Am Sonntag wurde der Putin-Gegner Alexei Nawalny, den die USA und die EU unterstützen, nach seiner Rückkehr aus Berlin auf einem Moskauer Flughafen verhaftet. Wie am Montag bekanntgegeben wurde, muss er eine 30-tägige Haftstrafe verbüßen.
Nawalny wurde vor fünf Monaten nach Deutschland ausgeflogen, nachdem er an Bord eines Flugzeugs erkrankt war, und hat seither hier gelebt. Bundeskanzlerin Angela Merkel war direkt an der Organisation dieses Flugs beteiligt. Die westlichen Medien, allen voran die deutsche Presse, begannen eine massive Propagandakampagne und behaupteten, Nawalny wäre mit dem tödlichen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden, was jedoch nie bewiesen wurde. Der Vorwurf basierte hauptsächlich auf den Behauptungen eines Bundeswehr-Labors.
Tatsächlich enthält das Narrativ der Medien über den Giftanschlag auf Nawalny so viele Widersprüche und bizarre Episoden, dass es vor allem durch seine dreiste Missachtung des gesunden Menschenverstands auffällt. So wurden zuerst an einer Wasserflasche Spuren von Nowitschok gefunden. Später hieß es, das Gift sei in Nawalnys Unterhose platziert worden. Noch später war von einem Team von Elite-Killern des russischen Geheimdienstes FSB die Rede, das durch „kreative Google-Suche“ aufgedeckt wurde. Laut der aktuellsten Version der Geschichte soll Nawalny mit einem der beteiligten FSB-Agenten telefoniert haben, der während dieses Telefonats sofort alles zugab.
Genau wie die meisten Episoden dieser absurden Geschichte ist sie seither größtenteils aus der Berichterstattung der Medien verschwunden. Mittlerweile ist nur noch von einem Giftanschlag auf Nawalny mit Nowitschok die Rede, der als bewiesene Tatsache dargestellt wird.
Da Nawalny bei seiner Rückkehr nahezu sicher mit seiner Verhaftung rechnen musste, war sie zweifellos ein kalkulierter Schritt. Nachdem er letzte Woche seine Rückkehr angekündigt hatte, erklärten die russischen Behörden sofort, man werde ihn direkt nach der Landung auf der Grundlage einer Klage von 2014 wegen Unterschlagung verhaften. Ihm drohen dreieinhalb Jahre Haft. Auf seinem Flug wurde er von einem großen Team von Journalisten begleitet, die über die Angelegenheit berichteten. Seither hat er seine Anhänger zu Demonstrationen gegen seine Verhaftung aufgerufen.
Die Redaktion der New York Times veröffentlichte am Sonntagabend eine Erklärung, in der sie Nawalny für seinen „außergewöhnlichen Mut“ lobte und als „internationalen Helden“ und „gefeierten politischen Gefangenen“ bezeichnete. Die USA haben seither, mit großer Unterstützung in beiden Parteien, weitere Sanktionen gegen die russisch-deutsche Gaspipeline Nord Stream 2 angekündigt.
Das Timing von Nawalnys Rückkehr nach Russland und seine Verhaftung müssen im Kontext der wachsenden geopolitischen Spannungen und vor allem der gewaltigen politischen Krise in den USA betrachtet werden. Sie fand nur wenige Tage vor der Amtseinführung von Joseph Biden am 20. Januar statt, die mit einem beispiellosen militärischen Lockdown der US-Hauptstadt einhergeht, da mit bewaffneten Protesten gerechnet wird. Am 6. Januar hatte ein faschistischer Mob, angestiftet durch den amtierenden Präsidenten Donald Trump, das Kapitol gestürmt, um Kongressabgeordnete zu ermorden oder zu entführen und um die Wahl zu kippen. Dieser Putschversuch wurde von mächtigen Teilen des amerikanischen Staatsapparats und des Militärs unterstützt.
Die Demokraten reagierten auf diese Entwicklungen mit dem Versuch, das Ausmaß des Putschversuchs zu vertuschen und an die „Einigkeit“ mit den Republikanern zu appellieren. Seither haben sie ihre anti-russische Hetze sowie ihre Vorbereitungen auf Militärinterventionen im Ausland verschärft.
Der designierte Präsident Joseph Biden hat in den letzten Tagen mehrere prominente Politiker, die für ihre aggressive Haltung gegenüber Russland bekannt sind, für wichtige Positionen im US-Außenpolitikapparat nominiert. Letzte Woche nominierte er den ehemaligen Botschafter in Russland, William Burns, als CIA-Chef. Burns spielte u.a. eine wichtige Rolle im Libyen-Krieg und der US-Intervention in Syrien, die beide größtenteils darauf abzielten, den Einfluss Russlands im Nahen Osten und Nordafrika zu schwächen.
Eine noch provokantere Entscheidung ist Bidens Nominierung von Victoria Nuland als Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, d.h. zur dritthöchsten US-Diplomatin. Nuland wird mehr als jede andere Persönlichkeit des US-Außenpolitik-Establishments mit dem dreisten Gangsterstück des Staatsstreichs in der Ukraine 2014 assoziiert. Damals finanzierten und unterstützten die USA und Deutschland faschistische Kräfte, die die prorussische Regierung von Wiktor Janukowitsch stürzten und ein prowestliches Regime an die Macht brachten.
Im Jahr 2013 gab Nuland zu, dass die USA „mehr als fünf Milliarden Dollar“ in die ukrainische Opposition „investiert“ haben. Im Jahr 2014 geriet die Aufzeichnung eines Telefonats zwischen ihr und dem amerikanischen Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, an die Öffentlichkeit, in der sie zwanglos über die US-Strategie der Zusammenarbeit zwischen den USA und neofaschistischen Kräften wie der Partei Swoboda diskutierte und u.a. äußerte: „Scheiß auf die EU“. Im Jahr 2019 wurde Nuland mit einem Einreiseverbot nach Russland belegt.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die Unterstützung von Alexei Nawalny liegt auf einer Linie mit dieser Art von verbrecherischer Intervention des US-Imperialismus in der ehemaligen Sowjetunion während der letzten drei Jahrzehnte. Diese Politik hat zu einer immer schlimmeren sozialen und politischen Katastrophe für die Arbeiterklasse geführt.
Das Narrativ der Medien, Nawalny sei eine populäre Persönlichkeit, ein „demokratischer“ Politiker oder sogar ein „internationaler Held“ (New York Times) stimmt vorne und hinten nicht. Obwohl Nawalny seit mehr als zehn Jahren vom US-Imperialismus aufgebaut wird, konnte er seine Unterstützung in der Bevölkerung nie über die beschränkten Schichten des gehobenen Kleinbürgertums in Russland ausdehnen. In Popularitätsranglisten schnitt er regelmäßig schlecht ab.
Nawalny ist ein Produkt der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion und der Wiedereinführung des Kapitalismus. Er spricht für eine Fraktion der russischen Oligarchie, die im Kampf um die Kontrolle der materiellen Ressourcen und der Außenpolitik des Landes in erbittertem Konflikt zum Putin-Regime steht. Im Verlauf seiner politischen Karriere in der von den USA unterstützten „liberalen“ Opposition fiel er vor allem dadurch auf, dass er auf der Notwendigkeit einer Kollaboration mit der extremen Rechten im Kampf gegen das Putin-Regime beharrte. Er bezeichnet sich als russischer Nationalist, ist auf schon mehreren Demonstrationen russischer Neofaschisten mitmarschiert und hat Menschen aus dem Kaukasus als „Kakerlaken“ tituliert.
Letzte Woche hat Nawalny gegen Trumps Twitter-Verbot als „inakzeptablen Akt der Zensur“ protestiert. Dieser Protest lag nicht nur auf einer Linie mit der deutschen Regierung, sondern drückte zweifellos auch echte politische Sympathie mit den faschistischen Tiraden des US-Präsidenten aus. Dass die Demokraten und die New York Times solche rechtsextremen Kräfte in Russland offen unterstützen, ist eine eindeutige Warnung an alle Arbeiter, vor allem in den USA. Es zeigt deutlich, wem im Kampf gegen den Faschismus die politische und die Klassen-Loyalität der Demokraten gilt.
Angesichts der wachsenden Klassenspannungen und der verheerenden politischen Krisen verstärken die USA jetzt ihre Anstrengungen, um das Putin-Regime zu destabilisieren. Führende Kreise in den USA sind sich sehr bewusst, dass die globale Krise des Kapitalismus die Wirtschaftskrise in Russland und die Konflikte in der russischen herrschenden Klasse dramatisch verschärft hat. Das Putin-Regime wiederum hat keine andere Antwort auf den zunehmenden Druck durch den Imperialismus als Austerität und die Propagierung von Militarismus und Nationalismus im Inland sowie armseliges Manövrieren zwischen denselben imperialistischen Mächten, die sich offen auf einen Krieg vorbereiten.
Ohne eine unabhängige Intervention der Arbeiterklasse führt die objektive Logik dieser Dynamik unweigerlich zu einem Krieg zwischen Atommächten. Die Reaktion auf den Zusammenbruch des Weltkapitalismus, die wachsende Kriegsgefahr und das Anwachsen der extremen Rechten muss eine vereinte Bewegung der Arbeiter in Russland, Europa, den USA und dem Rest der Welt für den Sturz dieses veralteten Gesellschaftssystems sein.