Perspektive

Amy Coney Barrett am Obersten Gerichtshof eingesetzt, Trumps Staatsstreich nimmt Gestalt an

Eine Woche vor der US-Präsidentschaftswahl nimmt eine politische Verschwörung unter der Führung von Präsident Trump Gestalt an. Er will unabhängig vom tatsächlichen Ergebnis der Stimmabgabe an der Macht bleiben.

Diese Bestrebungen erreichten am Montagabend mit der Vereidigung der neuesten Richterin am Obersten Gerichtshof, Amy Coney Barrett, ein neues Etappenziel. Trump hatte Barrett nominiert, um das Gericht mehrheitlich mit Anhängern der Republikanern besetzt zu wissen. Der Gerichtshof wird über Trumps Vorgehen im Nachgang der Wahl entscheiden.

Die Einsetzung von Richterin Barrett wurde vor einem angestrahlten Weißen Haus inszeniert und im Fernsehen ausgestrahlt. Dies ist das jüngste in einer Reihe von faschistischer Spektakel, mit denen Trump seine Entschlossenheit zeigt, das politische Leben in Amerika zu dominieren, auch gegen den Willen des Volkes sowie gegen Wortlaut und Sinn der Verfassung.

Trump erste Inszenierung in dieser Reihe war seine Rede, mit der er die Nominierung als Kandidat der Republikaner für eine zweite Amtszeit als Präsident annahm: auf dem Rasen des Weißen Hauses und mit dem zentralen Regierungsgebäude als Kulisse für die Verkündung eines Parteibeschlusses. Dann kam seine Rückkehr aus dem Walter Reed Medical Center nach seiner Behandlung wegen einer Coronavirus-Infektion: Der Hubschrauber landete und Trump stieg die Treppe hinauf, um seine Anhänger vom Balkon des Weißen Hauses zu grüßen. Ganze Szenen schienen direkt übernommen aus dem Nazi-Propagandafilm Triumph des Willens von Leni Riefenstahl.

Gestern Abend beeilte sich Trump, die Vereidigung von Barrett vor einem handverlesenen Publikum auf dem Rasen des Weißen Hauses abzuhalten, nur Stunden nachdem der Senat ihre Nominierung mit 52-48 Stimmen bestätigt hatte. Trotz der offenkundig parteipolitischen Prägung der Veranstaltung nahm der rechteste Richter am Obersten Gerichts, Clarence Thomas, den Amtseid ab. Thomas ist auch der letzte Verbliebene aus der Besetzung des Gerichts, die in der Präsidentschaftswahl 2000 mit der 5-4-Entscheidung Bush vs. Gore den Ausgang der Wahl zugunsten des eigentlichen Verlierers entschieden hat.

Trump bezog sich in formelhaften Worten auf die US-Verfassung als „ultimative Verteidigung der amerikanischen Freiheit“. Die wahren Überzeugungen dieses Möchtegern-Diktators zeigten sich früher am selben Tag in Pennsylvania, wo er dem demokratischen Gouverneur des Bundesstaates mit Gewalt und Vergeltung drohte, sollte er es wagen, die Einschüchterungsversuche von Trumps faschistischen Anhänger gegenüber Wählern zu unterbinden.

Zum Demokraten Tom Wolf sagte Trump: „Der Gouverneur zählt die Stimmzettel aus, und wir beobachten Sie, Herr Gouverneur, sehr genau in Philadelphia. Bei der Auszählung der Stimmen passieren dort viele schlimme Dinge. Wir beobachten Sie, Gouverneur Wolf, sehr genau. Wir beobachten Sie.“ Später in seiner Rede bezeichnete Trump seine Gegner als „Globalisten“ - ein häufiges Synonym für „Juden“ im faschistischen Diskurs. Wie ein Mafiaboss sagte er über seine Schlägertrupps: „Wir haben sehr nette Leute, sie werden vor der Wahl nichts unternehmen. Sehr nette, sehr nette Leute.“

Trump sagte der Menge, er arbeite mit der Polizei im ganzen Land zusammen, um die Stimmenauszählung zu überwachen: „Alles, was wir sagen können, ist, dass die Strafverfolgungsbehörden Nevada beobachten, sie beobachten Philadelphia und Pennsylvania, weil es dort eine Menge seltsamer Dinge gab. Und wir beobachten den demokratischen Gouverneur, der seinen Bundesstaat North Carolina geschlossen hat, den großen Bundesstaat North Carolina. Wir beobachten North Carolina, wir beobachten Michigan.“

Die Menge begann bei der Nennung von Gouverneur Wolf zu schreien: „Sperrt ihn ein!“, gleiches passierte bei Nennung von Gouverneurin Whitmer bei einer Kundgebung letzte Woche in Muskegon, US-Bundesstaat Michigan. Erst vor drei Wochen hatte die Polizei 13 Trump-Anhänger und Mitglieder einer Miliz verhaftet, die sich in der letzten Phase von Vorbereitungen zur Entführung und Ermordung von Whitmer befanden. Trump ist mit Whitmer wegen der Politik des Bundesstaates bei der Verhängung von Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus aneinander geraten.

Der Präsident gibt jedem Faschisten in Amerika grünes Licht. Als Regierungsvertreter in Michigan nach der Aufdeckung des Komplotts gegen Whitmer Anweisung gaben, das offene Tragen von Waffen an Wahllokalen zu untersagen, kündigten landesweite Polizeiorganisationen an, den Befehl nicht durchzusetzen.

Wenn Trump nicht in der Lage ist, mit Gewalt und Einschüchterung eine Mehrheit an den Urnen zu erlangen - ein Unterfangen, das immer unwahrscheinlicher wird, da zig Millionen Menschen bereits das early voting oder die Briefwahl nutzen und Trump bei diesen Wählern offenbar nur jede dritte Stimme für sich verbuchen kann - wird er versuchen, die Auszählung der Briefwahlzettel in wichtigen Bundesstaaten per Gerichtsbeschluss zu stoppen. In einem solchen Verfahren wird der Oberste Gerichtshof der USA als letzte Instanz entscheiden.

Während sich dieser Staatsstreich entfaltet, zeigt sich die Demokratische Partei ohne jedes Rückgrat. Bei nur einer knappen republikanischen Mehrheit von 53-47 Stimmen im Senat behaupteten die Demokraten dennoch, nichts gegen die rasche Bestätigung Barretts tun zu können, die nur fünf Wochen nach dem Tod der Richterin Ruth Bader Ginsburg als Nachbesetzung erfolgte.

Diese Behauptungen sind so lächerlich, dass sie kaum eine Widerlegung erfordern. Der Senat ist bekannt für seine unzähligen, nicht immer transparenten Verfahren, die es einer entschlossenen Minderheit erlauben, Entscheidungen zu verzögern und sogar zu vereiteln – wenn sie kampfbereit ist. Wären die Verhältnisse umgekehrt, so bestünde nicht die geringste Möglichkeit, dass ein demokratischer Präsident mit einer knappen demokratischen Mehrheit im Senat am Vorabend einer Präsidentschaftswahl eine Nominierung für den Obersten Gerichtshof durchsetzen könnte. Die Demokraten würden es nicht einmal versuchen.

Anstatt diese Verschwörung beim Namen zu nennen und die amerikanische Bevölkerung zu warnen, vertuscht die Demokratische Partei sie. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden bezog sich während seiner letzten Debatte mit Trump nicht einmal auf die Nominierung Barretts oder den drohenden Staatsstreich nach der Wahl. Senatorin Kamala Harris, die Vizepräsidentschaftskandidaten der Demokraten, sitzt im Justizausschuss, der die Barrett-Nominierung prüfte. Sie warf dort nicht die Frage auf, inwiefern die Demokratie durch Trump bedroht ist. Der Minderheitenführer im Senat, Demokrat Charles Schumer, nannte in seiner Schlussrede gegen Barretts Bestätigung nicht einmal die Auswirkungen auf die Wahl im Jahr 2020.

Wenn die Demokratische Partei so gegen diesen beispiellosen Versuch „kämpft“, eine ultrarechte Ausrichtung des Obersten Gerichtshofs zu zementieren, welchen Widerstand wird sie dann leisten gegen Trumps immer offenere Drohungen mit Gewalt und gegen die Missachtung der Verfassung bei der Wahlen im Jahr 2020?

Die Führung der Demokratischen Partei ist sich mit Sicherheit bewusst, dass Trump einen Putsch plant. In Reaktion darauf ergreift sie konkrete Maßnahmen, die jedoch ausschließlich darin bestehen, hinter den Kulissen mit den Spitzen des Militär- und Geheimdienstapparats zu diskutieren und diese um ihre Unterstützung zu bitten, damit Trump zur Annahme des Wahlergebnisses gezwungen wird.

Dies bestätigt ein bemerkenswertes Interview, das die Abgeordnete Elissa Slotkin am Montag gab. Slotkin ist eine ehemalige CIA-Agentin und Pentagon-Mitarbeiterin, die als eine der CIA-Demokraten einen Sitz im Repräsentantenhaus gewann. Im Gespräch mit Politico verriet sie, dass im Wahlkampfteam von Biden aktiv diskutiert wird, was zu tun ist, falls Trump sich weigern sollte, das Wahlergebnis zu akzeptieren oder aus dem Amt zu scheiden. Slotkin selbst hat sowohl an die zivilen als auch an die militärischen Führer im Pentagon Schreiben gesandt, in denen sie um ein Bekenntnis zur Neutralität in jeder Krise nach den Wahlen bittet.

Gleichzeitig bestätigte Slotkin, dass in Michigan, ihrem Heimatstaat, Regierungsvertreter der Demokratischen Partei nicht wussten, ob sie die Unterstützung der Polizei erhalten, um die Einschüchterung von Wählern durch rechte Milizionäre zu verhindern. Als Antwort auf die Frage: „Was tun wir, wenn jemand mit einer AK-47 zur Wahl erscheint? Wen sollen wir anrufen?“ blieb die Polizei unverbindlich.

Diese Aussagen bestätigen nur die Warnungen der WSWS seit Trump zum ersten Mal versucht hat, das Militär gegen die Massenproteste einzusetzen, so geschehen im Zusammenhang mit den Protesten gegen Polizeigewalt, die auf die brutale Tötung von George Floyd am 25. Mai in Minneapolis folgten. Trump versucht, eine faschistische Bewegung in den Vereinigten Staaten aufzubauen, unabhängig davon, ob er am kommenden 20. Januar im Weißen Haus sitzt oder nicht. Die Verteidigung demokratischer Rechte kann keinem Teil der herrschenden Klasse anvertraut werden. Sie muss von der Arbeiterklasse ausgehen, durch den Aufbau einer politischen Massenbewegung auf der Grundlage eines sozialistischen Programms.

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