Angesichts massiver Corona-Welle in ganz Europa:

Österreich kehrt zu Teil-Lockdown zurück

Am Freitag führte die österreichische Regierung einen Teil-Lockdown sowie eine Impfpflicht ein. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass das politisch kriminelle Beharren der europäischen Regierungen darauf, dass die Bevölkerung lernen müsse, „mit dem Virus zu leben“, zu einer Katastrophe geführt hat. Europa ist mit der bisher massivsten Welle der Pandemie konfrontiert. Die Zahl der Infizierten steigt pro Tag um 300.000 bis 400.000, die Zahl der Toten täglich um 4.000.

Eine Krankenschwester hält einem Intensivpflegepatienten mit Covid-19 das Telefon ans Ohr, während er mit seiner Familie spricht (AP Photo/Daniel Cole)

Zahlreiche europäische Staaten verzeichneten in den letzten Tagen Rekordwerte bei den täglichen Neuinfektionen, darunter Österreich mit 15.809 am Freitag, Deutschland mit 64.164 am Donnerstag, die Niederlande mit 23.591 am Donnerstag, Tschechien mit 22.507 am Mittwoch, die Slowakei mit 8.342 am Mittwoch und Ungarn mit 21.058 am Montag. Die Zahlen verdoppeln sich jede Woche oder alle zwei Wochen, sodass eine Überlastung der Krankenhäuser droht.

In Österreich ist die Lage wieder die gleiche wie zu Beginn der Pandemie. Die Leichenhallen in den Krankenhäusern sind voll. Die Krankenhäuser richten Triage-Zentren ein, in denen entschieden wird, wer behandelt wird und wer sterben muss.

Eine Pflegekraft aus Oberösterreich erklärte gegenüber APA: „Die Leichen mussten wegen Überfüllung am Gang abgestellt werden. ... Keiner draußen kann sich vorstellen, was das bedeutet.“ Sie ging auf die psychologische Belastung ein, die daraus erwächst, dass die Pflegekräfte die Leichen nicht in würdevoller Weise behandeln können: „Coronavirus-Tote steckst du nackt in einen luftdicht verschlossenen Plastiksack, zippst zu und das war’s. ... Mit Covid schwimmen wir total.“

In den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich sind derzeit 1,5 Prozent der Bevölkerung infiziert. Am Mittwoch erklärte ein Sprecher der Landeskliniken Salzburg gegenüber der Morgenpost: „Noch ist bei uns nicht triagiert worden, aber es könnte eine Frage von wenigen Tagen sein.“

Ein Großteil Europas liegt nur wenige Tage dahinter zurück. In den Niederlanden werden in den Krankenhäusern von Rotterdam und der Provinz Limburg bald alle Behandlungen außer Covid-19 stoppen. Das gilt auch für Krebspatienten, deren Behandlung durch die Pandemie verzögert wurde, und die sich jetzt in Lebensgefahr befinden. Kliniken in Bayern verlegen Patienten bereits nach Italien.

Der Immunologe und Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, forderte sofortige offizielle Maßnahmen: „Wir müssen nicht ständig etwas Neues erfinden. Alle diese Konzepte und Rezepte sind vorhanden. ...Das ist 'ne klare Sprache, aber ich kann nach 21 Monaten es auch schlichtweg nicht mehr ertragen, dass es nicht vielleicht erkannt wird, was ich unter anderem sage und auch viele andere Kolleginnen und Kollegen. ... Wir werden wirklich ein sehr schlimmes Weihnachtsfest haben, wenn wir jetzt nicht gegensteuern.“

Seit Beginn der Pandemie in Europa im Februar und März 2020 ist sehr viel mehr über das Virus bekannt, zudem sind Schutzausrüstung und wirksame Impfstoffe vorhanden. Daher muss man sich fragen, wie eine solche Katastrophe in einer der reichsten Regionen der Welt erneut möglich ist.

Diese Katastrophe ist direkt auf die politisch kriminelle Durchseuchungspolitik zurückzuführen, durch die die Kosten für staatliche Gesundheitsmaßnahmen gering gehalten und die Arbeiter in den Betrieben gehalten werden sollten, um Profite für die Finanzaristokratie zu erwirtschaften. Der britische Premierminister Boris Johnson sprach aus, was die Bourgeoisie in ganz Europa denkt, als er zu seinen Beratern sagte: „Keine verdammten Lockdowns mehr. Sollen sich die Leichen zu Tausenden auftürmen!“ Nachdem die europäischen Regierungen monatelang die Ausbreitung des Virus ignorierten und Lockdowns oder eine Maskenpflicht ablehnten, geht der Wunsch des psychopathischen Premierministers in Erfüllung.

Die Regierungen in ganz Europa beharrten darauf, dass der Anstieg der Fallzahlen angesichts der Impfungen ignoriert werden könne. Die britische Regierung erklärte, ihr „Plan“ sei es, „von der Pandemie zur endemischen Lage“ überzugehen, d. h. das Virus dauerhaft und unkontrolliert in der Bevölkerung wüten zu lassen. Der gleiche Plan wurde von allen europäischen Staaten verfolgt. Vertreter ihrer Regierungen machten deutlich, dass sie keine nennenswerten Ausgaben für Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mehr hinnehmen würden, sobald Impfstoffe verfügbar sind.

So erklärte der französische Gesundheitsminister Olivier Véran letzten Monat in der Zeitung Libération: „Es überrascht nicht, dass der Anstieg in ganz Europa stattfindet. Allerdings wissen wir, dass die Impfungen die Verbindung zwischen der Zahl der Infektionen und der Zahl der schweren Fälle, Hospitalisierungen und Todesfälle deutlich begrenzt hat.“ Er fügte hinzu, seine Sorge gelte „hauptsächlich dem Druck auf die Krankenhäuser“.

Die Ereignisse entlarven Vérans Falschbehauptung, die Impfungen würden die Verbindung zwischen steigenden Infektionen und einem Anstieg der ernsten Verläufe und Todesfälle brechen. Impfstoffe sind hochwirksam und müssen so vielen Menschen wie möglich verabreicht werden. Der Kontrast zwischen Osteuropa und den westeuropäischen Staaten mit höheren Impfquoten ist eine deutliche und tragische Mahnung. Obwohl weniger tägliche Neuinfektionen gemeldet werden, steigt die Zahl der Todesfälle pro Tag in Russland (1.254), der Ukraine (725), Polen (403) oder Rumänien (254) stärker an als in Deutschland (230) oder Großbritannien (157).

Geimpfte können sich jedoch weiterhin infizieren und das Virus übertragen, und Impfstoffe reduzieren das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs zwar, eliminieren es aber nicht völlig. Da große Teile der Bevölkerung, darunter Kinder, noch immer ungeimpft sind, bedeutet dies, dass viele Infizierte ernsthaft erkranken, Intensivpflege benötigen oder mit Long Covid zu kämpfen haben, wenn sie überleben.

Ein weiterer und wahrhaft katastrophaler Verlust von Menschenleben wird sich nur verhindern lassen, wenn die Arbeiter weltweit gegen die Europäische Union und für die Eliminierung aller Übertragungen von Covid-19 durch die Anwendung wissenschaftlicher Gesundheitsmaßnahmen mobilisiert werden. Dazu gehören strenge Lockdowns und eine allgemeine Impfpflicht. Die bittere Erfahrung lehrt, dass die Maßnahmen, die aktuell diskutiert werden, das Massensterben nicht beenden werden.

Österreich hat eine 180-Grad-Wende vollzogen und am Freitag einen Teil-Lockdown angekündigt, nicht systemrelevante Geschäfte geschlossen, Ausgangsbeschränkungen eingeführt und die Bürger aufgerufen, wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten. Doch Arbeiter, deren Firmen noch geöffnet sind, müssen weiterhin zur Arbeit, und die Schulen bleiben geöffnet. Da jedoch laut mehreren Studien etwa 60 Prozent aller Infektionen an Arbeitsplätzen oder in Schulen erfolgen, wird dieser Teil-Lockdown Masseninfektionen nicht verhindern.

Tatsächlich wurden ähnliche Lockdowns vor einem Jahr in weiten Teilen Europas umgesetzt. Sie konnten zwar einen Zusammenbruch des Krankenhaussystems verhindern, die Katastrophe jedoch nicht. Von Oktober 2020 bis April 2021 sind in Europa mehr als 700.000 Menschen gestorben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostizierte letzten Monat, dass bis zum 1. Februar weitere 500.000 Menschen in Europa an Covid-19 sterben werden.

In anderen Gebieten, u. a. in der Slowakei, den Niederlanden und einigen Regionen Italiens, erwägen die Behörden einen Teil-Lockdown für Ungeimpfte. Diese provokante Maßnahme, die auch Österreich Anfang der Woche eingeführt und kurz darauf als ineffektiv abgelehnt hat, wird die Ausbreitung nicht eindämmen, da auch Geimpfte das Virus übertragen können.

In Deutschland, wo die Koalitionsverhandlungen noch andauern, äußert sich die Politik widersprüchlich. Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Lage der Pandemie als hochdramatisch und forderte: „Wir brauchen einen schnellen Stopp und ein Bremsen des exponentiellen Anstiegs.“ Doch die scheidende Regierung unternimmt nichts und die Vertreter der künftigen Regierungsparteien fordern, dass nichts getan wird.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (zweiter von rechts), die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock (zweite von links) und Robert Habeck (links) und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner (rechts) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin (AP Photo/Markus Schreiber)

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt erklärte sadistisch: „Die Infektionen können wir nicht zurückdrehen... es werden sich noch viel mehr Leute anstecken und schwer erkranken...“ In dieser Situation sei die wichtigste Aufgabe, dass „die Schulen und Kitas so lange wie möglich geöffnet bleiben“.

Die Umsetzung dieser mörderischen Politik würde das deutsche Gesundheitssystem innerhalb von Wochen oder Tagen zum Zusammenbruch bringen. Ärzte und Wissenschaftler, die die Pandemie studieren, darunter Professor Kristan Schneider von der Hochschule Mittweida, fordern einen strengen Lockdown nach dem Vorbild derjenigen, die im März 2020 nach Massenstreiks eingeführt wurden.

Gegenüber der ARD erklärte Schneider, ein strikter Lockdown mit Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen könnte die Lage ändern, da er Kontakte und Infektionen unterbinden würde. Eine allgemeine Impfpflicht würde die Lage in seiner Simulation leicht verbessern, allerdings sei es zu spät, um die derzeitige Infektionswelle aufzuhalten. In der Vergangenheit hätten sich besonders drastische Maßnahmen auch als besonders effektiv erwiesen. Eine Notbremse mit Impfpflicht bezeichnete Schneider als das sinnvollste.

Die Umsetzung solcher Maßnahmen erfordert die internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse – unabhängig von den etablierten Parteien und Gewerkschaftsbürokratien – in einem bewussten politischen Kampf gegen die kapitalistischen Regierungen Europas und für die Eliminierung des Coronavirus.

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