Französische Gewerkschaften treffen Premierminister, um Massenstreiks zur Verteidigung der Renten auszuverkaufen

Gestern Nachmittag trafen sich die korrupten Bosse der französischen Gewerkschaftsverbände einer nach dem anderen mit Premierminister Edouard Philippe in den vergoldeten Räumen des Matignon Palace, der offiziellen Residenz des Premierministers.

Während der Massenstreik in den Bereichen Eisenbahn, Verkehr, Bildung und Energie in die dritte Woche geht, fordern die streikenden Arbeiter, die Gespräche mit Philippe zu beenden. Dieser hat erklärt, die geplanten Kürzungen im Februar trotz Massenopposition durch das Parlament peitschen zu wollen. Die Bilder aus Matignon, auf denen die Gewerkschaftsführer mit Philippe in die Fernsehkameras lächeln und scherzen, zeigen die Kluft zwischen ihnen und Millionen von Arbeitern und Jugendlichen. Während die Arbeiter für die Verteidigung der Renten kämpfen, versuchen die Gewerkschaften, Wege zu finden, um einen Ausverkauf zu rechtfertigen und die Arbeiter einzulullen – und das unter Bedingungen unter denen die Gefahr staatlicher Repression stetig zunimmt.

Philippe begann seinen Tag mit einem Treffen mit Präsident Emmanuel Macron und der Teilnahme an einem streng geheimen Treffen des Nationalen Sicherheitsrats mit den französischen Militärchefs. Vor dem Treffen hatte der ehemalige Stabschef der französischen Streitkräfte, General Pierre de Villiers, wiederholt „mehr Entschlossenheit“ gegen die streikenden Arbeiter forderte.

Nichtsdestotrotz gingen die Gewerkschaftsführer nach Matignon. Nach ihren Treffen mit Philippe sprachen sie mit den Medien, um ihre Versuche zu propagieren, einen Deal mit der Regierung auszuhandeln. Gleichzeitig schwiegen sie sich darüber aus, dass militärische Pläne innerhalb des Staatsapparats ausgebrütet werden.

„Eine Diskussionsgrundlage könnte die Öffnung sein, um eine alternative Lösung zu konkretisieren. Ich hoffe, dass dies stattfinden wird und Edouard Philippe dies morgen bestätigen wird“, erklärte Laurent Escure, der Vorsitzende der Nationalen Union der Autonomen Gewerkschaften (UNSA), der Philippe zuerst traf. Nach einem weiteren gemeinsamen Treffen mit allen Gewerkschaftsführern heute Nachmittag wird Philippe Medienberichten zufolge eine Ankündigung zu den Rentenkürzungen machen.

Philippe Martinez, der Chef der Gewerkschaft der stalinistischen Confédération générale du travail (CGT), betonte seine Angst vor der wachsenden Militanz der Arbeiter. „Je länger dieser Streik andauert, desto mehr verwandelt sich soziale Wut in etwas anderes“, sagte er. Er habe Philippe gewarnt, dass „je härter der Streik wird, desto schwieriger wird es für Sie sein, jemanden zu überzeugen“, eine Einigung über die Renten zu erzielen.

Laurent Berger vom regierungsfreundlichen Französischen Demokratischen Gewerkschaftsbund (CFDT) traf Philippe zuletzt. Nach dem Treffen verkündete er: „Heute gab es eine erste Diskussion, bei der wir unsere Meinungsverschiedenheiten festgestellt haben, ohne vorerst Lösungen zu finden. Aber wir konnten, muss ich sagen, eine echte Freude an der Diskussion und an unserem Austausch verspüren.“

Vom Standpunkt der Interessen der Arbeiter gibt es mit Philippe nichts zu verhandeln. Die Regierung hat deutlich gemacht, dass sie keines der wesentlichen Elemente ihrer Rentenkürzungen ändern wird; stattdessen wird sie die Reform – obwohl 70 Prozent der französischen Bevölkerung dagegen sind – durchsetzen und Bereitschaftspolizei schicken, um Proteste gegen ihre Politik zu attackieren. Der Weg nach vorn für die Arbeiter besteht darin, breitere Schichten der Arbeiterklasse in Frankreich und international in den Klassenkampf einzubeziehen und für den Sturz von Macron zu kämpfen.

Die Interessen, die den Verhandlungen der Gewerkschaftsbürokraten mit Philippe zugrunde liegen, haben einen ganz anderen Charakter. Obwohl sie behaupten, „Gewerkschaften“ zu führen, vertreten diese wohlhabenden Mitglieder der oberen Mittelklasse nicht die Arbeiter. Ein offizieller Bericht über die Finanzierung der Gewerkschaften aus dem Jahr 2012, den die Gewerkschaften nicht zu widerlegen versuchten, zeigte, dass diese aufgeblähten Bürokratien – aufgrund des massiven Mitgliederschwunds nach jahrzehntelangem Verrat an unzähligen Streiks – für über 90 Prozent ihres Jahresbudgets von 4 Milliarden Euro auf Subventionen von Staat und Wirtschaft angewiesen sind.

Die Gewerkschaftsführer sind entschlossen, mit Philippe zu „verhandeln“. Und nicht etwa, weil sie versuchen, die Politik seiner Regierung zu ändern. Stattdessen arbeiten diese korrupten Bürokraten verzweifelt daran, die Staats- und Unternehmensfinanzierung, die das Lebenselixier ihrer Organisationen ist, aufrechtzuerhalten. Sie kollaborieren mit Philippe, um einen faulen Kompromiss auszuhandeln, den sie nutzen können, um die Streikenden zurück an die Arbeit zu zwingen und Macrons Kürzungen zu akzeptieren.

Die wichtigsten Maßnahmen bei diesen Kürzungen sind eine zweijährige Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre, die Abschaffung der öffentlichen Altersvorsorge und der Übergang zu einem auf Rentenpunkten basierenden System. Der monetäre Wert dieser „Punkte“ ist nicht festgelegt, und der Staat kann sie im Laufe der Zeit beliebig ändern. Wie der ehemalige Premierminister François Fillon 2016 sagte, erlaubt ein solches System „eine Sache, die kein Politiker zugibt. Sie ermöglicht es, jedes Jahr die Größe und den Wert der Punkte zu verringern und damit das Rentenniveau zu senken.“

Gestern erklärte der Elysée-Palast in einer knappen Mitteilung, Macron sei bereit, seine Rentenpläne „nachzubessern“, um „das Ziel zu erreichen, die Bewegung bis zu den Feiertagen zu beenden“. Er werde sein zentrales Reformvorhaben aber „weder aufgeben noch verfälschen“. In der Presse wird spekuliert, dass die CFDT den Streik beenden würde, wenn Macron die Umsetzung der Erhöhung des Rentenalters aufgibt oder möglicherweise verlangsamt.

Es hat sich eine politische Konfrontation zwischen Macron, der von der Europäischen Union und der internationalen Finanzaristokratie unterstützt wird, und der Arbeiterklasse entwickelt. Unter den streikenden Arbeitern, den „Gelbwesten“, Demonstranten und Jugendlichen wächst das Bewusstsein, dass sie keinen wirklichen Kampf unter dem organisatorischen Zwangsjacke der Gewerkschaften führen können. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeiter den Kampf aus den Händen der Gewerkschaften nehmen und ihre eigenen unabhängigen Aktionskomitees bilden, um einen Ausverkauf zu verhindern, Macron zu stürzen und die Übertragung von Macht auf Organisationen der Arbeiterklasse vorzubereiten.

Nachdem am Dienstag fast zwei Millionen Arbeiter, Studenten, Jugendliche und Rentner gegen Macron demonstriert haben, gingen die Streiks und Proteste am Mittwoch weiter und werden auch in den nächsten Tagen fortgesetzt. Die Unterstützung der Bevölkerung für den Streik ist nach wie vor hoch. Laut einer Umfrage des französischsprachigen Radiosenders RTL gaben 62 Prozent der Befragten an, den Streik zu unterstützen.

In Paris war am Mittwoch nur die Hälfte der 16 Metro-Linien in Betrieb. Und die meisten Linien, die liefen, boten nur sehr begrenzte Dienste an. Lediglich die automatisierten Linien 1 und 14 fuhren wie gewohnt. Auch die meisten Zugverbindungen werden nach wie vor bestreikt. Nach Angaben der SNCF war nur jeder fünfte TGV und jeder sechste Intercity-Zug im Einsatz.

In Paris, wo am Dienstag die größte Demonstration mit über 300.000 Demonstranten stattfand, unterstützen Studenten und Schüler weiterhin die streikenden Arbeiter. Gymnasiasten haben gestern Schulen in ganz Paris blockiert. Im 10. Arrondissement errichteten hundert Gymnasiasten der Colbert High School provisorische Barrikaden in der Rue du Château-Landon. „Wir sind auch im Streik“, skandierten die Schüler, als sie von der Polizei attackiert wurden.

Während Streiks und Proteste immer militanter werden, spüren die Unternehmen zunehmend die Auswirkungen. Branchenverbände melden Umsatzeinbußen von 30 bis 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nach Angaben des Generalverbandes der kleinen und mittleren Unternehmen (CPME) kostet der Streik die Wirtschaft rund 400 Millionen Euro pro Tag.

Angesichts der massiven Unterstützung des Streiks durch die Bevölkerung und der Unfähigkeit der Gewerkschaften, den Streik schnell zu beenden, fordern wachsende Teile der herrschenden Elite und des Militärs eine zunehmende Repression. General Pierre de Villiers forderte am Montag gegenüber RTL: „Wir müssen die Ordnung wiederherstellen, wir können so nicht weitermachen.“ Die Regierung müsse „ein Gleichgewicht zwischen Menschlichkeit und Entschlossenheit“ im Umgang mit den Streikenden finden. Er beklagte auch den „tiefen Keil“ zwischen dem politischen Establishment und der Bevölkerung.

Arbeiter und Jugendlichen, die gegen Macron streiken und protestieren, können es nicht den korrupten Gewerkschaften überlassen, die Arbeiterklasse gegen die Gefahr staatlicher Unterdrückung zu mobilisieren. Die Gewerkschaften lehnten den französischen Ausnahmezustand zwischen 2015 und 2017 nicht ab, der die brutalen Angriffe auf soziale Proteste in den letzten Jahren vorbereitete und für den stalinistische und pseudolinke Abgeordnete in der Nationalversammlung gestimmt hatten. Darüber hinaus verurteilten sie die Proteste der „Gelbwesten“ im vergangenen Jahr, obwohl brutale Polizeiangriffe auf Demonstranten zu über 10.000 Verhaftungen führten und Tausende verletzt wurden.

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