Perspektive

Portland: Trump probt Polizeistaat

Die Trump-Regierung hat in der Stadt Portland im US-Bundesstaat Oregon eine brutale Polizeistaatsoperation durchgeführt. Sie richtete sich gegen Demonstranten, die wegen Polizeigewalt auf die Straße gingen. Schwer bewaffnete Beamte der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) und anderer Bundesbehörden feuerten mit Tränengas, Gummigeschossen und Schallwaffen in die Menge und verschleppten zahlreiche Teilnehmer. Mindestens ein Protestierender wurde schwer verletzt.

Die Einsatzkräfte fuhren auf Gruppen von Demonstranten zu, zogen Einzelne heraus, zerrten sie in nicht gekennzeichnete Fahrzeuge und brachten sie an unbekannte Orte zum Verhör. Viele dieser Beamten trugen keine Uniformen, sondern militärische Tarnkleidung. Sie konnten daher nicht identifiziert werden. Ein Betroffener erklärte, er wisse nicht, ob es sich tatsächlich um Polizisten gehandelt habe oder um Rechtsextremisten, die mit der Polizei zusammenarbeiten. Die Männer, die ihn festnahmen, trugen Militärkleidung, die lediglich mit einem Aufnäher „Polizei“ versehen war. „Es fühlte sich an wie Faschismus“, sagte er.

Portland ist ein Testfall für die Methoden, die Trump während der Massenproteste wegen des Polizeimords an George Floyd ankündigte. Am 1. Juni 2020 drohte er mit einem Anti-Aufstandsgesetz aus dem Jahr 1807 und beorderte Tausende von Bundespolizisten und Truppen der Nationalgarde nach Washington.

Von den relativ kleinen Protesten in der Innenstadt von Portland ging keinerlei ernst zu nehmende Bedrohung für das Leben oder Eigentum von irgendjemandem aus. Die Demonstranten sprühten lediglich Graffiti, zündeten Feuerwerkskörper und weigerten sich, entsprechend den Aufforderungen der örtlichen Polizei auseinanderzugehen. Bereits seit sieben Wochen kommen in Portland Abend für Abend einige hundert Menschen zusammen. Sie fordern die Streichung öffentlicher Mittel und Reformen für die notorisch gewalttätige und repressive Polizeibehörde der Stadt.

Trump nahm diese Proteste zum Anlass, neue brutale Repressionsmethoden zu erproben. Seine Wahl fiel u. a. deshalb auf Portland, weil die Stadt von den Demokraten regiert wird. Und so drängte Trump bereits letzte Woche den amtierenden Heimatschutzminister Chad Wolf, in Portland zu intervenieren. Wolf reiste am 16. Juli an, um das provokative Vorgehen vor Ort zu überwachen. Er sprach von „gewalttätigen Anarchisten“ und warf den örtlichen Behörden vor, „ein Umfeld zu fördern, das fortlaufend diese Art von Gesetzlosigkeit hervorbringt“.

Zwei Bundesgebäude im Stadtzentrum wurden mit Bundespolizisten besetzt. Diese Gebäude grenzen an das örtliche Gericht, auf das sich die abendlichen Proteste konzentrierten. Die Speerspitze des Angriffs bildete die BORTAC, eine Spezialeinheit der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP). Und das, obwohl Portland 400 Meilen von der nächsten US-Grenze entfernt liegt. Außerdem eingesetzt wurden Beamte der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE), der Verkehrssicherheitsbehörde, des US Marshals Service (der Bundesgerichte bewacht), der Küstenwache und des Federal Protective Service (der Bundesgebäude bewacht).

Die Bürgerrechtsvereinigung American Civil Liberties Union (ACLU) hat in Oregon Klage gegen das Heimatschutzministerium und den US Marshals Service eingereicht. Der Vorwurf lautet auf „wahllosen Einsatz von Tränengas, Gummigeschossen und Schallwaffen“. Ein ACLU-Sprecher erklärte: „Wenn Menschen gewaltsam von der Straße in nicht gekennzeichnete Fahrzeuge gezerrt werden, dann nennt man das für gewöhnlich Kidnapping. Das Vorgehen der militarisierten Bundesbeamten ist völlig verfassungswidrig und wird nicht unbeantwortet bleiben.“

Die Sicherheitskräfte des Bundes verletzten nicht nur die verfassungsmäßigen Rechte der Demonstranten, sondern maßen sich auch widerrechtlich Befugnisse an, die eigentlich bei den Regierungen auf kommunaler und bundesstaatlicher Ebene angesiedelt sind. Zwei Senatoren und zwei Kongressabgeordnete aus Oregon bezeichnen die Intervention in einem öffentlichen Schreiben als „nach unserer Verfassung inakzeptabel“. „Menschen ohne ersichtlichen Grund von der Straße zu zerren“ sei eine Vorgehensweise, „die eher der Taktik einer von einem Diktator geführten Regierung entspricht“.

Die Justizministerin von Oregon, Ellen Rosenblum, hat Klage eingereicht und eine einstweilige Verfügung gegen weitere Verhaftungen beantragt. Gouverneurin Kate Brown verlangt den Abzug aller Bundesbeamten aus Portland. Der Bürgermeister der Stadt, Ted Wheeler, sagte am Sonntag: „Ihre Anwesenheit führt zu mehr Gewalt und mehr Vandalismus. Und das tut der Lage keineswegs gut. Sie sind hier nicht erwünscht.“

Wie aus den Äußerungen Wheelers hervorgeht, befürchten die Demokraten, dass durch die Intervention der Bundesagenten eine Situation aus dem Ruder läuft, die sie lieber mithilfe der örtlichen Polizei bewältigen würden. Wheeler, ein Multimillionär, war bereits als „Tränengas-Ted“ bekannt, bevor die Bundesbeamten geschickt wurden, um die einheimischen Cops abzulösen.

Laut Bundesbezirksrichter Marco Hernández, der sich zur Klage einer Protestorganisation äußerte, gibt es „Beweise dafür, dass Beamte die verfassungsmäßigen Rechte friedlicher Demonstranten verletzt haben“ und dass mindestens ein Protestierender „Gummigeschossen, Tränengas und einem Knall aus nächster Nähe ausgesetzt war“, obwohl er den Anordnungen der Polizeibehörde von Portland Folge leistete.

Trump betrachtet Portland als Muster für ähnliche Aktionen in anderen Städten. In einem internen Memorandum des Heimatschutzministeriums, das der New York Times vorliegt, ist von der Notwendigkeit die Rede, sich auf „künftige Zusammenstöße (von Bundespolizisten) mit Demonstranten in anderen Städten“ vorzubereiten.

Entsprechend äußerten sich Trump und einer seiner Top-Berater, der fanatische Ausländerfeind Stephen Miller, in der vergangenen Woche. Sie drohten mit einer Intervention des Bundes gegen den „Zusammenbruch von Recht und Ordnung“ in einer Reihe von Städten, die von den Demokraten regiert werden. Sie nannten in diesem Zusammenhang die drei größten Städte der USA: Chicago, New York und Los Angeles. In typisch demagogischer Manier erklärte Trump in der Sendung Fox News Sunday, dass „wir Portland verlieren könnten“, wenn er auf die Intervention des Bundes verzichte.

Es ist kein Zufall, dass Trump ausgerechnet auf die Zoll- und Grenzschutzbehörde CBP und die Spezialeinheit des Justizministeriums BORTAC zurückgegriffen hat. Als er im Juni den Einsatz des Militärs gegen Demonstranten forderte, scheiterte dies nicht an der Opposition der Demokraten, denn eine solche Opposition gab es nicht. Doch das Pentagon hielt ein militärisches Vorgehen für politisch nicht gut vorbereitet und übermäßig riskant. In seinen Augen drohte eine massive politische Gegenreaktion.

Mit der CBP hingegen steht Trump eine Behörde zur Verfügung, die eine offen faschistische „Kultur“ pflegt. Dies geht aus Berichten über interne Facebook-Gruppen hervor, in denen Tausende von CBP-Beamten rassistische und antidemokratische Messages austauschen. Vergangene Woche musste das CBP vier Mitarbeiter entlassen und Dutzende andere suspendieren, weil sie an diesen Gruppen teilgenommen hatten. Aufgefallen war insbesondere eine Gruppe namens „I‘m 10–15", ein Code für „Ausländer in Haft“, zu deren 9.000 Mitgliedern auch Spitzenbeamte zählten.

Trump hat wiederholt auf der Grundlage von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antikommunismus um Unterstützung bei der Polizei geworben. Im vergangenen Herbst hielt er in Minneapolis eine Kundgebung ab, zu der sich massenhaft Polizisten einfanden, und geiferte dort gegen die sogenannte „radikale Linke“. Acht Monate später setzte der Polizist Derek Chauvin aus Minneapolis Trumps Grundsätze in die Tat um und erdrosselte George Floyd, indem er ihm minutenlang das Knie in den Nacken drückte.

Trumps Regierung steckt in einer verheerenden Krise. Ursachen sind ihre grobe Fahrlässigkeit und ihr vorsätzliches Fehlverhalten bei der Coronavirus-Pandemie, der Anstieg der Arbeitslosigkeit auf das Niveau der Großen Depression und die Massenproteste gegen die Polizeigewalt nach der Ermordung von George Floyd. In ihrer Verzweiflung greift die Trump-Administration zu diktatorischen Maßnahmen.

In seinem Interview in Fox News Sunday verweigerte Trump erneut die Antwort auf die Frage, ob er die Ergebnisse der Wahl vom 3. November akzeptieren wird. Denn die Umfragen zeigen, dass die Unterstützung sowohl für die Republikanische Partei als auch für Trump persönlich massiv eingebrochen ist. Der Einsatz brutaler Gewalt in Portland zeigt, mit welchen Methoden Trump seine Macht gegen seinen Hauptfeind, die amerikanische Arbeiterklasse, verteidigen will.

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