Perspektive

Trumps illegale Machtaneignung und das Gespenst des amerikanischen Bonapartismus

Am Samstag hat US-Präsident Donald Trump eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, die ein neues Stadium seiner Bestrebungen markieren, alle verfassungsmäßigen Beschränkungen der Macht des Präsidenten abzuschaffen. Anlass ist das Ende der Arbeitslosenunterstützung aus Bundesmitteln.

Trump kündigte eine Stundung der Lohnsteuer an, wodurch der Sozialversicherung Mittel entzogen würden, sowie die Verlängerung der zusätzlichen Arbeitslosenunterstützung aus Bundesmitteln auf einem viel niedrigeren Niveau.

Der Kongress hatte die Sonder-Arbeitslosenhilfe des Bundes vor mehr als zwei Wochen auslaufen lassen, was die 16 Millionen arbeitslosen Arbeiter und ihre Familien in Armut stürzte. Das Auslaufen der Arbeitslosenhilfe aus Bundesmitteln in Höhe von 600 Dollar pro Woche bedeutet, dass die wöchentliche Unterstützung auf die Höhe der Leistungen der einzelnen Bundesstaaten gesunken ist, die weniger als 300 Dollar betragen kann.

Trumps Maßnahmen sind ein illegaler Eingriff in die Befugnisse des Kongresses. In der Verfassung heißt es, „der Kongress hat das Recht, Steuern auf Einkommen beliebiger Herkunft zu legen und einzuziehen [...] und für das [...] Allgemeinwohl der Vereinigten Staaten zu sorgen“.

Dass Trump die Hoheit des Kongresses über Steuern und Ausgaben usurpiert, ist der jüngste Akt in einer Reihe verfassungswidriger Maßnahmen. Im Februar letzten Jahres hatte Trump den Ausnahmezustand verhängt, um unter Missachtung des Kongresses Gelder des Pentagon zweckentfremdet für den Aufbau seines Unterdrückungsapparats an der Grenze zu Mexiko einzusetzen.

Angesichts von Massenprotesten gegen Polizeigewalt drohte Trump im Juni damit, sich auf den Insurrection Act (Aufstandsgesetz) zu berufen und das Militär im ganzen Land einzusetzen. Als Teile des Militärs diesem Putschversuch Widerstand leisteten, weil sie befürchteten, er sei nicht ausreichend vorbereitet und würde eine soziale Explosion auslösen, schickte Trump stattdessen Bundesgrenzschutzbeamte nach Portland (Oregon), wo sie auf Demonstranten einschlugen und sie in nicht gekennzeichneten Fahrzeugen verschleppten.

Bei der Ankündigung der neuen Maßnahmen präsentierte sich Trump als Vermittler der Blockade im Kongress. Trump erklärte: „Politische Spielchen, die das Leben der Amerikaner schädigen, sind inakzeptabel, besonders während einer globalen Pandemie, und deshalb ergreife ich Maßnahmen, um den Amerikanern finanzielle Sicherheit zu bieten.“ Auf die Frage, ob er „versucht, einen neuen Präzedenzfall zu schaffen, mit dem der Präsident den Kongress umgehen kann“, antwortete Trump: „Der Kongress hat ... die Menschen daran gehindert, dringend benötigtes Geld zu erhalten.“

Trumps Maßnahmen tragen die Merkmale des Bonapartismus. Der Begriff leitet sich ab vom historischen Vorbild des berühmten französischen Generals, der Frankreich 15 Jahre lang als Diktator regierte. In seiner modernen Verwendung kennzeichnet er eine politische Situation, die in einer Zeit akuter sozialer Spannungen entsteht, in der die traditionellen Normen der bürgerlichen Demokratie dysfunktional werden. Die Exekutive des kapitalistischen Staates – in den USA der Präsident – nutzt die Pattsituation aus, um seine Macht zu vergrößern.

Der Bonapartist scheint sich über die Klassen oder die streitenden politischen Fraktionen zu erheben, über die die bürgerliche Politik in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen normalerweise abläuft. Der Präsident stützt sich zunehmend auf die Repressionsorgane des Staates – das Militär, die Polizei, die Geheimdienste und, wenn nötig, paramilitärische Kräfte – und setzt sich als Superschlichter der Konflikte zwischen Fraktionen und Klassen durch. Tatsächlich aber vertritt er eindeutige Klasseninteressen.

Trotzki schrieb über das Phänomen der bonapartistischen Diktaturen in Europa, die vor dem Aufstieg des Faschismus an die Macht kamen:

Wie sein Vorgänger, der Cäsarismus, repräsentiert darum der Bonapartismus, der sich politisch über den Klassen erhebt, im sozialen Sinne immer und jederzeit die Regierung der stärksten und mächtigsten Gruppe der Ausbeuter; folglich kann der heutige Bonapartismus nichts anderes sein als die Regierung des Finanzkapitals, das die Spitzen der Bürokratie, der Polizei, der Offizierskaste und der Presse steuert, inspiriert und korrumpiert.

Trump hat bisher noch keine Diktatur errichtet. Der Immobilien- und Casino-Betrüger hat – ohne militärische Eroberungen, mit denen er prahlen kann – nur begrenzte Qualifikationen, um sich als moderner Bonaparte zu präsentieren. Aber alle seine Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, eine solche Diktatur zu schaffen.

Trumps Machtaneignung wird durch den verlogenen und doppelzüngigen Charakter der Opposition der Demokratischen Partei erleichtert. Die Demokraten präsentieren sich öffentlich voller Mitgefühl für die Notlage der Arbeitslosen, während sie in Wirklichkeit die Interessen der Konzern- und Finanzoligarchie vertreten, die materiell von der Kürzung der Arbeitslosenhilfe profitiert – das sind dieselben Interessen, für die Trump spricht.

Einerseits hat die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wiederholt erklärt, dass sie eine uneingeschränkte Verlängerung der Arbeitslosenhilfe aus Bundesmitteln anstrebt. Auf der anderen Seite stellte der Fraktionsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, letzten Monat einen Gesetzentwurf vor, der laut der New York Times das zusätzliche Arbeitslosengeld „um 100 Dollar kürzen würde, wenn die Arbeitslosenquote [in einem bestimmten Bundesstaat] unter 11 Prozent fällt, und jedes Mal, wenn die Quote um einen weiteren Prozentpunkt fällt, um weitere 100 Dollar“. Angesichts der Tatsache, dass die offizielle Arbeitslosenquote in den USA bereits bei 10,2 Prozent liegt, würde Schumers Vorschlag eine Kürzung der Arbeitslosenunterstützung für die große Mehrheit der Arbeitslosen in den USA bedeuten.

Die New York Times, die wichtigste parteinahe Zeitung der Demokraten, bezeichnete Schumers Gesetzentwurf als „einen intelligenteren Weg, um den Arbeitern die notwendige und zeitnahe Hilfe zukommen zu lassen“.

Die Washington Post, die andere große US-Zeitung, die der Demokratischen Partei nahe steht, forderte eine „Verlängerung der Arbeitslosenunterstützung auf höherem Niveau ohne negativen Anreiz zur Arbeitssuche". Der Begriff „negativer Anreiz“ ist eine indirekte Umschreibung für die Kürzung der Arbeitslosenhilfe, die angeblich die Arbeiter davon abhält, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.

Der ehemalige Vorsitzende des Council of Economic Advisers, Jason Furman, und der ehemalige Finanzminister Timothy Geithner – beide unter Obama – erklärten im vergangenen Monat in der Washington Post, dass „die Verlängerung der wöchentlichen 600 Dollar an Arbeitslosenzusatzleistung, die zu Beginn des Shutdown beschlossenen wurde, jetzt keinen Sinn mehr ergibt“.

In Wirklichkeit unterstützen die Demokraten, die Republikaner im Kongress und Trump trotz der unterschiedlichen politischen Rollen, die sie spielen, dieselbe grundlegende, überparteiliche Politik der herrschenden Klasse in Reaktion auf die Covid-19-Pandemie.

Mitte März, als die Pandemie drohte, eine schwere Finanzkrise bei den überschuldeten US-Banken und Unternehmen auszulösen, verabschiedeten Demokraten und Republikaner fast einstimmig das so genannte CARES-Gesetz. Damit wurde das Rettungspaket für die Wall Street und die Reichen in Höhe von mehreren Billionen Dollar genehmigt. Als es darum ging, den Reichen Geld zukommen zu lassen, löste sich die „Pattsituation“ in Washington plötzlich in Luft auf.

Sobald die massive Rettungsaktion für die Konzerne verabschiedet war, machte sich die herrschende Klasse der USA sofort das Mantra zu eigen, dass „die Heilung nicht schlimmer sein darf als die Krankheit“, und forderte, dass die Arbeiter wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren müssen.

Sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesstaaten gaben schnell selbst die minimalen Anstrengungen zur Eindämmung der Pandemie auf. Mehr als die Hälfte der Gouverneure, darunter die demokratischen Gouverneure von Maine, North Carolina, Kansas und Colorado, fuhren unter Missachtung der Richtlinien der Centers for Disease Control (CDC) die Wirtschaft wieder hoch.

Die vorzeitige Wiedereröffnung von Unternehmen hat zu einem massiven Wiederaufflammen der Pandemie geführt, wodurch jeden Tag mehr als 1.000 Menschen sterben.

Die Kürzung der Arbeitslosenunterstützung ist von entscheidender Bedeutung, um die Arbeiter wieder an die Arbeit zu zwingen. Dies geschieht in Form einer wirtschaftlichen Wehrpflicht, die darauf abzielt, die Arbeitskosten zu senken und die Gewinne der Großunternehmen zu steigern, indem das Leben der Arbeiter und ihrer Familienangehörigen geopfert wird.

Es ist durchaus möglich, dass die demokratischen und republikanischen Kongressabgeordneten sich auf einen Plan zur Verlängerung der Arbeitslosenhilfe verständigen. Um zu einer Einigung zu kommen, könnten sie Trumps Vorschlag nutzen, der eine Kürzung der Leistungen vorsieht, die sie alle für notwendig halten. Dadurch wird jedoch nichts gelöst.

Der Kapitalismus ist unvereinbar mit den Bedürfnissen der Gesellschaft und genauso unvereinbar mit demokratischen Herrschaftsformen. Jede fortschrittliche Lösung für die Katastrophe der um sich greifenden Pandemie und der sozialen Katastrophe, in die die Vereinigten Staaten versinken, hängt von der unabhängigen Intervention der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines revolutionären, sozialistischen Programms ab.

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