Das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts neigt sich seinem Ende zu. Das Phänomen, das den Charakter dieses Jahrhunderts am stärksten prägt – die Ausplünderung der Menschheit durch eine globale Finanzoligarchie –, entwickelt sich unvermindert weiter.
Vor dem Hintergrund eines Handelskriegs, wachsendem Militarismus und autoritärer Herrschaft auf der einen Seite und einem sprunghaften Wachstum von Streiks und Protesten der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt gegen die soziale Ungleichheit auf der anderen Seite, brechen die Aktienkurse immer neue Rekorde und die Vermögen der Milliardäre der Welt werden stetig größer.
Am Freitag, einen Tag nachdem alle drei großen US-Aktienindizes neue Rekorde gebrochen hatten, veröffentlichte Bloomberg seinen Überblick über die 500 reichsten Menschen der Welt. Der Bloomberg Billionaires Index zeigt, dass die Vermögen der Oligarchen insgesamt um 1,2 Billionen Dollar gewachsen sind, was einem Anstieg um 25 Prozent gegenüber 2018 entspricht. Ihr kollektives Nettovermögen beläuft sich nun auf 5,9 Billionen Dollar.
Um diese Zahl in ein gewisses Verhältnis zu setzen: Diese 500 Personen verfügen über Vermögen, die größer sind als das Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten am Ende des dritten Quartals 2019 (5,4 Billionen Dollar).
Die größten Gewinne des Jahres gingen an den Franzosen Bernard Arnault, der sein Vermögen um 36,5 Milliarden Dollar vergrößern und es damit über die magische Grenze von 100 Milliarden Dollar auf 105 Milliarden Dollar bringen konnte. Er verwies damit den Spekulanten Warren Buffett, dessen Vermögen 89,3 Milliarden Dollar beträgt, auf den vierten Platz. Amazon-Boss Jeff Bezos verlor durch eine Scheidungsvereinbarung fast 9 Milliarden Dollar, behielt aber mit einem Nettovermögen von 116 Milliarden Dollar die Spitzenposition. Microsoft-Gründer Bill Gates gewann 22,7 Milliarden Dollar und konnte mit 113 Milliarden Dollar den zweiten Platz sichern.
Die 172 amerikanischen Milliardäre auf der Bloomberg-Liste legten insgesamt um 500 Milliarden Dollar zu, wobei Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mit 27,3 Milliarden Dollar den größten Gewinn des Jahres in den USA verbuchte. Damit landete er bei einem Nettovermögen von 79,3 Milliarden Dollar auf Platz fünf der Weltrangliste.
Es ist schwierig, sich die tatsächliche Bedeutung von derart astronomischen Summen vorzustellen. Der Ökonom Branko Milanovic schrieb in seinem 2016 erschienenen Buch Die ungleiche Welt dazu:
„Eine Milliarde Dollar – das ist so weit von der Lebenserfahrung fast aller Erdbewohner entfernt, dass es nicht leicht ist, sich ein richtiges Bild von dieser Summe zu machen ... Nehmen wir an, Sie erben entweder eine Million oder eine Milliarde Dollar und geben jeden Tag 1.000 Dollar davon aus. Im ersten Fall werden Sie weniger als drei Jahre brauchen, um Ihr Erbe durchzubringen, aber wenn Sie eine Milliarde erben, müssen Sie mehr als 2.700 Jahre lang täglich 1.000 Dollar verprassen, um Ihr Erbe aufzuzehren. (Das heißt, Sie wären heute damit fertig, wenn Sie begonnen hätten, als Homer die Ilias niederschrieb.)“
Die gewaltige Umverteilung des Reichtums in der Gesellschaft von unten nach oben ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Prozesses, der nach dem Wall-Street-Crash von 2008 an Tempo zugelegt hat. Sie ist nicht das Ergebnis von Prozessen, die sich praktisch selbst in Gang gesetzt hätten und von Akteuren abgetrennt wären. Vielmehr haben sich die kapitalistischen Regierungen und Parteien auf der ganzen Welt – von nominell „links“ bis rechts – der immer größeren Verarmung der Arbeiterklasse und der Bereicherung der herrschenden Elite verschrieben.
In den USA ging die volle Summe, um die das Nationaleinkommen in den letzten zwei Jahrzehnten gewachsen ist, an das oberste eine Prozent. Seit dem Finanzcrash von 2008 strich diese Gruppe zudem das gesamte nationale Vermögenswachstum ein.
Der Hauptmechanismus, über den dieser Vermögenstransfer lief, war der Aktienmarkt. Die Politik der US-Notenbank und der Zentralbanken auf internationaler Ebene war darauf ausgerichtet, billiges Geld zur Verfügung zu stellen, um die Aktienkurse in die Höhe zu treiben. Die Kosten dieser massiven Subventionierung der Finanzmärkte und der Oligarchen wurden von der Arbeiterklasse getragen – in Form von Sozialabbau, Massenentlassungen, der Vernichtung von Renten und Gesundheitsleistungen und der Umwandlung relativ sicherer und menschenwürdiger Beschäftigungsverhältnisse durch Teilzeit- und Leiharbeit sowie Gelegenheitsjobs in der sogenannten „Gig Economy“.
Seit der Amtseinführung Trumps im Januar 2017, bei der er sich u.a. dazu verpflichtete, die Unternehmenssteuern zu senken, die Regulierungen für das Großkapital zu beseitigen und den Militärhaushalt drastisch zu erhöhen, ist der Dow Jones um fast 9.000 Punkte gestiegen. In diesem Jahr übten Trump und die Finanzmärkte massiven Druck auf die US-Notenbank Fed aus, ihre Maßnahmen zur „Normalisierung“ der Zinssätze rückgängig zu machen. Die Fed ist dem nachgekommen, indem sie drei Mal die Zinsen senkte und den Märkten wiederholt versicherte, dass sie für 2020 keine Zinserhöhungen plane.
Bei der Förderung dieses Geldregens für Banken und Hedgefonds standen die Demokraten den Republikanern in nichts nach. Tatsächlich wurde Trumps Wirtschaftspolitik von der Demokratischen Partei de facto auf ganzer Linie unterstützt, von den Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche bis hin zu Trumps Angriff auf praktisch sämtliche Regulierungen für Geldgeschäfte. Die Demokraten unterstützten diese Politik selbst dann noch, als das Amtsenthebungsverfahren – das ausschließlich aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ und wegen Trumps angeblich zu „weichem“ Auftreten gegenüber Russland durchgeführt wurde – in vollem Gange war. Sie stimmten mit großer Mehrheit für Trumps Haushaltsplan, sein gegen China gerichtetes Handelsabkommen zwischen den USA und Mexiko sowie die größte Kriegskasse, die dem Verteidigungsministerium jemals zur Verfügung gestellt wurde: 738 Milliarden Dollar.
Dadurch haben die Demokraten auch dafür gesorgt, dass Trump all das Geld bekommt, das er benötigt, um seine Grenzmauer zu bauen und Immigranten massenhaft zu inhaftieren und zu verfolgen.
Mit Trumps wirtschaftsfreundlichem Kurs wird die Politik, die zuvor von der Obama-Regierung bereits verfolgt wurde, ausgeweitet und weiterentwickelt. Sie stellte Billionen von Steuergeldern zur Rettung der Banken bereit und überschwemmte die Finanzmärkte mit billigen Krediten, was die Aktienkurse in die Höhe trieb. Gleichzeitig wurde unter Obama bei der Rettung von General Motors und Chrysler eine pauschale Kürzung der Gehälter für neu eingestellte Autoarbeiter um 50 Prozent durchgesetzt. Obama ist für die Schließung tausender Schulen und die Entlassung hunderttausender Lehrer verantwortlich und er verordnete Sparhaushalte, mit denen Sozialprogramme radikal gekürzt wurden.
Auch unter den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten für 2020 sind zwei Milliardäre: Tom Steyer und Michael Bloomberg. Letzterer besetzt mit einem Nettovermögen von 56 Milliarden Platz 9 in der Rangliste der reichsten Amerikaner. Er ging als Sprachrohr der Oligarchen ins Rennen, die sich über Kommentare von Bernie Sanders und Elizabeth Warren über symbolische Steuererhöhungen für die Superreichen empörten.
Die Oligarchen haben keine Angst vor Sanders und Warren. Beide sind langjährige Verteidiger der amerikanischen herrschenden Klasse, die ihre Unterwürfigkeit gegenüber dem Kapital mit Sonntagsreden zu kaschieren versuchen, in denen sie von den Oligarchen verlangen, „ihren gerechten Anteil“ zu zahlen. Dies ist jedoch nur eine beschönigende Art, das „Recht“ der Oligarchen auf Ausplünderung der Bevölkerung zu verteidigen. Die Milliardäre sind erschrocken über die wachsende Massenopposition gegen den Kapitalismus, die einen verzerrten Ausdruck in der Unterstützung für die falschen „Progressiven“ in den Reihen der Demokraten findet.
Zusammen haben Bloomberg und Steyer bereits 200 Millionen Dollar aus eigener Tasche bezahlt, um die Wahl schlichtweg zu kaufen.
Die Auswirkungen der Politik der sozialen Plünderung zeigen sich in einem Land nach dem anderen. Überall vertieft sich eine bösartige soziale Krise. In den USA marschiert die Gesellschaft rückwärts, wobei der dringende Bedarf nach Schulen, Krankenhäusern, erschwinglichem Wohnraum, Renten, dem Wiederaufbau von maroden Straßen, Brücken, des Verkehrsnetzes, von Hochwasserschutzanlagen, Wasserversorgung und Kanalisation, Brandschutz und Stromnetzen mit der offiziellen Stellungnahme beantwortet wird: „Es gibt kein Geld.“
Was kam dabei heraus? Drei Jahre in Folge sinkende Lebenserwartung, Drogensucht und Selbstmordraten auf Rekordniveau, verheerende Waldbrände und Überschwemmungen, Stromausfälle durch gewinnorientierte Versorgungsunternehmen. Zudem ist die Welt mit einer Klimakrise konfrontiert, die nicht im Rahmen eines Systems bewältigt werden kann, das von einer Plutokratie beherrscht wird, die vom Geld besessen ist.
Kein einziges ernsthaftes soziales Problem kann unter Bedingungen angegangen werden, unter denen die herrschende Elite Ressourcen aus der Gesellschaft abzieht, um die Anhäufung immer luxuriöserer Yachten, Villen, Privatinseln und Privatjets zu finanzieren. Sie tut dies mit Hilfe ihrer bestochenen Parteien und Politiker und wird von ihren prokapitalistischen Gewerkschaften sowie ihren Gerichten, der Polizei und dem Militär unterstützt.
Wo soziale Reformen unmöglich sind, ist eine soziale Revolution unvermeidlich. Die Lösung für diese Sackgasse besteht im Wachstum des Klassenkampfs. Die Bewegung der Arbeiter und der Jugend auf der ganzen Welt – von den Massenstreiks in Frankreich über Streiks von Autoarbeitern und Lehrern in den USA, Proteste in Chile, Bolivien, Ecuador und Brasilien bis hin zu Streiks und Massendemonstrationen im Libanon, Iran, Irak und Indien - zeigt die soziale Kraft, die dem Kapitalismus ein Ende bereiten kann und wird.
In Opposition zu Politikern wie Corbyn, Sanders, Tsipras und ihren pseudolinken Unterstützern muss die Parole lauten: „Enteignet die Superreichen!“ Dies ist der Ausgangspunkt für die Ersetzung des kapitalistischen Privateigentums im Produktionsprozess durch gesellschaftliches Eigentum und internationale Planung, d.h. für die sozialistische Weltrevolution.