Am Dienstag, dem zweiten Tag der Democratic National Convention, nominierte die Demokratische Partei offiziell Joe Biden als ihren Präsidentschaftskandidaten für die diesjährige Wahl. Der Nominierungsparteitag ist ein konzertiertes politisches Schauspiel voller abgedroschener Klischees und leerer Rhetorik.
Besonders bemerkenswert war, dass die Demokraten am Dienstag ein Statement des ehemaligen Generals Colin Powell sowie ein Video über die „ungleiche Freundschaft“ zwischen Biden und dem ehemaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten und Senator John McCain einspielten.
Eine Regierung unter einem Präsidenten Biden und einer Vizepräsidentin Harris wäre bereit, Krieg zu führen – das ist die Botschaft der Demokraten.
Powell, früher Außenminister unter George W. Bush, erklärte, dass Biden als „Oberbefehlshaber“ der Nation „unseren Geheimdiensten vertrauen“ und „unseren Gegnern mit Stärke und Erfahrung die Stirn bieten“ werde. „Sie werden verstehen, dass wir es ernst meinen.“
Niemand anderes als Powell steht für die Lügen der Bush-Regierung, die fabriziert wurden, um den Einmarsch im Irak zu rechtfertigen. Am 5. Februar 2003 trat Powell vor den Vereinten Nationen auf und behauptete, dass die irakische Regierung im Besitz von „Massenvernichtungswaffen“ sei. Powell wusste, dass das eine Lüge war. Sein Auftritt war der Höhepunkt in der Kampagne der Bush-Regierung, die eine unprovozierte Invasion im Irak rechtfertigen sollte. Dieses schreckliche Kriegsverbrechen führte zum Tod von Hunderttausenden Menschen und zerstörte eines der fortschrittlichsten Länder im Nahen Osten.
Zu den entsetzlichen Gräueltaten des Irakkriegs gehörten die Gefangenenfolter in Abu Ghraib, die Zerstörung von Falludscha und das Massaker an der Zivilbevölkerung von Haditha im November 2005. Auch die amerikanische Gesellschaft litt unter den schrecklichen Kriegsfolgen. Fast 4.500 Soldaten starben und Zehntausende weitere wurden verstümmelt.
Vor Powell sprach John Kerry, der ehemalige Außenminister unter Barack Obama. Kerry spielte eine wesentliche Rolle bei der Regimewechsel-Operation in der Ukraine 2014, unter Führung faschistischer Gruppen, und beim Bürgerkrieg in Syrien, der von den USA unterstützt wurde. In seiner Rede prangerte Kerry Trumps Außenpolitik an, wobei er sich besonders auf die Haltung gegenüber Russland konzentrierte, die von Militär und Geheimdiensten als zu wenig aggressiv eingestuft wird. „Unsere Interessen“, sagte Kerry, „können sich vier weitere Jahre Donald Trump nicht leisten.“
Kerry pries Bidens starken „moralischen Kompass“, was er mit dessen Unterstützung für den Jugoslawienkrieg in den späten 1990er Jahren belegte. Er vermied allerdings jeden Hinweis darauf, dass Biden für die Invasion des Irak gestimmt hatte.
Auf Kerry folgte ein Videobeitrag mit dem Republikaner Chuck Hagel und einigen Karrierediplomaten der Republikaner und Demokraten, darunter Brett McGurk (der dienstälteste zivile Berater, der unter Bush und Obama eine wichtige Funktion in den Kriegen im Irak und in Syrien hatte); Marie Yovanovitch (US-Botschafterin in der Ukraine unter Trump und Zeugin im Amtsenthebungsverfahren letztes Jahr); Jack Weinstein (hochrangiger US-Luftwaffenoffizier im Nuklearwaffenbereich der Armee); und Rose Gottemoeller (ehemalige stellvertretende Generalsekretärin der Nato bis 2019).
In dem Video erklären sie, dass Biden „die harten Entscheidungen getroffen habe“ (Yovanovitch bezieht sich hier auf die Operation der Obama-Regierung in der Ukraine) und dass es „niemanden gibt, der qualifizierter wäre ..., um am Kopfende des Tischs im White House Situation Room [Lagebesprechungsraum der Regierung] zu sitzen“ (Hagel). Sie kritisierten Trump dafür, dass er „ein Liebesfest mit Diktatoren“ (Gottemoeller, mit Bezug auf Russland) feiern würde und „eine Gefahr für die nationale Sicherheit“ (McGurk) sei.
Nachdem Powell gesprochen hatte, zeigten die Demokraten den Clip über Bidens „ungleiche Freundschaft“ mit McCain, einem der schärfsten Kriegstreiber im US-Senat, der vor seinem Tod 2018 ständig für eine aggressive Haltung gegen den Iran, Russland und China eintrat. Obwohl sie verschiedenen Parteien angehörten, amüsierten sich die beiden auf gemeinsamen Dinnerpartys im Garten, wie McCains Tochter Cindy schilderte.
Man hat den Eindruck, dass die Demokraten sofort die Chance ergreifen würden, wenn sie George W. Bush oder John Bolton als Redner auf dem Kongress gewinnen könnten. Vielleicht steht das noch bevor.
Die Ereignisse am Dienstag haben den Charakter der Kampagne der Demokratischen Partei und ihrer Opposition gegen Trump klar gezeigt. Hinter all den Aufrufen nach einer breiten „Einheit“ gegen Trump, die den Kongress dominierten, steht in Wirklichkeit der Appell der Demokraten an das Militär, die Wall Street und Teile der Republikanischen Partei. Sie versuchen in diesen Kreisen Unterstützung mit dem Argument gewinnen, dass Trump die Interessen der herrschenden Klasse im Ausland nicht vernünftig verteidigen kann.
Die WSWS hat wiederholt betont, dass es sich bei diesen Auseinandersetzungen im Staatsapparat um einen Konflikt innerhalb der herrschenden Klasse über Fragen der Außenpolitik handelt. In den letzten knapp vier Jahren haben die Demokraten daran gearbeitet, jeglichen Widerstand in der Bevölkerung gegen die Trump-Regierung zu unterdrücken und hinter die reaktionäre Kampagne für eine aggressivere Außenpolitik im Nahen Osten und gegen Russland zu lenken.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Neben der Wall Street und den Geheimdiensten ist das Militär die wichtigste Wählerbasis der Demokraten. Immer wieder haben die Demokraten die Opposition gegen Trump dem Militär und den Generälen überlassen, auch als Trump am 1. Juni seinen Putschversuch inszenierte. Er drohte damit, den Insurrection Act zu nutzen und brandmarkte die Proteste gegen Polizeigewalt als „terroristisch“.
In allen zentralen Fragen der Klassenpolitik – Erhöhung der Militärausgaben, Steuersenkungen für die Reichen, Angriffe auf Immigranten – arbeiteten die Demokraten mit Trump jederzeit zusammen. Dabei haben sie die große Gefahr, die die Trump-Regierung für die Arbeiterklasse darstellt, immer wieder heruntergespielt und vertuscht.
Welche Sorgen die herrschende Klasse umtreibt, zeigt die jüngste Ausgabe von Foreign Affairs, einer führenden Zeitschrift der amerikanischen Geopolitik. Der Autor befürchtet, dass Historiker Trumps Außenpolitik nicht positiv beurteilen werden. Foreign Affairs schreibt: „Nach fast vier Jahren Turbulenzen sind die Feinde unseres Landes stärker, die Freunde schwächer und die Vereinigten Staaten zunehmend isoliert und am Boden.“
Der Versuch der Demokraten, die Opposition gegen Trump hinter das Militär und die Geheimdienste zu kanalisieren, lässt sich ohne Probleme mit der Identitätspolitik vereinbaren, die ebenfalls den Wahlkampf dominieren wird und bereits im Mittelpunkt des Kongresses stand. Die Darstellung des Wahlantritts der Demokratischen Partei als „historisch“ beruht einzig und allein auf der Person Kamala Harris. Die ehemalige Staatsanwältin – eine begeisterte Unterstützerin der Wall Street – wäre die erste afroamerikanische „Oberbefehlshaberin“, wenn sie Präsidentin werden sollte.
Die Wahlen 2020 sind ein Wettkampf zwischen zwei reaktionären Fraktionen der herrschenden Klasse: Trump und die Demokraten.
Die Socialist Equality Party orientiert sich in ihrem Wahlkampf an der Entwicklung des Klassenkampfs. Infolge der Pandemie wächst der soziale Unmut unter Arbeitern, die wieder in die Betriebe gezwungen werden, unter Lehrern, die zurück in die Schulen müssen, unter Millionen Arbeitslosen, die in die Armut getrieben werden und denen die Zwangsräumung droht.
Die kommenden Wochen und Monate dürfen nicht für den Wahlkampf von Biden und Harris verschwendet werden, sondern müssen dazu dienen, diese Kämpfe der Arbeiter zu organisieren und in einer sozialen und politischen Massenbewegung gegen die gesamte herrschende Klasse und das kapitalistische System zu vereinen.