Am Montag haben Regierungen in ganz Europa Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zurückgenommen, Schulen und Geschäfte wieder geöffnet und Millionen Arbeiter wieder an die Arbeit geschickt. Dabei breitet sich das tödliche Coronavirus weiter aus. Aus den Regionen, in denen die Ausbreitung bereits unter Kontrolle war, aber die Lockdown-Maßnahmen schon gelockert worden waren, mehren sich die Berichte über neue Infektionen.
In Frankreich werden in den Krankenhäusern etwa 2.800 Patienten beatmet, bisher sind 26.991 Menschen an Covid-19 gestorben. Obwohl die Zahl der Toten am Sonntag in 24 Stunden um 70 angestiegen war, wurde am Montag der achtwöchige Lockdown aufgehoben, der am 17. März in Kraft getreten war. Auch die jüngsten Schüler müssen wieder in die Schule, nicht-systemrelevante Geschäfte haben wieder geöffnet, und nur die Gastronomiebranche bleibt auf Außer-Haus-Service beschränkt.
In Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel letzten Mittwoch gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen, den Lockdown zu beenden. Praktisch überall werden die Schulen und Geschäfte wieder geöffnet. In zahreichen Bundesländern darf bereits wieder in Restaurants gegessen werden. Auch in Österreich haben nicht-systemrelevante Unternehmen wieder aufgemacht. Letzte Woche kehrten die Abschlussklassen in die Schulen zurück.
Der britische Premierminister Boris Johnson rief am Sonntag in einer landesweit übertragenen Fernsehansprache die Arbeiter des Bau- und des Fertigungsgewerbes sowie andere, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, zur Rückkehr an die Arbeit auf. Am Montag veröffentlichte das britische Office of National Statistics Daten, laut denen Bauarbeiter und gering qualifizierte Arbeiter am wahrscheinlichsten an der Krankheit sterben. Ihre Sterblichkeitsrate lag am 20. April bei 21,4 pro 100.000. Ähnlich hoch ist sie bei Sozialarbeitern und Maschinenführern.
Johnson erklärte auch, die Schulen sollten sich auf die Wiedereröffnung vorbereiten, und erklärte, alle Schüler sollten vor Beginn der Sommerferien mindestens bis zu einem Monat in der Schule sein. Die offizielle – und deutlich zu niedrig angesetzte – Zahl der Corona-Toten in Großbritannien stieg am Montag um 268 auf 32.692, dazu kamen fast 4.000 neue gemeldete Fälle.
In Belgien, das die weltweit höchste Sterblichkeitsrate pro Kopf hat (53.800 bestätigte Fälle und 8.761 Tote bei nur elf Millionen Einwohnern), öffneten am Montag die Schulen und Geschäfte wieder. In Italien, wo die statistische Analyse der nationalen Sterblichkeitsrate auf eine reale Zahl der Corona-Todesopfer von mehr als 50.000 hindeutet, sind alle nicht-systemrelevanten Unternehmen bereits seit letztem Montag wieder geöffnet.
In Spanien dürfen die Bewohner zahlreicher Regionen des Landes seit Montag wieder in Restaurants essen, Familienmitglieder besuchen und sich in Gruppen von bis zu zehn Personen versammeln. Die Regierung aus PSOE und pseudolinker Podemos beendet die Eindämmungsmaßnahmen, obwohl das Militär damit rechnet, dass diese Politik zu einer zweiten Virus-Welle in Spanien führen wird. Schon die erste hat 26.744 Todesopfer gefordert.
In Dänemark werden nächste Woche die weiterführenden Schulen wieder geöffnet, Einkaufszentren sind bereits seit Montag wieder geöffnet. In Norwegen begann am Dienstag der Unterricht für alle Klassen, für die Sechs- bis Zehnjährigen war er bereits früher wieder aufgenommen worden. In Finnland werden die Schulen am 14. Mai wieder öffnen. In den Niederlanden kehrten die Abschlussklassen bereits letzte Woche in die Schulen zurück. In Griechenland wurden am Montag alle Geschäfte geöffnet.
Dass in ganz Europa die Masse der Bevölkerung wieder an die Arbeit zurückgeschickt wird, liegt auf einer Linie mit der verbrecherischen Politik der Trump-Regierung in den USA. Sie wird in allen Ländern in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften verwirklicht, die die Rückkehr zur Arbeit durchsetzen und jeden Kampf der Arbeiter gegen die Lockerungen unterbinden.
Genau wie in Amerika geht es auch den herrschenden Klassen in Europa nicht um einen Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Das Ziel ihrer Politik ist es, die Arbeiter wieder in die Betriebe zurück zu zwingen, um trotz der Gefahren für ihr Leben und das ihrer Angehörigen weiter Profite zu erwirtschaften.
Dass die Schulen wiedereröffnet und Kinder, Lehrer und ihre Familien der Krankheit ausgesetzt werden, verdeutlicht die Kriminalität dieser Politik. Kinder werden wieder in die Schule geschickt, damit ihre Eltern wieder arbeiten gehen können. Gleichzeitig warnen Wissenschaftler, dass Schulen Verbreitungswege für die Virusübertragung darstellen. Zudem können Kinder durch das Coronavirus ein seltenes und potenziell tödliches Syndrom, die Kawasaki-Krankheit, entwickeln.
Während die Rückkehr zur Arbeit angelaufen ist, tauchen bereits Beweise auf, dass dies zu einem neuerlichen Anstieg der Fälle führen wird. In Deutschland führten die Medien und das politische Establishment eine systematische Kampagne durch mit dem Ziel, die Gefährlichkeit des Virus zu verharmlosen. Allerdings meldete das Robert-Koch-Institut am Montag, dass die Reproduktionsrate des Virus wieder auf über 1.0 gestiegen ist, was auf eine exponentielle Ausbreitung hindeutet.
In Frankreich wurden am Wochenende in der Dordogne und in Vienne zwei neue Infektionscluster entdeckt. Der Cluster in Vienne (Zentral-Frankreich) trat an einer Schule auf, an der die Lehrer sich schon länger im Gebäude aufhielten, um die Rückkehr der Schüler vorzubereiten. Der französische Bildungsminister Olivier Blanquer erklärte dennoch am gleichen Tag in einem Interview mit dem Journal de Dimanche, alle Kinder in Frankreich sollten diesen Monat an mindestens einem Tag in der Schule sein.
Beispielhaft für den verbrecherischen Charakter der Politik der herrschenden Klasse ist die Macron-Regierung. Sie hat wochenlang behauptet, sie werde die Kontaktbeschränkungen erst beenden, wenn sie über ausreichend Kapazitäten für Massentests und Kontaktverfolgungen verfügt, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Sie schätzte, dass dies mindestens 700.000 Tests pro Woche bedeuten würde, und kündigte an, diese würden bereit stehen, wenn die Lockerungen angeordnet würden. Gesundheitsdirektor Jérôme Salomon hatte die täglichen Testzahlen in die Informationen durch die Regierung aufgenommen.
Doch als die Frist zur Lockerung der Maßnahmen näher kam, wurde dieses Versprechen stillschweigend fallengelassen. Die Regierung hat zwar keine zentralen Angaben zur Anzahl der Tests im Land veröffentlicht, doch eine Analyse des investigativen Flügels von Radio France, die am Dienstag veröffentlicht wurde, kam unter Zusammenfassung lokaler Quellen zu dem Schluss, dass vom 27. April bis zum 3. Mai nur etwa 149.000 Tests durchgeführt worden sind. Das ist weniger als ein Viertel der offiziellen Mindestgrenze der Regierung für eine Lockerung der Maßnahmen.
Mit anderen Worten, die Eindämmungsmaßnahmen wurden nicht gelockert, weil die Bedingungen eines zuvor ausgearbeiteten wissenschaftlichen Plans für die Bekämpfung des Virus erfüllt wurden. Die Lockerungen wurden vielmehr von der Wirtschaftspolitik der Regierung bestimmt. Es wurde ein passender verlogener Vorwand erfunden, und als sich selbst diese Fassade nicht mehr halten ließ, wurde er fallen gelassen.
Von Anfang an haben die europäischen herrschenden Klassen und ihre Pendants im Rest der Welt die Pandemie nicht als Krise der Gesundheitsversorgung behandelt, sondern als Marktereignis. Sie führen keinen Kampf zur Rettung von Menschenleben, sondern zum Schutz der Unternehmensprofite.
Während die nationalen Regierungen für die Großkonzerne Rettungspakete im Wert von Hunderten Milliarden Euro organisiert haben, beschloss die Europäische Zentralbank im März, bis Ende des Jahres 2020 für 750 Milliarden Euro Anleihepapiere von Konzernen und nationalen Regierungen aufzukaufen, um die Aktienmärkte zu stärken.
Seither wurden die Mittel zum Ankauf von Wertpapieren auf 1,1 Billionen Euro erhöht. Während die Wirtschafts- und Finanzelite vor allen Verlusten geschützt wird, gehen wertlose Papiere im Wert von Hunderten Milliarden Euro direkt von den Büchern der Konzerne und Banken in die Bestände der Zentralbanken über. Die herrschende Klasse wird versuchen, die Arbeiterklasse mit brutalen Kürzungen bei ihren Arbeitsplätzen und Lebensbedingungen dafür bezahlen zu lassen.
Die Lockerungen in ganz Europa bedeuten, dass die herrschende Klasse wissentlich eine Politik umsetzt, die zu Zehntausenden oder sogar Hunderttausenden Toten führen wird.