Nach Terroranschlag in Frankreich: Macron verbreitet anti-muslimische Heuchelei über „Meinungsfreiheit“

Weniger als 48 Stunden, nachdem am Freitagnachmittag nahe Paris bei einem Terroranschlag ein Lehrer ermordet wurde, hat sich das gesamte politische Establishment in Frankreich einer Kampagne für „nationale Einheit“ angeschlossen, die auf anti-muslimischen Gesetze aufgebaut werden soll.

Samuel Paty, der an einer Mittelschule Geschichte und Geographie unterrichtete, wurde am vergangenen Freitag kurz nach 17 Uhr ermordet, nachdem er seine Schule in Conflans-Sainte-Honorine in der Region Yvelines nordwestlich von Paris verlassen hatte. Der Täter wurde von der Polizei als Abdoullach Ansonow identifiziert, ein 18-jähriger Tschetschene, der im Jahr 2002 in Moskau geboren wurde. Seine Familie hatte im Jahr 2011 den Flüchtlingsstatus in Frankreich erhalten. Berichten zufolge sei Ansonow an diesem Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln 80 Kilometer von seinem Heimatort zu der Schule gefahren, bewaffnet mit einem 30 cm langen Messer und einer Airsoft-Handfeuerwaffe. Danach soll er mehrere Stunden vor dem Schulgebäude auf Paty gewartet haben.

Nachdem er Paty einen halben Kilometer weit gefolgt war, griff Ansonow ihn an, stach mehrmals auf ihn ein und enthauptete ihn auf offener Straße. Als die Polizei eintraf, soll Ansonow laut Berichten „Allahu Akbar“ gerufen und auf die Beamten geschossen haben. Er selbst wurde auf der Stelle erschossen.

Die Regierung von Emmanuel Macron hat den schrecklichen Mord an Paty sofort ausgenutzt, um ihre anti-muslimische Hetzkampagne zu verschärfen. Sie erklärte, der Anschlag verdeutliche die Notwendigkeit des bereits vorgeschlagenen Gesetzes gegen islamischen „Separatismus“, das am 9. Dezember dem Parlament vorgelegt wird. Angesichts der Ereignisse ist damit zu rechnen, dass es nun noch weiter verschärft wird.

Es umfasst ein Verbot islamischer Schulen, an denen Mädchen Kopftuch tragen, aber keine vergleichbaren Einschränkungen für christliche Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus gibt es dem Staat enorme Vollmachten: Er kann z. B. sämtliche Vereinigungen aufzulösen, die sich nicht zu den „republikanischen Werten“ bekennen, die vom Premierminister festgelegt werden.

Ansonow wurde anscheinend von Videos in den sozialen Medien zur Tat motiviert. In einem davon behauptete der Vater eines Schülers von Paty, der Lehrer habe den Islam angegriffen und seine muslimischen Schüler beleidigt und diskriminiert.

Am 5. Oktober hatte Paty in seiner Klasse angekündigt, er werde am nächsten Tag im Rahmen einer Debatte über Meinungsfreiheit ein Bild aus dem Magazin Charlie Hebdo zeigen. Dieses Bild, das einen nackten Mohammed zeigt, ist typisch für die anti-muslimischen Provokationen, auf die das Magazin spezialisiert ist. Paty hatte angekündigt, die Schüler könnten sich wegdrehen oder das Klassenzimmer verlassen, wenn sie das Bild zu beleidigend finden und nicht sehen wollten.

Am Freitagabend versuchte Macron, seine Regierung als moralische Verteidigerin „republikanischer“ Werte und der freien Meinungsäußerung darzustellen, die vom Islam bedroht werden: „Es ist kein Zufall, dass heute Abend ein Lehrer von einem Terroristen getötet wurde. Dieser wollte die Werte der Republik töten, ihre Aufklärung, die Möglichkeit, unsere Kinder – wo auch immer sie herkommen, woran sie glauben oder nicht glauben, oder welcher Religion sie angehören – zu freien Bürgern zu machen. Das ist unser Kampf, und er ist von existenzieller Bedeutung.“

Er fügte hinzu: „Damit werden sie nicht durchkommen. Der Obskurantismus und die Gewalt, die damit einhergehen, werden nicht siegreich sein.“ Er forderte „alle Landsleute“ dazu auf, „einen Block zu bilden, ohne Unterschied vereint zu sein“.

Es ist schwer zu beschreiben, wie heuchlerisch die Versuche Macrons sind, sich als Bollwerk demokratischer Traditionen und der Meinungsfreiheit zu inszenieren. Seine Regierung ist wohl vor allem dafür bekannt, dass sie von internationalen Menschenrechtsorganisationen für die Brutalität ihrer Polizei verurteilt wurde sowie für die Videos von Bereitschaftspolizisten, die mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstrationen der „Gelbwesten“ vorgehen. Macrons Regierung ist an imperialistischen Kriegen in der Sahelzone und dem Nahen Osten beteiligt und lässt vorsätzlich Tausende von Flüchtlingen beim Versuch, Europa mit Booten zu erreichen, im Mittelmeer ertrinken.

Was die „Meinungsfreiheit“ angeht, so hat die Macron-Regierung Journalisten der Organisation Disclose verfolgt, die illegale französische Waffenlieferungen an Saudi-Arabien enthüllt haben. Saudi-Arabien führt einen Krieg gegen die verarmte Bevölkerung des Jemen, durch den schon Zehntausende Zivilisten getötet wurden. Das Gesetz gegen „Separatismus“ ist nur das jüngste in einer Hetzkampagne, die in Frankreich eine Atmosphäre andauernder Muslimfeindlichkeit geschaffen hat. Diese Kampagne wurde sowohl von Regierungen der Sozialistischen Partei (Parti socialiste, PS) als auch der rechten Republikaner (LR) vorangetrieben. Dazu gehörten auch das Verbot islamischer Kopftücher im Jahr 2004 und das Burka-Verbot auf öffentlichen Plätzen im Jahr 2010.

Marine Le Pens rechtsextreme Rassemblement National nahmen Macrons Äußerungen sofort zum Anlass, härtere Maßnahmen gegen Migranten und Muslime zu fordern. Als Antwort auf Macrons Behauptung, sie „werden damit nicht durchkommen“, twitterte Le Pen: „Sie sind bereits hier.“

Das ganze politische Establishment – von Jean-Luc Mélenchons Bewegung La France Insoumise (LFI) bis hin zur Sozialistischen Partei und den Republikanern – hat sich Macrons heuchlerischer Forderung nach „nationaler Einheit“ angeschlossen.

Am Sonntag nahmen Premierminister Jean Castex und weitere Minister sowie Vertreter aller großen Parteien, einschließlich der LFI, der PS und LR, in Paris an einer Kundgebung mit mehreren tausend Menschen teil. Weitere Kundgebungen mit mehreren hunderten oder mehreren tausend Teilnehmern, die ihre Unterstützung für Samuel Paty zeigen wollten, fanden in den größten Städten des Landes statt.

Die herrschende Elite versucht, die Empörung der Bevölkerung über den Terroranschlag auszunutzen, um Unterstützung für Macrons reaktionäres Programm zu gewinnen und eine Atmosphäre anti-muslimischer Hysterie zu schüren.

Der ehemalige Premierminister unter der PS-Regierung, Bernard Cazeneuve, machte in einem Interview mit Le Parisien „bestimmte politische Gruppierungen, deren gewählte Vertreter sich kompromittiert haben, um Stimmen bei den Kommunalwahlen zu erhalten“ und „islamistische Sympathien innerhalb der Linken für gewisse kommunalistische Organisationen, mit denen sie eine Ablehnung oder sogar eine Form von Hass auf die Republik teilen“, für den Anschlag verantwortlich.

Der ehemalige Innenminister in der PS-Regierung von Francois Hollande, Manuel Valls, teilte einen Tweet der rechtsextremen Kommentatorin Céline Pia, in dem es hieß, sie werde nicht an den Kundgebungen in Paris teilnehmen, weil die Organisatoren „größtenteils der Linken angehören, die zu Islam-Linken geworden sind“. Valls erklärte, er teile „viele von Pias Ansichten“, werde aber dennoch an der Kundgebung teilnehmen. Er teilte außerdem einen Aufruf, die legale Organisation „Bündnis gegen Islamophobie“ in Frankreich aufzulösen.

Jean-Luc Mélenchon stellte am Samstag in einem Interview mit BFMTV einen Zusammenhang zwischen dem Terroranschlag am Freitag und Vorfällen von Bandenkriminalität in Dijon während der letzten Monate her, da in beiden Fällen Menschen aus Tschetschenien beteiligt gewesen seien. Auf die Frage, ob er Macrons Aufruf zu einem nationalen „Block“ unterstützt, antwortete Mélenchon: „Natürlich... Wenn das Staatsoberhaupt zur nationalen Einheit aufruft, ist das nützlich, weil die Terroristen uns spalten wollen.“

Mélenchon fügte hinzu, er habe beschlossen, das islamfeindliche Separatismusgesetz der Macron-Regierung zu unterstützen: „Beim nächsten Gesetz, das kommen wird, werden wir – da es jetzt ,Gesetz zur Stärkung des Säkularismus‘ genannt wird – effiziente Maßnahmen treffen müssen, um die Möglichkeit zu unterbinden, dass diese Leute sich in Gruppen zusammenschließen.“

Es bleiben viele offene Fragen darüber, wie der Mord an Paty möglich war. Vor seinem Tod fand mehr als eine Woche lang eine aktive Kampagne in den sozialen Medien gegen ihn statt. Der bereits genannte Vater eines Schülers hatte Klage gegen Paty eingereicht, weil dieser pornografische Bilder verbreitet habe, woraufhin Paty ihn wegen Verleumdung verklagt hatte.

Der Islamist Abdelhakim Sefrioui, der unter den Augen der französischen Geheimdienste operiert, hat öffentlich gefordert, dass Paty aus dem Dienst ausscheidet, und ihn in mehreren Videos angegriffen. Dennoch wurden anscheinend keine Maßnahmen zum Schutz Patys oder der Schule ergriffen. Bei den Terroranschlägen der jüngeren Vergangenheit in Frankreich wurde anschließend immer wieder enthüllt, dass die Angreifer den französischen Geheimdiensten entweder bekannt waren oder sogar überwacht wurden.

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