Schon seit langem fürchteten die Stahlarbeiter des Grobblechwerks von Thyssenkrupp die Schließung ihres Werks. Am Donnerstagabend ist dies zur Gewissheit geworden. Der sich in Auflösung befindende Thyssenkrupp-Konzern will das Werk im Duisburger Süden schon in vier Monaten schließen. Aktuell arbeiten dort noch über 800 Frauen und Männer.
Am Donnerstagvormittag gab der Konzern seine Geschäftszahlen bekannt, am Abend die Schließung des Duisburger Grobblechwerks. Der Gesamtkonzern habe in den ersten drei Monaten des laufenden Geschäftsjahres mit einem Nettoverlust von 372 Millionen Euro bereits ein höheres Minus eingefahren als im gesamten Vorjahr. Die Verschuldung sei kräftig gestiegen, das Eigenkapital nahezu aufgebraucht. Besserung sei nicht in Sicht.
Die Stahlsparte meldete einen Verlust von 164 Millionen Euro, im Vorjahresquartal hatte sie noch 38 Millionen Euro Gewinn verbucht. Noch am Donnerstagabend schickte die IG Metall ein Flugblatt an alle Stahlstandorte. Darin teilt sie den Arbeitern mit, dass im Stahlbereich insgesamt 2800 anstatt wie bislang geplant 2000 Stellen abgebaut werden. Das beträfe jeden Zehnten der gut 28.000 Beschäftigten.
Personalvorstand Oliver Burkhard, ehemaliger IG-Metall-Chef in Nordrhein-Westfalen, schickte zeitgleich dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) eine schriftliche Stellungnahme. Burkhard, der fast 400.000 Euro im Monat erhält, schreibt darin den Stahlarbeitern: „Wenn wir Spitzenklasse wieder erreichen wollen, müssen alle ihren Beitrag leisten. Wir werden niemandem etwas wegnehmen – aber mehr Flexibilität müssen wir auch von unseren Beschäftigten verlangen können. Weiter so ist keine Option.“
Dass sich bis Ende Juni ein Käufer für das Werk findet und es weiterführt, glaubt niemand. Diese von Burkhard behauptete Möglichkeit soll lediglich der IG Metall und ihren Betriebsräten erlauben, die Schließung durchzusetzen. Denn nachdem Burkhard den versammelten IGM-Vertretern und Betriebsräten am Donnerstagabend die Schließung mitgeteilt hatte, legten die mehr als 300 Arbeiter im Werk spontan die Arbeit nieder.
Die Belegschaft ist wütend und schockiert. Speziell deshalb, weil der Betriebsrat in den letzten Wochen und Monaten dafür gesorgt hat, dass die Produktion trotz veralteter Maschinen reibungslos läuft. Der Betriebsratsvorsitzende Mehmet Göktas erklärte, er sei fassungslos. „Vor allem auch, weil wir in den letzten zehn Monaten super gute Kennzahlen erreicht haben.“ Angeblich sollte dies als Argument für die Weiterführung des Werks dienen.
Doch die IG Metall und ihre Betriebsratsspitzen wussten, dass die Schließung bevorstand. Sie sehen ihre Aufgabe aber nicht darin, Arbeitsplätze oder Werke, sondern die Gewinne, sprich die Profite der Aktionäre zu verteidigen.
Bereits im von der IG Metall im Rahmen der gescheiterten Fusion mit Tata Steel Europe ausgehandelten Tarifvertrag war für das Werk nur bis Ende 2021 eine Standortsicherung festgelegt worden.
Als Mitte Dezember des letzten Jahres die Stilllegung der Warmbreitbandstraße von Thyssenkrupp in Bochum bekanntgegeben wurde, von der mindestens 1200 der 2500 Arbeiter betroffen waren, schrieben wir, dass auch das Duisburger Werk auf der Kippe stehe: „Über dem Werk im Duisburger Süden hängt schon seit Jahren die Schließung wie ein Damoklesschwert.“ Seit Juli 2019 waren die „Sanierer“ der Unternehmensberatergesellschaft Roland Berger im Werk und bereiteten die Argumente für die Schließung vor.
Seit Jahren blieben die Investitionen aus, im vergangenen Geschäftsjahr habe man einen Verlust von fast 64 Millionen Euro verbuchen müssen. Das Werk sei nur noch der sechstgrößte Produzent in Europa, hieß es.
Die IG Metall hat der Schließung bereits ihren Segen gegeben. Sie verlangt lediglich eine Arbeitsplatzsicherung für alle Arbeiter des Werks. Der Konzern will laut IG Metall betriebsbedingte Kündigungen für die nächsten drei Jahre ausschließen und die Betroffenen auf andere Arbeitsplätze im Konzern versetzen. „Tarifvertragliche Leistungen, wie freie Tage und Geld, sollen wegfallen“, fordere der Konzern.
Die von Betriebsräten und der IG Metall angekündigten Aktionen für die nächsten Tage dienen einzig und allein dazu, Dampf abzulassen.
Währenddessen werden die Betriebsräte sich vorbereiten, mit dem zukünftigen Personalvorstand des Stahlbereichs, Markus Grolms, die Formalitäten der Schließung auszuarbeiten. Der IG-Metall-Sekretär und bis vor kurzem noch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Thyssenkrupp AG wird im April seinen Posten übernehmen. Das wurde erst vor zwei Wochen bekannt gegeben, nun weiß man weshalb. Er soll die Angriffe auf die Stahlbelegschaften durchsetzen.
Grolms, der enge Kontakte zu den Hedgefonds unter den Thyssenkrupp-Aktionären pflegt, hat maßgeblich an der Ausarbeitung der Konzernpläne mitgewirkt. Vor anderthalb Jahren waren innerhalb von wenigen Tagen der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger und der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Lehner zurückgetreten – mutmaßlich auf Druck der Hedgefonds unter den Aktionären. Daraufhin hatte Grolms den Aufsichtsratsvorsitz übernommen.
In dieser Zeit arbeitete er an einer Grundsatzvereinbarung zwischen den zehn Aufsichtsräten der Arbeitnehmerseite, sprich der IG Metall, und den Hauptaktionären, der Krupp-Stiftung und dem Hedgefonds Cevian. „Der Umbau von Thyssenkrupp ist leider unvermeidbar“, sagte er im Mai 2019. Das werde „ein schwerer, aber leider notwendiger Weg für das Unternehmen und die Beschäftigten“. Die Arbeitnehmer seien „bereit, dafür Schmerzen zu ertragen“, so der baldige Einkommensmillionär.
Ihm zur Seite wird der neue Vorstandsvorsitzende des Stahlbereichs stehen, Bernhard Osburg, der bisher im Vorstand für den Vertrieb verantwortlich war. Der bisherige Vorstandschef von Thyssenkrupp Steel Europe, Premal Desai, muss Ende des Monats gehen. Er war noch unter Hiesinger eingesetzt worden und war zuletzt insbesondere von den Betriebsräten angegriffen worden. Es habe „unterschiedliche Vorstellungen über die Ausrichtung des Stahlgeschäfts“ gegeben, hatte Thyssenkrupp zu seiner Demission mitgeteilt.
Während die IG Metall die Profitabilität des Stahlbereichs auf Kosten der Belegschaften erhöht, arbeitet sie parallel daran, den einzig profitablen Geschäftsbereich zu versilbern, die Aufzugssparte. Schon in den nächsten zwei Wochen will der Vorstand entscheiden, ob der Geschäftszweig verkauft oder an die Börse gebracht wird.
Die nordrhein-westfälische IG Metall versandte am Mittwoch eine Pressemitteilung mit dem Titel „Gespräche mit möglichen Erwerbern der Thyssenkrupp Elevator AG gehen in die entscheidende Phase“.
Demnach haben die gewerkschaftlichen Aufsichtsräte der Thyssenkrupp Elevator AG „in einem intensiven Prozess einen Tarifvertrag und eine schuldrechtliche Vereinbarung erarbeitet, die Grundlage für einen Best-/Fair-Owner-Prozess sind“. Darin stünden „die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sowie eine Beschäftigungs- und Standortsicherung für die deutschen [!] Belegschaften über mehrere Jahre“, teilte Knut Giesler mit, Bezirksleiter der IG Metall in NRW und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Thyssenkrupp Elevator AG.
Das alles steht im Einklang mit den Forderungen der Aktionäre. Nachdem bekannt wurde, dass der finnische Aufzughersteller Kone im Bieterkampf um die Fahrstuhlsparte sein Gebot auf mehr als 17 Milliarden Euro erhöht hat, „beflügelte die Aussicht auf noch mehr Geld für die Sparte die Laune der Anleger“, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg am Donnerstag berichtete. „Der Aktienkurs von Thyssenkrupp legte auf der Handelsplattform Tradegate am Abend rund zwei Prozent zu.“
Der Aufsichtsrat sei sich aber noch uneinig, wer den Zuschlag erhalten soll. Kone bietet zwar am meisten, eine Übernahme durch die Finnen könnte aber erst von den Kartellbehörden geprüft werden. Die dringend benötigten Milliarden flössen dann erst später, wenn überhaupt. „Dieses Problem gäbe es bei einer Übernahme durch Finanzinvestoren nicht“, so Bloomberg.
So wird der Traditions-Konzern mit nahezu 250-jähriger Geschichte und 160.000 Beschäftigten unter maßgeblicher Beteiligung der IG Metall an Finanzinvestoren verhökert.
Wir rufen alle Thyssenkrupp-Arbeiter dazu auf, gegen die IG Metall aufzustehen. Die Werke und Arbeitsplätze sind nur gegen die Gewerkschaft und ihre Betriebsräte zu verteidigen. Kontaktiert uns dazu noch heute.