Am Dienstag ließ die Bundeswehr rund 400 Soldaten zum Treueeid vor dem Berliner Reichstagsgebäude aufmarschieren. In Anwesenheit von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und über 200 Bundestagsabgeordneten gelobten die Rekruten, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen“ und „die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“.
Weite Teile von Berlin-Mitte mussten für das Militäraufgebot polizeilich abgeriegelt werden. Für die geladenen Gäste war eigens eine gigantische Tribüne auf dem Platz der Republik errichtet worden. Ähnliche Spektakel fanden zur gleichen Zeit an sechs weiteren Standorten in ganz Deutschland statt.
Der Aufmarsch der deutschen Streitkräfte vor dem Bundestag ist ein Alarmsignal. Sowohl Schäuble als auch Kramp-Karrenbauer haben in den vergangenen Wochen klar gemacht, dass nun die Zeit für die Rückkehr des deutschen Imperialismus auf die Weltbühne gekommen sei. Seitdem vergeht kaum ein Tag, ohne dass sich einer der beiden mit weiteren Vorstößen zu Wort meldet – sei es ein Protektorat in Nordsyrien oder die Überwindung des Parlamentsvorbehalts.
Schon vor zwei Wochen hatte Schäuble in seiner programmatischen Adenauer-Rede angekündigt, Deutschland werde künftig – trotz seiner Verbrechen in zwei Weltkriegen – wieder „moralische Kosten übernehmen“. Vor den Bundeswehrrekruten wiederholte er nun diese Aussage.
„Frieden zu schaffen ist nicht kostenlos – es hat auch einen moralischen Preis,“ drohte Schäuble. Deutschland dürfe sich auch in den „entfernten Konflikten“ einer „global vernetzten Welt in großer Unordnung“ nicht „wegducken“. Zwar habe es seit dem Untergang von Hitlers Drittem Reich vor bald 75 Jahren keinen großen Krieg in Europa mehr gegeben. „Aber dieser Friede ist eben nicht selbstverständlich.“ Er schloss: „Auf Sie kommen große Aufgaben zu!“
Das gespenstische Schauspiel deutscher Soldaten, die mit preußischem Schneid ein „Ich schwöre!“ in die Fernsehkameras brüllen, verdeutlichte erneut, an welche Traditionen die deutsche herrschende Klasse wieder anknüpft. Um die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Großmachtpolitik gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen und den deutschen Militarismus wiederzubeleben, soll die Öffentlichkeit mit Kriegspropaganda überflutet werden.
Die Scharfmacher in den bürgerlichen Medien zeigten sich begeistert. So forderte etwa der Tagesspiegel, „Sicherheit muss sichtbar sein“, und stellte fest: „AKK ist auf dem richtigen Weg.“ Die Süddeutsche Zeitung klagte unterdessen, „die Bindung“ der Bundeswehr „an die Gesellschaft“ drohe „verloren zu gehen“, und verlangte ein „Ende der Entwöhnung“.
Der Geburtstag der Bundeswehr solle von nun an jedes Jahr öffentlich gefeiert werden, kündigte Kramp-Karrenbauer in ihrer Rede vor dem Reichstagsgebäude an. Sie sei mit ihrem Vorschlag, die Streitkräfte stärker in das gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken, unter den Vertretern der Landesregierungen auf „so große Resonanz gestoßen“, wie sie es sich „nicht hätte vorstellen können“.
Besonders die Linkspartei hat sich als aggressive Vorkämpferin des deutschen Militarismus profiliert. Thüringens „linker“ Ministerpräsident Bodo Ramelow hat innerhalb zweier Wochen gleich zwei öffentliche Huldigungen der Bundeswehr geplant. Die erste fand bereits am 7. November in Oberhof statt, wo 370 Panzergrenadiere in Anwesenheit von Brigadegeneral Gunnar Brügner und Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (die Linke) öffentlich ihren Militärschwur leisteten.
In seiner Rede forderte Hoff die deutsche Gesellschaft auf, „die Augen nicht davor zu verschließen“, dass „Verwundung“ und „Tod“ für Bundeswehrsoldaten „keine abstrakten Begriffe mehr“ seien. Das Heer habe nun einmal den „Auftrag der Abschreckung und Bündnisverteidigung“ und müsse außerdem „Auslandseinsätze sicherstellen“. Zur Propagierung dieses Sachverhalts warb er für eine breite „gesellschaftliche Debatte“ über Auftrag und Rolle der Bundeswehr.
Das zweite thüringische Gelöbnis soll in den nächsten Tagen in Sondershausen stattfinden. Die dortige Kyffhäuser-Kaserne versorgt die östliche Nato-Front unter anderem mit Kampfpanzern. Wie der MDR berichtete, stellen Thüringer Bundeswehr-Einheiten im Rahmen der „Enhanced Forward Presence“ (EFP) derzeit den Großteil des gegen Russland gerichteten Nato-Bataillons in Litauen.
Die Süddeutsche Zeitung betrachtete das Bundeswehr-Gelöbnis vor dem Reichstagsgebäude als ersten Schritt, die Öffentlichkeit wieder an die Präsenz von Militär auf den Straßen zu gewöhnen. Mit Blick auf das Nato-Großmanöver „Defender 2020“, in dessen Verlauf im kommenden Jahr 37.000 Nato-Soldaten in Polen und dem Baltikum aufmarschieren sollen, gehe es um die Frage: „Regt sich noch etwas in dieser Gesellschaft, wenn wieder Militärkonvois auf den Landstraßen rollen wie in den Achtzigerjahren?“
Doch nicht nur im Baltikum verschärft die deutsche Kriegsmaschinerie die Weltkriegsgefahr. Hatte die Bundesregierung zu Beginn des Jahrtausends noch verkündet, die „Freiheit Deutschlands“ werde „auch am Hindukusch verteidigt“, so lautet die Parole heute: „Deutsche Interessen werden auch vor Chinas Küste militärisch durchgesetzt.“ Presseberichten zufolge wird bereits seit Mitte des Jahres im Verteidigungsministerium die Entsendung eines deutschen Kriegsschiffes ins Südchinesische Meer, sowie die Teilnahme an US-amerikanischen Kanonenboot-Manövern diskutiert.
In ihrer Grundsatzrede an der Münchener Bundeswehr-Universität Anfang des Monats hatte Kramp-Karrenbauer die Ausweitung deutscher Kriegseinsätze angekündigt und offen gefordert, deutsche Soldaten zu einer Machtdemonstration gegen China zu entsenden. Deutschland mit seiner „wirtschaftlichen und technologischen Kraft“ und seinen „globalen Interessen“ könne in diesen Konflikten „nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen“. Stattdessen müsse die Bundeswehr die „Rolle der Gestaltungsmacht“ annehmen und bereit sein, „das Spektrum militärischer Mittel wenn nötig auszuschöpfen“.
Die Verteidigungsministerin selbst brachte diesen Zusammenhang am Dienstag unmissverständlich zum Ausdruck. Nach der Vereidigung der neuen Rekruten begab sie sich umgehend zum Deutschen Arbeitgebertag in Berlin, wo sie den versammelten Industriellen unter anderem eine großangelegte Unternehmenssteuerreform in Aussicht stellte.
Sie komme gerade vom Reichstag, begann Kramp-Karrenbauer ihre Ansprache, „wo seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder ein öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr stattgefunden hat“. Sie erwähne das deshalb, weil die Frage der Bundeswehr und „die Frage, die Sie beschäftigt“, miteinander zusammenhingen. Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität würden in der deutschen Bevölkerung für selbstverständlich erachtet. Doch weder das eine noch das andere sei selbstverständlich.
Schließlich bot die Verteidigungsministerin den Konzernbossen ihre Dienste an: „Welche Rahmenbedingungen brauchen wir, brauchen Sie als Unternehmerinnen und Unternehmer, damit das gewährleistet werden kann?“ Die Antwort lieferte sie selbst: Die „Versorgungssicherheit“ im Energiesektor – das heißt unter anderem der ungehinderte Zugang zu Öl und Gas – sei für die deutsche Wirtschaft „einer der entscheidenden Wettbewerbsfaktoren“.
Die internationale Arbeiterklasse muss diesem Wahnsinn gestützt auf ein sozialistisches Programm ein Ende setzen. Ein dritter deutscher Griff nach der Weltmacht und die Katastrophe eines nuklear geführten Weltkrieges müssen unter allen Umständen verhindert werden. Dazu ist der Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei und ihrer Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale als Führung der Weltbewegung gegen Krieg und Kapitalismus die dringendste politische Aufgabe.