Biden droht Putin bei Treffen mit Wirtschaftssanktionen und der Verlegung von Nato-Truppen

Bei einer zweistündigen Videokonferenz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstag drohte US-Präsident Joe Biden Russland mit „harten Sanktionen“ und der Verlegung von Nato-Truppen im Falle eines Kriegs zwischen Russland und der Ukraine. Es war das zweite Treffen der beiden Präsidenten in diesem Jahr nach einem Gipfeltreffen im Juni, bei dem Biden scheinbar die Spannungen mit Russland lockern wollte, damit sich seine Regierung auf ihre Kriegsvorbereitungen gegen China konzentrieren kann.

Seither haben jedoch die militärischen Spannungen zwischen der Nato und Russland deutlich zugenommen, während auch der US-Kriegskurs gegenüber China verschärft wurde. Im Verlauf des letzten Monats haben die USA mehrere Kriegsschiffe ins Schwarze Meer geschickt, was Putin als „ernsthafte Gefahr“ für die Sicherheitsinteressen Russlands bezeichnete. Die EU und die Nato haben außerdem eine geopolitische Krise an der polnisch-belarussischen Grenze heraufbeschworen, wo Tausende von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten festsitzen.

US-Präsident Joe Biden und der russische Präsident Wladimir Putin am 16. Juni 2021 in Genf (AP Photo/Patrick Semansky)

Obwohl das Regime von Alexander Lukaschenko begonnen hat, viele dieser Flüchtlinge abzuschieben, haben die USA und die EU letzte Woche neue Sanktionen gegen Belarus beschlossen, die der Wirtschaft des Landes einen schweren Schlag versetzen werden. Trotz leichter Spannungen mit dem Kreml ist Minsk der letzte osteuropäische Staat, der noch besonders enge wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Russland unterhält.

Bereits seit 30 Jahren rückt die Nato ständig näher an die russische Grenze heran. In der Ukraine wurden 2004 und 2014 zwei Putsche inszeniert, um prowestliche Regime an die Macht zu bringen. Putin bezeichnete eine weitere militärische Aufrüstung der Ukraine durch die Nato zwar als „rote Linie“, doch Biden hat es ausdrücklich abgelehnt, solche „roten Linien“ des Kremls anzuerkennen.

Im Vorfeld des Treffens hatten Biden und die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock Russland mehrfach gedroht und die amerikanischen und europäischen Medien für Kriegspolitik getrommelt. Die Washington Post und die New York Times veröffentlichten am Wochenende Berichte, laut denen Russland eine „Invasion“ der Ukraine mit 175.000 Soldaten plant. Genau wie die gesamte Kriegspropaganda der letzten Jahre basierten auch diese Berichte auf Leaks von anonymen Geheimdienstlern.

Beide Seiten sprachen von einer „angespannten“ Atmosphäre bei dem Treffen. Biden drohte Putin mit „schweren wirtschaftlichen und anderen Maßnahmen im Falle einer militärischen Eskalation“ und „bekräftigte seine Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine“. Berichten zufolge weigerte sich Putin zu versprechen, die russischen Truppen (deren genaue Zahl vom Kreml nicht bestätigt wurde) von der Grenze zur Ukraine abzuziehen. Er machte die Nato für die Krise verantwortlich und bat mehrfach erfolglos um Garantien der Nato, Russlands Sicherheitsinteressen zu respektieren.

Frühere Berichte von CNN und Bloomberg deuten darauf hin, dass Vertreter der USA und der EU in Erwägung gezogen haben, Russland aus dem SWIFT-Abkommen auszuschließen. Dieser Schritt wird bereits seit 2014 als die „nukleare Option“ in dem anhaltenden Wirtschaftskrieg gegen Russland lanciert. Das SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications) ist der wichtigste Rahmen für internationale Finanztransaktionen und ist u.a. von entscheidender Bedeutung für internationale Kredite. Russland von SWIFT auszuschließen, könnte seine Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs bringen. Betroffen wären insbesondere die Finanzbranche und der Export von Rohstoffen, von dem die gesamte Wirtschaft stark abhängt. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete diese Berichte zwar als „hysterisch“, doch sie lösten trotzdem Schockwellen in der russischen Presse aus.

Biden warnte außerdem, dass die Nato im Kriegsfall dem russisch-deutschen Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 ein Ende bereiten würde, das für den Kreml von großer wirtschaftlicher und geopolitischer Bedeutung ist.

Unabhängig davon, welche Sanktionen geplant sind, werden sie zuerst und am stärksten die Arbeiterklasse treffen, während die russischen Oligarchen schon vor langer Zeit einen Großteil ihrer Vermögen auf Bankkonten im Ausland verlagert haben. Bereits die Wirtschaftssanktionen der USA und der EU während der letzten sieben Jahre haben zu einem deutlichen Rückgang der Reallöhne der Arbeiter geführt, während die Oligarchen ihren Reichtum stetig vergrößern konnten.

Biden drohte zudem, die Nato werde im Kriegsfall ihre Truppen innerhalb Europas verlegen. Wie die New York Times schrieb, würde diese Maßnahme deutlich über das hinausgehen, was die Nato nach dem Putsch gegen die prorussische Regierung von Wiktor Janukowitsch im Jahr 2014 getan hatte. Seit damals haben die USA und die Nato Milliarden in die ukrainischen Streitkräfte investiert, mittlerweile haben die USA sie auch mit Javelin-Raketen ausgerüstet.

Das ukrainische Militär hat diese Raketen zwar bisher noch nicht eingesetzt, doch US-Staatssekretärin Victoria Nuland, die eine wichtige Rolle bei der Organisation des Putschs 2014 gespielt hat, erklärte am Dienstag, dies werde sich ändern müssen: „Die Ukrainer müssen anders über ihre eigene Sicherheit denken, und auch über einen Teil der tödlichen Abwehrwaffen, die die USA ihnen über die Jahre geliefert haben und die in Containern liegen. Ich glaube, wir werden jetzt sehen, dass sie das Zeug auspacken und ausgiebig über ihre eigene Verteidigung nachdenken müssen.“

Kurz nach dem Treffen wurde bekannt, dass der neue US-Verteidigungshaushalt, der vom Kongress vorgeschlagen wurde, vier Milliarden Dollar für die European Deterrence Initiative vorsieht, die vor allem gegen Russland gerichtet ist. Dieser Betrag ist um 569 Millionen Dollar höher als die Summe, die das Weiße Haus ursprünglich gefordert hatte. Der Haushaltsplan sieht offenbar keine neuen Sanktionen gegen das russisch-deutsche Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 vor, doch die Ukraine soll 300 Millionen Dollar vom Pentagon erhalten – 50 Millionen mehr als ursprünglich beantragt wurde.

Die anhaltenden Drohungen und die Aufrüstung der Nato in der Region haben eine hochgradig instabile und gefährliche Lage geschaffen, die in einen regionalen Krieg zu eskalieren droht, der sehr schnell auch Russland und die anderen imperialistischen Großmächte einbeziehen könnte. Am Freitag kam eine Passagiermaschine der russischen Fluglinie Aeroflot über dem Schwarzen Meer nur 20 Meter an ein US-Spionageflugzeug heran und musste seinen Kurs ändern. Der Kreml warf der US Air Force später vor, sie hätte fast eine Katastrophe verursacht. Am Samstag warf Belarus der Ukraine vor, es habe bei Übungen ukrainischer Truppen an der polnisch-belarussischen Grenze seinen Luftraum verletzt.

Die ukrainische Regierung von Wolodymyr Selenskij ließ sich durch den militärischen Aufmarsch der Nato im Schwarzen Meer und die hysterische Kriegspropaganda in der westlichen Presse zu einem offenen Säbelrasseln gegenüber Russland ermutigen. Anfang des Jahres veröffentlichte sie eine neue nationale Sicherheitsstrategie, in der sie ihre Absicht äußerte, das Donbass und die Halbinsel Krim „zurückzuerobern“, die von Russland nach dem Putsch 2014 annektiert worden war. Damit erklärte sie faktisch, dass sie sich auf einen Krieg mit Russland vorbereitet.

Einen Tag vor dem Treffen zwischen Biden und Putin besuchte Selenskij die ukrainischen Truppen an der Front des anhaltenden Bürgerkriegs mit prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Er erklärte seine Zuversicht, dass die Ukraine mit solchen Soldaten jeden Konflikt „gewinnen“ könnte.

Am Montag erklärte Selenskij in einer Stellungnahme zu Ehren des ukrainischen Militärs: „Das ukrainische Militär hat die besten nationalen militärischen Traditionen verinnerlicht, die sich in den schwierigen und blutigen bewaffneten Konflikten der Vergangenheit herausgebildet haben. In der jüngeren Geschichte hat es auf einem schwierigen Weg eine fähige und hochgradig organisierte Kampfstruktur entwickelt, ist stolz auf seine Stärke und in der Lage, alle aggressiven Pläne des Feindes zum Scheitern zu bringen.“

Diese Erklärung war ein kaum verhohlener Appell an die rechtsextremen Kräfte in der Ukraine, die seit 2014 systematisch in den Staatsapparat und das Militär integriert wurden. Die einzigen nennenswerten „nationalen militärischen Traditionen“ der ukrainischen Armee sind, abgesehen vom Bürgerkrieg gegen die Separatisten, die Rolle paramilitärischer rechtsextremer nationalistischer Organisationen im Zweiten Weltkrieg. Sie kämpften gemeinsam mit dem Nazi-Regime gegen die Rote Armee und waren an zahlreichen Massakern an der jüdischen und polnischen Bevölkerung beteiligt. Diese Kräfte werden auch heute wieder im Interesse des Imperialismus mobilisiert.

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