraine hat Waters Geschichtskenntnisse und eine gesunde Ablehnung gegenüber staatlicher Autorität unter Beweis gestellt. Er unterscheidet stets zwischen der einfachen Bevölkerung und den Staaten, in denen sie lebt. Hinsichtlich des Status der Krim wird Waters von Myrotvorets mit den Worten zitiert: „Ich weiß, dass Sewastopol für Russland und die Russen sehr wichtig ist. Es gibt viele Verträge und Dokumente, laut denen Russland alle Rechte an dieser Stadt besitzt.“

Waters hat zurecht erklärt, dass der Krieg habe nicht mit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar begonnen hat: „Der Staatsstreich in der Ukraine [2014], den Washington geplant hat, hat Moskau einfach zu weiteren Maßnahmen provoziert.“ Vor kurzem wies er in einem Interview mit CNN, das beträchtliche Aufmerksamkeit erregte, die Behauptungen des US-Außenministeriums rundheraus zurück. Er betonte, die Osterweiterung der Nato, die gegen diplomatische Zusagen gegenüber Russland verstieß, sei ein wichtiger begünstigender Faktor für den Krieg gewesen.

Waters hat sich auch Zorn zugezogen, weil er auf die Heuchelei von US-Präsident Joe Biden hingewiesen hat, der sich auf die Wahrung des Völkerrechts beruft. Myrotvorets zitiert Waters’ Aussage, die USA würden ungehindert internationale Abkommen brechen, wenn sie ihren imperialistischen Interessen im Weg stehen: „Sie verstoßen ständig gegen sie und meinen, sie könnten tun, was sie wollen... Diese Haltung macht mir einfach Angst, weil sie uns irgendwann alle das Leben kosten wird.“ Waters hat außerdem erklärt, Politiker würden die Hetzkampagne gegen Russland und den russischen Präsidenten Wladimir Putin nutzen, um Widerstand im Inneren zu unterdrücken.

Entgegen der Darstellungen einiger Publikationen unterstützt Waters nicht Putin. In seiner Antwort auf ein Fanschreiben der 19-jährigen Alina Mitrofanowa aus der Ukraine erklärte er: „Ich habe deinen Brief gelesen und verstehe deinen Schmerz. Ich bin angewidert von Putins Überfall auf die Ukraine; meiner Meinung nach war das ein krimineller Fehler, das Werk eines Gangsters. Es muss sofort einen Waffenstillstand geben.“ Diesen Brief veröffentlichte er als Antwort auf einen offenen Brief, der im März auf Facebook erschien.

In seiner Antwort erklärt Waters: „Die westlichen Regierungen gießen Öl in das Feuer, das euer wunderschönes Land zerstören wird, indem sie es mit Waffen überschwemmen statt die notwendigen diplomatischen Maßnahmen zur Beendigung des Gemetzels zu ergreifen.“ Er widerspricht höflich einer Einschätzung Mitrofanowas zum politischen Klima in der Ukraine: „Wenn du mit 200-prozentiger Sicherheit glaubst, dass es in deinem Land keine Neonazis gibt, dann irrst du dich fast mit Sicherheit.“ Er erwähnt das Asow-Bataillon, die Nationale Miliz und C14, die „bekannte Neonazi-Gruppen sind und sich selbst so bezeichnen“. Mit solchen Äußerungen hat er sich den Zorn der ukrainischen extremen Rechten und ihrer Geldgeber zugezogen: der USA und des Nato-Imperialismus.

Waters befindet sich momentan auf der „This Is Not a Drill“-Tournee, über die wir schrieben, sie „nutzt Waters’ umfangreiches künstlerisches Schaffenswerk, um die Rücksichtslosigkeit der herrschenden Elite in den USA und auf der ganzen Welt anzuprangern. Nahezu jeder Song befasst sich mit den drängenden Fragen unserer Zeit: imperialistischer Krieg, Faschismus, das Gift des Nationalismus, die Not der Flüchtlinge, die Opfer staatlicher Unterdrückung, weltweite Armut, soziale Ungleichheit, der Angriff auf demokratische Rechte und die Gefahr der nuklearen Vernichtung.“

Über diese Tour erklärte Waters: „Ich habe das merkwürdige Gefühl, dass sich diese Konzerte, im Gegensatz zu früheren, zu einer Art Bewegung entwickeln könnten. Ich sage nicht, dass ich eine Bewegung anführe, aber ich bin Teil von ihr, und so viele im Publikum sind Teil oder dazu in der Lage. Es fühlt sich an, als könnten wir wirklich zusammenkommen und miteinander reden.“

Tatsächlich ist eine Massenbewegung der internationalen Arbeiterklasse notwendig, um den Krieg zu beenden und Faschismus und Imperialismus zu besiegen.

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