Die Pandemie ist fast vollständig aus den Medien verschwunden, obwohl steigende Infektionszahlen und die Ausbreitung der hochinfektiösen Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 den Beginn einer Sommer- und Herbstwelle ankündigen.
Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg am vergangenen Freitag auf 319 Infektionen pro 100.000 Einwohner und ist damit 20 Prozent höher als noch vor einer Woche. Täglich registriert das Robert-Koch-Institut (RKI) über 75.000 neue Infektionen. Die Zahl der Gesamtinfektionen innerhalb einer Woche ist im Vergleich zur Vorwoche um etwa 50.000 gestiegen. Der Sieben-Tage-R-Wert, der angibt, wie viele Personen eine infizierte Person ansteckt, liegt mit 1,20 deutlich über 1, was ein starkes Wachstum bedeutet.
Dabei bilden die offiziellen Infektionszahlen das tatsächliche Infektionsgeschehen schon lange nicht mehr ab: Zum einen wurde die Testpflicht in fast allen Bereichen schon vor Monaten abgeschafft, Testkapazitäten wurden großflächig abgebaut. Zum anderen lassen viele Infizierte keinen PCR-Test mehr machen, aber nur diese zählen in der Statistik.
Besorgniserregend ist die wachsende Ausbreitung der Omikron Untervarianten BA.4 und BA.5. Die beiden Varianten zeichnen sich vor allem durch eine höhere Infektiosität aus. Besonders BA.5 hat das Merkmal der Immunflucht, das heißt, die Untervariante entkommt Antikörpern von Genesenen und Geimpften besser.
Aktuell macht noch die BA.2 Variante mit 87 Prozent der Infektionen den Großteil des Infektionsgeschehen aus, doch die Varianten BA.4 und BA.5 haben mit 2,1 und 10,0 Prozent ihren Anteil zur Vorwoche etwa verdoppelt. Das Robert-Koch-Institut rechnet damit, dass die beiden Sublinien in wenigen Wochen die Mehrheit der Fälle ausmachen werden und es dann „auch insgesamt zu einem Anstieg der Infektionszahlen und einem erneut verstärkten Infektionsdruck auf vulnerable Personengruppen schon im Sommer kommen kann“.
Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes Frank Ulrich Montgomery warnte vor einer Ausbreitung der BA.5 Variante in Deutschland: „Corona ist noch nicht vorbei – das belegt der heftige Ausbruch von Omikron in Portugal… Trotz hoher Impfraten sterben über 200 Menschen täglich am Virus“, erklärte er gegenüber der Rheinischen Post: „Die BA.5 Variante des Virus wird sich auch bei uns ausbreiten. Viele, auch Geimpfte, werden erkranken.“
Nachdem die Zahl der Ausbrüche in medizinischen Behandlungseinrichtungen in den letzten Monaten zurückgegangen war, stieg auch sie letzte Woche wieder an: Von 23 Ausbrüchen in der Vorwoche auf 30 Ausbrüche in dieser Woche, bei denen insgesamt 10 Menschen starben. In Alten- und Pflegeheimen sind vergangene Woche bei 69 Ausbrüchen 65 Menschen gestorben.
Auch die Zahl der Hospitalisierungen stagniert nun, nachdem sie mehrere Wochen leicht sank. Wöchentlich müssen fast 2.500 Menschen hospitalisiert werden. 622 Menschen werden aktuell intensivmedizinisch behandelt. Da die Zahl der Krankenhauseinweisungen immer leicht zeitversetzt zu den Infektionen verläuft, ist damit zu rechnen, dass diese Zahlen in den nächsten Wochen ansteigen werden. Bereits jetzt sterben jeden Tag über 100 Menschen an Corona.
Ein Anstieg der Infektionen zieht nicht nur mehr Krankenhauseinweisungen und Todesfälle nach sich, sondern – selbst bei scheinbar harmlosen Verläufen – mehr Langzeitfolgen.
Gernot Marx, der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) warnte gegenüber dem Focus: „Vergessen wir die Langzeitfolgen nicht. … Mein Eindruck ist: Viele, die infiziert waren, sind überrascht, wie lange es dauert, bis sie wiederhergestellt sind. Soviel jedenfalls ist jetzt schon klar: Das Virus ist keineswegs harmlos, wie manche meinen. Und Corona ist auch sicher nicht vorbei.“
Selbst der Expertenrat der Bundesregierung warnt in seiner Stellungnahme vom 8. Juni, es sei „wahrscheinlich, dass das Gesundheitssystem und die kritische Infrastruktur … im kommenden Herbst/Winter erneut erheblich belastet werden könnten“. Trotzdem empfiehlt er keinerlei ernsthafte Schutzmaßnahmen.
Für den kommenden Herbst und Winter benennt die Stellungnahme drei mögliche Szenarien. Das ungünstigste lautet: „Eine neue Virusvariante mit einer Kombination aus verstärkter Immunflucht respektive Übertragbarkeit und erhöhter Krankheitsschwere dominiert. Auch vollständig Geimpfte könnten ohne Zusatzimpfung bei Vorliegen von Risikofaktoren wie Alter, Schwangerschaft, Grunderkrankungen oder Immunsuppression einen schwereren Verlauf entwickeln. Das Gesundheitssystem ist durch COVID-19-Fälle auf den Intensiv- und Normalstationen stark belastet.“
Doch selbst in solch einem Szenario zieht der Expertenrat nur Maßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsgebot und Kontaktbeschränkungen in Betracht. Der Virologe Hendrik Streeck aus dem Expertenrat sprach sich am Mittwoch in der Sendung „Maischberger“ sogar explizit gegen einen Lockdown aus. Auch das „anlasslose Testen an den Schulen“ müsse aufhören.
Die Bundesregierung selbst hat bereits klar gemacht, dass sie nichts gegen die drohende Welle unternehmen wird. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, die Bundesregierung habe mit der Ministerpräsidentenkonferenz abgesprochen, dass sie erst nach der wissenschaftlichen Beurteilung der Corona-Schutzmaßnahmen durch ein Expertengremium am 30. Juni, beginnen werde, Maßnahmen zu erwägen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gab bekannt, dass mögliche neue Maßnahmen frühestens Ende September, mit Auslaufen des alten Infektionsschutzgesetzes, in Kraft treten werden. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk machte er deutlich, dass dies keine ausreichenden Maßnahmen sein werden: „Ich glaube, dass wir alle hier das gleiche Ziel haben: mit möglichst wenigen Freiheitseinschränkungen der Lage angepasst schnell reagieren zu können.“ Erst für den Herbst stellte er eine weitere Auffrischungsimpfung in Aussicht.
Die aktuelle Entwicklung zeigt den Bankrott der Strategie der Bundesregierung, die im Wesentlichen nur auf Impfungen setzt. Unter dem Mantra, dass man mit dem Virus leben müsse, haben Bundes- und Landesregierungen fast alle Schutzmaßnahmen aufgehoben und eine Politik der Durchseuchung verfolgt, die allein in Deutschland bereits mehr als 140.000 Menschen das Leben gekostet hat.
Auch die Impfquote ist mit 76 Prozent zweifach Geimpften seit Wochen unverändert. 60 Prozent haben eine dritte Impfung erhalten, doch die überwiegende Mehrheit hat sich zum Jahreswechsel impfen lassen, so dass auch dieser Impfung nur noch gering schützt. Nur 6 Prozent der Bevölkerung haben bislang eine vierte Impfung erhalten.
Die Verbreitung der BA.5 Variante, die den Antikörpern von Geimpften und Genesenen besser entkommt, zeigt zudem, dass es unmöglich ist, sich allein mit Impfungen langfristig vor dem Virus zu schützen. Die ungehinderte Ausbreitung des Virus führt nicht dazu, dass ungefährlichere Varianten entstehen, sondern Varianten, die ansteckender und impfresistenter sind.
Gegen die Regierungen, die weltweit eine Strategie der Durchseuchung verfolgen, setzen sich das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) und die World Socialist Web Site für die Eliminierung des Virus ein. Das erfordert neben einer aggressiven Impfkampagne ein Bündel von Maßnahmen wie Lockdowns, Massentests und Kontaktverfolgung. Die jüngste Eliminierung des Virus in Shanghaizeigt, dass eine derartige Strategie zur Ausrottung des Virus möglich ist.