Massenarbeitslosigkeit in den USA

Eine gestern von der amerikanischen Regierung veröffentlichte Statistik offenbart für den Monat April eine Massenarbeitslosigkeit, wie es sie seit der Großen Depression in den 1930er Jahren nicht mehr gegeben hat. Die offizielle Arbeitslosenquote stieg auf 14,7 Prozent. Laut dem Arbeitsministerium gingen im April 20,5 Millionen Arbeitsplätze verloren – mehr als jemals zuvor in einem solchen Zeitraum.

Anders betrachtet ergibt sich folgendes Bild: Die bisher abgebauten Arbeitsplätze ergeben zusammengenommen die gesamte Belegschaft von 25 US-Bundesstaaten. Es gingen 38 Mal so viele Arbeitsplätze verloren wie im November 2008, als die letzte Finanzkrise über das Land hereinbrach.

Da die offiziellen Zahlen für den April auf einer Analyse der Lage zur Monatsmitte beruhen, sieht es in Wirklichkeit noch weit schlimmer aus. Einem Bericht von Forbes Thursday zufolge, „liegt die Arbeitslosenzahl im Land bei 40,6 Millionen, was 24,9 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung entspricht. Das ist vergleichbar mit dem schlimmsten Jahr während der Großen Depression. Es ist jedoch unklar, wie viele erst gar keinen Antrag auf Arbeitslosenunterstützung stellen konnten.“

Die wirtschaftliche Katastrophe wird noch dadurch verschärft, dass sich die Regierung unter Präsident Donald Trump weigert, den Arbeitslosen mehr finanzielle Unterstützung zu gewähren. Banken und Großkonzerne erhielten umgehend Zahlungen in Billionenhöhe. Nun nutzt die herrschende Klasse die soziale Not aus, um den Widerstand in der Bevölkerung zu brechen, trotz der Coronavirus-Pandemie wieder an die Arbeit zurück zu kehren.

Viele, die bereits im Niedriglohnsektor arbeiten und von der Hand in den Mund leben, wurden vollkommen mittellos zurückgelassen. Da die staatlichen Systeme zur Arbeitslosenunterstützung überlastet und zudem veraltet sind, konnten Leistungen nicht rechtzeitig ausgezahlt werden.

Hunderte Menschen stehen um Lebensmittel an. St. Mary's Church in Waltham, Massachusetts, 7. Mai 2020. (AP Photo/Charles Krupa)

Auch in einem schockierenden Bericht des Hamilton-Projekts, das an die amerikanische Denkfabrik Brookings Institution angeschlossen ist, wird festgestellt, dass 20 Prozent der Haushalte und über 40 Prozent der Mütter mit Kindern unter 13 Jahren in den USA unter Ernährungsunsicherheit leiden.

Die Zahl der durch Covid-19 verursachten Todesfälle in den USA wird voraussichtlich auf über 75.000 steigen, da sich die Pandemie in ländlichen Gebieten ausbreitet, wo die Bevölkerung häufig ärmer und durchschnittlich älter ist. Außerdem fehlt es dort an einer ausgebauten Gesundheitsinfrastruktur. Gerade Bundesstaaten wie Mississippi, Nebraska und Georgia, die die sozialen Distanzierungsmaßnamen lockern oder abschaffen wollen, sind davon betroffen.

In der vergangenen Woche gab es zusätzlich 3,2 Millionen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, womit sich die Zahl der seit dem Ausbruch der Pandemie eingegangenen Anträge auf 33 Millionen erhöht hat.

Doch diese Zahlen spiegeln das wahre Ausmaß der Katastrophe bei Weitem nicht wider. Die Denkfabrik Economic Policy Institute berichtete, dass auf 100 Arbeiternehmer, die einen Antrag auf Arbeitslosenunterstützung stellen konnten, 37 weitere kommen, denen das gar nicht erst gelang.

Bereits vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie war die Wirtschaft durch eine Rezession bzw. Depression stark angeschlagen. Die Krise ist für Unternehmen nun ein willkommener Anlass, Umstrukturierungen durchzuführen und Arbeitsplätze zu vernichten. Führende Produzenten, darunter Boeing, GE Aircraft und US Steel, haben bereits einen massiven Stellenabbau angekündigt.

Das Outplacement-Unternehmen Challenger, Gray & Christmas, das Beratungs- und Vermittlungsdienste für entlassene Arbeitnehmer anbietet, veröffentlichte am Donnerstag einen Bericht über den Stellenabbau. Daraus geht hervor, dass die Arbeitergeber für den April 671.129 Stellenstreichungen angekündigt haben, im März waren es im Vergleich dazu 222.288. Im Vergleich zum April des Vorjahres, als 40.024 Stellenstreichungen bekannt gegeben wurden, ist das eine Steigerung um 1.577 Prozent.

Die meisten Jobs, nämlich 84.738, wurden in New York gestrichen. In Florida waren es 71.138, in Texas 70.318, in Minnesota 57.192 und in Kalifornien 55.077.

Die Fluggesellschaft United Airlines kündigte diese Woche an, 30 Prozent ihrer leitenden Positionen zu streichen, wenn voraussichtlich im Oktober die von der Regierung auferlegten Beschränkungen auslaufen. Diese musste das Unternehmen im Gegenzug für Lohn- und Gehaltshilfen von der US-Regierung akzeptieren. Insgesamt werden dadurch 3.500 Arbeitsplätze abgebaut. Darüber hinaus verlangt United Airlines von seinen Managern und Verwaltungsangestellten, zwischen Mitte Mai und Ende September 20 Tage unbezahlten Urlaub zu nehmen. Anfang dieser Woche erklärte United zudem, bis zum 1. Oktober mehr als ein Drittel seiner 4.457 Piloten zu entlassen. Weitere Fluggesellschaften werden vermutlich ähnliche Maßnahmen treffen.

Am Donnerstag meldete die Kaufhauskette Neiman Marcus Konkurs an, die im März aufgrund der Coronavirus-Pandemie vorübergehend alle 43 Geschäfte geschlossen hatte. Bereits zu Beginn der Woche meldete das Einzelhandelsunternehmen J. Crew an, ebenfalls Insolvenz an. Andere Einzelhandelsketten wie Lord & Taylor und J.C. Penney gelten als gefährdet.

Airbnb gab bekannt, dass es ein Viertel seiner weltweit 7.500 Mitarbeiter entlassen wird. Grund hierfür ist die stark zurückgegangene Nachfrage nach Kurzzeitvermietungen. Auch der Fahrdienst Uber kündigte am Mittwoch an, weltweit 3.700 Beschäftigte bzw. 14 Prozent seiner Belegschaft zu entlassen, vor allem in den Bereichen Kundenbetreuung sowie in der Personalbeschaffung.

Die Prognosen für den Automobilabsatz in den USA wurde von 16 Millionen auf 11 bzw. maximal 12 Millionen gesenkt, was auf einen bevorstehenden massiven Stellenabbau in der Branche hindeutet. Dies wird auch weitreichende Auswirkungen auf die Zulieferindustrien haben.

Besonders stark von der Krise betroffen sind kleine und mittelständische Unternehmen, auf die rund die Hälfte aller Beschäftigten in den USA entfallen. Tausende Kleinunternehmen werden wahrscheinlich nie wieder öffnen, da sie in ernsthaften Schwierigkeiten stecken und keine staatlichen Fördergelder beantragen können.

Viele Unternehmen nutzen die Pandemie außerdem, um Lohnkürzungen zu rechtfertigen. Angestellte des Krankenhaus Stanford Health Care im kalifornischen Palo Alto, wo auch Covid-19-Patienten behandelt werden, protestierten gegen eine effektive Lohnkürzung von 24 Prozent. Sie wurden außerdem dazu gezwungen, innerhalb von 10 Wochen 12 Urlaubstage zu nehmen. Viele der Angestellten verdienen gerade einmal zwischen 55.000 und 65.000 Dollar pro Jahr.

Die Bundesstaaten und Kommunen leiden verstärkt aufgrund ausbleibender Steuereinnahmen. Der Verbund staatlicher Universitäten in Georgia beschloss am Donnerstag, sämtliche Fakultätsmitglieder und Mitarbeiter aufgrund der Haushaltsdefizite in den Zwangsurlaub zu schicken oder die Gehälter drastisch zu kürzen. Je nach Lohnstufe müssen Beschäftigte vier oder acht Tage unbezahlten Urlaub nehmen.

Dutzende Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten haben ihre Existenzgrundlage verloren, was zu einem beispiellosen Anstieg von Hunger und Ernährungsunsicherheit geführt hat. Immer mehr Menschen müssen, wie vergangenen Mittwoch im New Yorker Stadtteil Queens, bei den örtlichen Tafeln kilometerweit anstehen, um Lebensmittel zu erhalten.

Im Bundesstaat Hawaii bildete sich vor dem größten Sportstadium der Inselkette eine mehr als eine Meile lange Schlange, um kostenlos 50 Pfund Nahrungsmittel zu erhalten. Die Organisatoren schätzen, dass ca. 100 Tonnen Lebensmittel an 4.000 Haushalte verteilt wurden.

Der Großteil der Spenden stammt von Privatpersonen, während die staatlichen und die lokalen Regierungen nur lächerlich geringe Mengen beisteuern.

In dem Bericht des Hamilton-Projekts heißt es, dass die Ernährungsunsicherheit im April deutlich höher war als zu jedem anderen bisher analysierten Zeitpunkt zwischen 2001 und 2018. Dies gilt auch für den Finanzcrash von 2008/2009.

Im Kongress ist unterdessen ein Streit über die Erhöhung der finanziellen Mittel für Lebensmittelmarken um erbärmliche 15 Prozent entbrannt. Für einen durchschnittlichen, antragsberechtigten Haushalt würde das gerade einmal 35 Dollar mehr pro Monat bedeuten. Doch die Republikaner blockieren den Vorschlag. Die Rettungsaktion für Großkonzerne in Höhe von mehreren Billionen Dollar hingegen verabschiedete der Kongress nahezu einstimmig.

Beide Parteien haben die Hürden, um Lebensmittelmarken zu erhalten, immer weiter erhöht. Millionen Menschen wurde damit der Zugang zu staatlicher Hilfe versperrt, obwohl der Bedarf gestiegen ist.

Die Coronavirus-Pandemie verdeutlicht, welche Irrationalität hinter der Anhäufung von Privatvermögen als gesellschaftliches Prinzip steckt. Anstatt dem Kampf gegen die Pandemie und der Linderung menschlichen Leids Priorität einzuräumen, werden Milliarden für die Wall Street bereitgestellt und für die Finanzierung des riesigen Militärhaushalts verschwendet.

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