Bidens „Hilfspaket“ wird soziales Elend und Corona-Todesfälle nicht eindämmen

Am 14. Januar stellte der designierte US-Präsident Joe Biden sein 1,9 Billionen Dollar schweres Hilfspaket zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vor, das er als „American Rescue Act“ bezeichnet. Er forderte den Kongress dazu auf, das Programm innerhalb weniger Tage nach seiner Amtseinführung am 20. Januar zu verabschieden. Am darauffolgenden Tag hielt Biden eine Rede, in der er seinen Impfplan vorstellte und behauptete, innerhalb der ersten 100 Tage seiner Amtszeit könnten 100 Millionen Dosen verabreicht werden. Die derzeitige Rate liegt allerdings weit unter dieser Marke.

Biden während einer Rede am 14. Januar 2021 in Wilmington, Delaware (AP Photo/Matt Slocum)

Bemerkenswert bei dieser zweiten Ankündigung war vor allem, was Biden nicht sagte. Er konzentrierte sich einzig auf den Impfstoff und machte keine Vorschläge, wie das Coronavirus durch weitere Maßnahmen eingedämmt werden kann. Bis in den USA eine kritische Masse geimpft ist, wird es ohne weitere Einschränkungen unweigerlich zu weiteren Hundertausenden Toten kommen. Die einzige ernsthafte Maßnahme im Kampf gegen die Pandemie wird nicht einmal angesprochen: ein kompletter Lockdown der Wirtschaft, der die Schließung nicht lebensnotwendiger Betriebe, Geschäfte und Schulen umfasst. Gleichzeitig müsste allen Arbeitern ein volles Einkommen bereitgestellt und ein gut ausgestatteter Fernunterricht für Kinder und Jugendliche gewährleistet werden, bis alle gefahrenlos wieder zur Normalität zurückkehren können.

Als Biden sein Paket vorstellte, legte er ein Lippenbekenntnis zur wachsenden sozialen Ungleichheit in den USA ab und verwies auf die „wenigen an der Spitze, denen es wirtschaftlich recht gut geht“. Zurecht wies er daraufhin, dass der Reichtum des obersten Prozents der Bevölkerung „seit Ende letzten Jahres um etwa 1,5 Billionen Dollar gewachsen ist. Das ist viermal so viel wie bei den unteren 50 Prozent der amerikanischen Arbeitnehmer zusammengenommen.“

Der „American Rescue Act“ hat allerdings nicht zum Ziel, diese enorme Kluft durch drastisch erhöhte Steuern für die „Profiteure der Pandemie“ zu verkleinern. Zu den Profiteuren zählen besonders der Amazon-Chef Jeff Bezos oder Elon Musk, der erst kürzlich zum reichsten Mann der Welt aufstieg. Musk „verdiente“ letztes Jahr etwa 165 Milliarden Dollar, die er fast ausschließlich dem raketenhaften Anstieg der Tesla-Aktie verdankt. Tatsache ist, dass es keinerlei Steuererhöhungen für Superreiche geben wird. Biden ermöglicht es ihnen vielmehr, ihre unrechtmäßig erworbenen Gewinne zu behalten, während sich die amerikanische Regierung von eben jenen Milliardären Geld zu erheblichen Zinssätzen leihen muss, um ihre Ausgaben zu bewältigen.

Biden ruft zudem weiter zur „Einigkeit“ mit seinen „republikanischen Kollegen“ auf, obwohl eine Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus und Senat wie Ted Cruz (Texas) oder Josh Hawley (Missouri) noch nach dem gescheiterten Putschversuch Trumps am 6. Januar die Bestätigung seines Wahlsiegs verhindern wollte. Biden begrüßt auch die Vorschläge aus den Reihen der Republikaner zur Anpassung des geplanten Hilfspakets. Das zeigt sich bereits in der Verringerung der Ausgaben: Mit 1,9 Billionen Dollar ist das Paket um 1,1 Billionen Dollar niedriger im Vergleich zum vorgeschlagenen Konjunkturprogramm „HEROES Act“ vom vergangenen Mai, das im demokratisch dominierten Repräsentantenhaus, aber nicht im Senat, verabschiedet worden war.

Die Gesamtkosten für das Maßnahmenpaket (900 Milliarden Dollar), das dann im Dezember verabschiedet wurde, sowie für Bidens geplantes Hilfspakt (1,9 Billionen Dollar) liegen immer noch unter den Kosten, die im Rahmen des „HEROES Act“ vom Mai (3 Billionen Dollar) vorgeschlagen wurden. Im Ergebnis führt die Machtübernahme der Demokraten im Repräsentantenhaus, im Senat und bald auch im Weißen Haus zu einem noch kleineren „Hilfspaket“, als es Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, letztes Jahr vorgeschlagen hatte. Damals dominierten die Republikaner noch den Senat und Trump war Präsident. Gleichzeitig ist die Not von Millionen Menschen heute weitaus größer als noch vor zehn Monaten.

Im aktuellen Hilfspaket sind rund 415 Milliarden Dollar für Maßnahmen im öffentlichen Gesundheitswesen vorgesehen. Davon sollen 170 Milliarden Dollar für die Wiederöffnung der Schulen eingesetzt werden, damit Eltern den Mehrwert für die herrschende Klasse erwirtschaften können. Um das umzusetzen, verspricht Biden „mehr Tests und Transportmöglichkeiten, zusätzliche Reinigungs- und Hygienemaßnahmen in den Schulen“ sowie „Schutzausrüstung und Belüftungssysteme“.

Etwa 50 Milliarden Dollar sind für Covid-19-Tests vorgesehen, weitere 20 Milliarden Dollar für ein nationales Impfprogramm. In seiner Rede am Freitag stellte Biden auch das aus fünf Stufen bestehende Impfprogramm seiner zukünftigen Regierung vor. Dabei warf Biden Lehrer in einen Topf mit „systemrelevanten Arbeitskräften“ wie Mitarbeiter im Gesundheitswesen und Einzelhandel, damit sie vorrangig eine Impfung erhalten.

Aber bezeichnenderweise forderte Biden nicht, dass jeder Lehrer geimpft sein muss, um wieder unterrichten zu können. Im Unterschied zu Supermärkten oder Krankenhäusern, die zum Erhalt und Fortlauf des gesellschaftlichen Lebens essentiell sind, können Schulen vorübergehend geschlossen oder per Fernunterricht betrieben werden.

Bidens Orientierung auf eine „sichere“ Wiedereröffnung der Schulen bedeutet also nicht, dass seine Regierung „wissenschaftlichen Erkenntnissen“ folgen wird. Vielmehr wird deutlich, dass er seine Politik dem Diktat der Finanzoligarchie unterordnet, die im Kabinett Biden auch stark vertreten sein wird – etwa mit dem ehemaligen BlackRock-Investmentbanker Brian Deese als Wirtschaftsberater.

Ein weiterer Rückschritt im Vergleich zum Gesetzesentwurf HEROES Act sind die verringerten Hilfsgelder von nur 350 Milliarden Dollar für Bundesstaaten, Kommunen und indigenen Vertretungen, was in etwa einem Drittel der ursprünglich vorgeschlagenen Summe von einer Billion entspricht.

Das neue Hilfspaket umfasst zudem 15 Milliarden Dollar an Zuschüssen für kleine und mittelständische Unternehmen, sowie 35 Milliarden Dollar für staatliche und lokale Regierungen, um Kredite zu günstigen Zinsen vergeben zu können. Diese geringfügigen Summen könnten von den Republikanern als Einladung für ein Gegenangebot interpretiert werden, um – ähnlich des CARES-Gesetzes im März – die Zuschüsse zu erhöhen und große Unternehmen und Banken einzubeziehen.

Weitere Vorschläge, die jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in die parteiübergreifende Gesetzesvorlage aufgenommen werden, lauten wie folgt:

  • Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung um 100 Dollar auf 400 Dollar pro Woche bis September 2021. Damit liegt die Arbeitslosenunterstützung immer noch 200 Dollar unter dem Niveau des CARES-Gesetzes.

  • Anhebung des Mindestlohns von 7,25 Dollar auf 15 Dollar, was nach wie vor einem Hungerlohn entspricht. Der Vorschlag sieht dabei keinen konkreten Zeitplan für die Erhöhung vor, so dass es Jahre dauern könnte, bis der neue Mindestlohn tatsächlich in Kraft tritt – wenn er nicht schon vorher von Republikanern und rechten Demokraten abgeblockt wird.

  • Erhöhung des Kinderfreibetrags auf 3.000 Dollar pro Kind und 3.600 Dollar für Kinder unter 6 Jahren.

  • Erhöhung des Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP, Essensmarken) um 15 Prozent bis September 2021 sowie zusätzlich 3 Milliarden Dollar für das Women, Infants, and Children (WIC) Programm.

Millionen Menschen reagierten mit Wut auf Bidens angekündigte Einmalzahlungen von 1.400 Dollar, statt der versprochenen 2.000 Dollar. Während einer Veranstaltung zur Stichwahl in Georgia hatte Biden die „2.000-Dollar-Schecks“ angepriesen, um Unterstützung für die demokratischen Kandidaten zu gewinnen.

„Wenn Sie Jon [Ossoff] und den Reverend [Raphael Warnock] nach Washington bringen, sind die 2.000-Dollar-Schecks schon so gut wie bei Ihnen“, sagte Biden auf der Kundgebung. Bereits zu diesem Zeitpunkt war das eine bewusste Lüge, da Biden, Pelosi und der damalige Fraktionsführer der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, vorgesehen hatten, die Zahlung von 600 Dollar auf 2.000 Dollar zu erhöhen. Dies entspricht einer Erhöhung um 1.400 Dollar.

Doch unabhängig davon reichen für die Millionen Arbeitslosen und verschuldeten Menschen weder 1.400 Dollar noch 2.000 Dollar. Erst kürzlich ergab eine Studie der Website Nerdwallet über die Kreditkartenschulden amerikanischer Haushalte, dass ein US-Haushalt durchschnittlich 7.027 Dollar Schulden hat. Insgesamt gaben 42 Prozent der Befragten an, dass sich ihre finanzielle Situation seit dem Ausbruch der Pandemie verschlechtert hat. Weitere 51 Prozent der Befragten erklärten, dass ihr Einkommen gesunken ist, während 22 Prozent ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Seit März 2020 wurden fast 11 Millionen Arbeitsplätze vernichtet, und in der vergangenen Woche beantragten rund eine Million Menschen in den USA Arbeitslosenunterstützung. Die monatlichen Zahlen des amerikanischen Arbeitsministeriums für die vorangegangene Woche offenbarten zum ersten Mal seit März ein negatives Jobwachstum. Rund 140.000 Menschen verloren im Dezember ihren Job.

Zahlen des Handelsministeriums, die am Freitag veröffentlicht wurden, zeigen außerdem, dass die Einzelhandelsumsätze – das Rückgrat der amerikanischen Wirtschaft – im Dezember um 0,7 Prozent gesunken sind, nachdem sie im November bereits um 1,4 Prozent gefallen waren. Während Schüler und Lehrer in die Schulen gezwungen werden, wüten das Coronavirus und seine Mutationen weiter. Die USA hat mit über 400.000 Toten weltweit die höchste Opferzahl.

Angesichts dieser Lage werden Bidens Ankündigungen, wie er selbst eingeräumt hat, nur wenig dazu beitragen, die immer noch andauernde und vermeidbare Katastrophe zu beenden. Der designierte Präsident kündigte erneut an, dass den USA ein „sehr dunkler Winter“ bevorsteht. Wie wir auf der WSWS bereits vor Monaten schrieben, ist das Massensterben jedoch weder vorherbestimmt noch unvermeidbar. Es ist vielmehr die bewusste Politik der herrschenden Klasse, die alle Aspekte der Gesellschaft ihrer eigenen Bereicherung unterordnet.

Es gibt genug Ressourcen und materielle Mittel, um die gesamte Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen und jedem ein Dach über dem Kopf zu geben, bis alle systemrelevanten Arbeiter geimpft werden konnten. Die dringende Aufgabe besteht darin, alle Arbeiter auf der Grundlage eines internationalistischen und sozialistischen Programms zu organisieren, um die unrechtmäßigen Vermögen der „Pandemieprofiteure“ zu enteignen und für die Rettung von Menschenleben einzusetzen.

Loading