Am vergangenen Mittwoch kündigte die Trump-Regierung eine rechtliche Neuregelung an, durch die fast 700.000 Amerikaner die Unterstützung durch das staatliche Lebensmittelhilfe-Programm verlieren. Unzählige Familien werden hungern müssen.
Derzeit sind über 36 Millionen Amerikaner zum Überleben auf die Lebensmittelmarken angewiesen, die sie unter dem sogenannten Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP) erhalten. Ab April 2020 wird es für kinderlose Erwachsene im Alter zwischen 18 und 49 Jahren sehr viel schwieriger werden, die Unterstützungsleistung zu erhalten.
Der Grund liegt darin, dass eine gesetzliche Zwangsmaßnahme künftig strikt durchgesetzt werden soll: Geltendem Recht zufolge sind gesunde Alleinstehende ohne Kinder nur anspruchsberechtigt, wenn sie nach drei Monaten mindestens 20 Stunden pro Woche arbeiten. Allerdings konnte diese Vorschrift bisher in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit außer Kraft gesetzt werden. Von dieser Möglichkeit machten zahlreiche Bundesstaaten Gebrauch, so dass zum Teil auch in Gebieten mit relativ niedriger Arbeitslosigkeit, bis hinunter zu 2,5 %, Lebensmittelmarken an Bedürftige ausgegeben wurden, ohne dass der Arbeitszwang zum Tragen kam. Nach Inkrafttreten der Neuregelung wird diese Ausnahmeregelung nur noch für Regionen mit einer Arbeitslosigkeit von mehr als 6 % zulässig sein.
Die Medien haben diese Entscheidung der Regierung, die unzählige Haushalte zum Hungern verurteilt, weitgehend ignoriert. Die Abgeordneten der Demokraten im US-Kongress haben sich kaum dazu geäußert. Sie sind auf das Impeachment gegen den US-Präsidenten fokussiert, dem sie eine zu weiche Haltung gegenüber Russland vorwerfen.
Die US-Demokraten unterstützen den Angriff Trumps auf die Armen. Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten sind Parteien der Finanzaristokratie. Im Jahr 2014 unterzeichnete der demokratische US-Präsident Obama ein Gesetz, das die Kürzung von Lebensmittelmarken in Höhe von 8,7 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren vorsah. Rund 850.000 Haushalte verloren dadurch durchschnittlich 90 Dollar im Monat.
Laut einer Studie, die zeitgleich mit dem ersten Vorschlag der Neuregelung veröffentlicht wurde, leben 97 % der Bezieher von Lebensmittelhilfe in Armut; 88 % der Betroffenen verfügen über ein Haushaltseinkommen in Höhe der Hälfte des Existenzminimums oder leben monatlich von 600 US-Dollar oder weniger.
Die Verschärfung des Arbeitszwangs ist mit zwei weiteren Vorschlägen verbunden: Zum einen wird der Freibetrag für Strom- und Heizkosten gedeckelt, der bei der Berechnung der Bedürftigkeit geltend gemacht werden kann. Zum zweiten soll fast einer Million Kindern das kostengünstige oder kostenlose Schulessen gestrichen werden.
Der US-Think-Tank Urban Institute schätzt, dass aufgrund der Neuregelung 3,6 Millionen Menschen ihre monatliche Unterstützung durch das Lebensmittelhilfe-Programm verlieren. Obwohl den in Armut lebenden Kindern, d. h. den Schwächsten der Gesellschaft, durch die Pläne der Regierung buchstäblich das Brot aus der Hand geschlagen wird, behauptete US-Landwirtschaftsminister Sonny Perdue (Republikaner) dreist, dass die Maßnahme „einem beträchtlichen Teil unserer Gesellschaft die ‚Würde der Arbeit‘“ wieder nahebringe. Gleichzeitig würden „die Steuerzahler respektiert, die das Programm finanzieren“.
Das ist natürlich blanker Unsinn. Es geht nicht um die „Würde der Arbeit“, sondern darum, Millionen Arme in noch tieferes Elend zu stürzen und die Superreichen, die ohnehin schon von Trumps Steuersenkungen und Sozialkürzungen profitiert haben, noch mehr zu bereichern. Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt Perdues aktuelles Vermögen auf 5 Millionen Dollar. Damit ist er allerdings ein eher kleiner Fisch. Das Vermögen von Bildungsministerin Betsy Devos wird auf 2 Milliarden Dollar geschätzt, das Höchste in Trumps Kabinett.
Reich geworden ist der ehemalige Gouverneur von Georgia in der Agrarwirtschaft und im Immobilienwesen. Kurz nach seinem Eintritt in die Trump-Regierung überschrieb Perdue seinen erwachsenen Kindern Geldanlagen im Wert von mindestens 8 Millionen Dollar. Ausgerechnet ein Minister, der sein Vermögen in der Landwirtschaft machte, führt den Angriff auf das Lebensmittelprogramm an – während unter den finanziell ruinierten Farmerfamilien im Mittleren Westen der USA die Selbstmordrate ständig steigt.
Das Urban Institute schätzt, dass die drei geplanten Änderungen des Lebensmittelhilfe-Programms die entsprechenden Zahlungen in 13 US-Bundesstaaten um mindestens 15 % verringern werden. Von der Änderung bei der Schulspeisung wären die Bundesstaaten Washington, D. C. mit 24 % sowie Nevada mit 22 % besonders stark betroffen Insgesamt würden die Leistungen für Bedürftige in neun Bundesstaaten um mindestens 15 % sinken.
Allein in Kalifornien könnten rund 200.000 Menschen ihre Ansprüche verlieren, weil keine Ausnahmen vom Arbeitszwang mehr zugelassen werden.
In Vermont, New York und South Dakota – US-Bundesstaaten, die für extrem kalte Winter bekannt sind –werden die Menschen besonders unter dem gekürzten Freibetrag für Strom- und Heizkosten leiden. Im ländlich geprägten Vermont dürften fast 22 % der finanziellen Unterstützung wegfallen; in New York, South Dakota und Maine sind es jeweils 11 %. Laut einer Schätzung des US-Landwirtschaftsministeriums wird die Neuregelung bei den Strom- und Heizkosten dazu führen, dass über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 4,5 Milliarden Dollar weniger an Lebensmittelhilfe ausgezahlt werden.
Fast sieben von zehn Einwohnern Vermonts werden, so die Hilfsorganisation Hunger Free Vermont, einen Einschnitt des Lebensmittelhilfe-Programms zu spüren bekommen. Die durchschnittliche Unterstützung werde um fast 40 % sinken, sprich eine Verringerung des ohnehin armseligen Betrags von derzeit 215 US-Dollar auf 13 Dollar. Ellen Vollinger, Direktorin des gemeinnützigen Food Research & Action Center, sagte, dass die Reduzierung des Freibetrags die Menschen dazu zwingen werde, sich „zu entscheiden, ob sie lieber essen oder heizen möchten“.
Natürlich wird keine dieser Maßnahmen den Menschen dabei helfen, einen Arbeitsplatz zu finden. Viele von der Gesetzänderung Betroffene sind bereits völlig verarmt. Sie leben in ländlichen Gebieten und leiden oftmals an psychischen Krankheiten und Behinderungen. Stacey Dean, Vizepräsidentin des Center on Budget and Policy Priorities, erklärte gegenüber NCB News: „Die Politik setzt gezielt bei sehr armen Menschen an, die nur schwer Arbeit finden. Einige von ihnen sind obdachlos oder leben mit gesundheitlichen Einschränkungen.“ Weiter sagte Dean: „Wenn man diesen Menschen grundlegende Unterstützung bei der Lebensmittelbeschaffung entzieht, wird dies die Not und den Hunger nur verstärken. Zugleich wird keine Hilfe angeboten, um eine feste Vollzeitstelle zu finden.“
Während die Trump-Regierung den Anstieg des Bruttoinlandproduktes (BIP) als Indikator für die wirtschaftliche Gesundheit des Landes anpreist, weisen immer mehr Symptome auf die von Leid und Verzweiflung geprägte soziale Krise in den USA hin. Die Kürzungen des staatlichen Lebensmittelhilfe-Programms werden diese Entwicklung verschärfen.
In den USA wurde das dritte Jahr in Folge ein Rückgang der Lebenserwartung verzeichnet. Besonders beunruhigend ist, dass immer mehr Menschen in einem relativ jungen Alter zwischen 25 und 64 Jahren sterben. Diese Altersgruppe überschneidet sich mit derjenigen, die von den Gesetzesänderungen des Lebensmittelhilfe-Programms besonders betroffen ist.
Es sind Menschen, die in einer gesunden Gesellschaft in der Blüte ihres Arbeitslebens stehen würden. Stattdessen sterben immer mehr verzweifelte Menschen an Suizid, übermäßigen Alkoholkonsum und überdosierten Drogen. Der Anstieg der Sterblichkeitsrate im mittleren Lebensalter ist durch mindestens 35 weitere Ursachen bedingt, darunter Krankheiten wie Diabetes, Autoimmunerkrankungen, Fettleibigkeit und Bluthochdruck.
Die Anzahl der Menschen ohne Krankenversicherung ging nach dem Erlass des Affordable Care Acts (Obamacare) zunächst zurück. Das Gesetz sieht eine private Pflichtversicherung vor. Doch steigt die Anzahl von Nichtversicherten und Menschen, die durch hohe Auslagen belastet sind, erneut an. Immer mehr Personen müssen zudem Privatinsolvenz anmelden.
In einem aktuellen Bericht zweier Non-Profit-Organisationen wird durch eine aufrüttelnde Statistik deutlich, dass über zwei Millionen Amerikaner im Jahr 2019 keinen Zugang zu Innentoiletten oder fließend Wasser haben. Aktuelle Statistiken zeigen außerdem, dass die Krise wegen des bleivergifteten Trinkwassers in Flint im US-Bundesstaat Michigan kein Einzelfall ist. In zahlreichen weiteren Städten und Gemeinden in den USA ist das Trinkwasser mit gefährlich hohen Bleiwerten verseucht.
Die Verteidigung grundlegender Menschenrechte, wie eine bedarfsgerechte Ernährung, Wasser und Gesundheitsversorgung, darf weder den Republikanern noch den Demokraten überlassen werden. Beide Parteien sind Handlanger der Finanzaristokratie. Der Angriff der Trump-Regierung auf das staatliche Lebensmittelhilfe-Programm verdeutlicht, dass die Arbeiterklasse eine eigene, unabhängige Verteidigung dieser sozialen Rechte organisieren muss. Dafür ist eine revolutionäre Führung notwendig, die sich dafür einsetzt, die Gesellschaft auf sozialistische Weise zu organisieren, auf der Grundlage menschlicher Bedürfnisse, und nicht im Sinne privater Profitinteressen.