Perspektive

Die Irrationaliät des Kapitalismus:

Kalifornischer Energieversorger schaltet Millionen Menschen den Strom ab

Der US-Energieversorger PG&E hat in weiten Teilen Kaliforniens den Strom abgeschaltet, weil befürchtet wird, dass heftige Windböen die maroden Stromleitungen zum Einsturz bringen und so Waldbrände auslösen könnten. Der erzwungene Blackout, von dem über zwei Millionen Menschen sowie Unternehmen in 34 Bezirken Nordkaliforniens betroffen sind, ist ein schonungsloses Beispiel für die Irrationalität des kapitalistischen Systems.

Die Arbeiterklasse in Kalifornien wurde durch die Maßnahme von einem Augenblick auf den anderen ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. In diesem US-Bundesstaat ist das Silicon Valley angesiedelt, und dort leben einige der reichsten Menschen der Welt. Die Abschaltung des Stroms offenbart die immense Kluft zwischen den Milliardären und Millionären, für die derartige Ausfälle keine Unannehmlichkeiten bedeuten, und den unteren 90 Prozent der Bevölkerung, die dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden.

PG&E, kurz für Pacific Gas and Electric, hat in Kalifornien das staatliche Versorgungsmonopol inne und trägt allein in den letzten zehn Jahren die Schuld an rund 2.000 Waldbränden. Dazu zählt auch die als „Camp Fire“ bezeichnete Feuerkatastrophe im letzten Jahr, bei der mit 85 Opfern so viele Menschen wie nie zuvor in der Geschichte Kaliforniens ums Leben kamen. Durch das immense Feuer wurde die Stadt Paradise komplett zerstört. Der Energieversorger hat nun in einem Großteil der von ihm kontrollierten, über 180.000 Quadratkilometer großen Fläche den Strom abgeschaltet, um einer rechtlichen Haftung für etwaige weitere sozialen Katastrophe zu entgehen.

Die Stromausfälle, die in den betroffenen Gebieten ungeheures Leid verursachen, seien laut dem Unternehmen notwendig, um Menschenleben zu retten, da Waldbrände auf diese Weise verhindert würden. Diese jämmerliche Entscheidung basiert auf dem Recht des Unternehmens, die Geldmittel, die es für die Instandhaltung und Modernisierung der Infrastruktur hätte ausgegeben sollen, in die Taschen seiner Investoren wandern zu lassen.

Während die Mainstream-Medien zu derartigen Vorgängen weitgehend schweigen, handelt PG&E in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Aufsichtsbehörden. Die für öffentliche Versorgungsunternehmen zuständige Behörde CPUC hat in den letzten sieben Jahren die Praxis der „Abschaltung“, ein Euphemismus für vorsätzlich herbeigeführte Blackouts, offiziell genehmigt.

Derzeit muss sich PG&E außerdem vor dem zuständigen Bundesinsolvenzgericht verantworten. Die künstlichen Stromausfälle dienen also vorrangig dazu, dem Gericht und auch Politikern zu verdeutlichen, dass das Unternehmen Millionen von US-Dollar aufs Spiel setzt, um staatliche Richtlinien einzuhalten und seine steuerliche Solvenz und Gewinnfähigkeit zu sichern.

Vor einigen Tagen hatte des nationale Wetterdienst vor hohen Windgeschwindigkeiten gewarnt. Darauf schob PG&E die Entscheidung noch tagelang vor sich her, ehe sie am Dienstag überraschend bekanntgab, dass in Nordkalifornien um Mitternacht der Strom abgeschaltet werde. Da die Stromausfälle sich bis zu einer Woche hinziehen könnten, waren Hunderttausende Bewohner gezwungen, sich um die letzten Batterien, Generatoren, Konserven und weiteren lebensnotwendigen Güter zu raufen, die es in den Supermärkten noch gab.

Am Mittwoch früh rangen schon kurz nach Mitternacht tausende ältere oder behinderte Menschen nach Luft, weil ihre Beatmungsgeräte keinen Strom mehr hatten. Während der morgendlichen Hauptverkehrszeit kam es aufgrund von abgeschalteten Ampeln zu verstopften Kreuzungen, was zu einer nicht bekannten Anzahl unnötiger Auffahrunfälle führte. Die meisten großen Krankenhäuser griffen auf Generatoren zurück, um die Energieversorgung aufrecht zu erhalten. Kleinere medizinische Einrichtungen waren jedoch gezwungen, ihren Betrieb für die Dauer des Stromausfalls einzustellen.

Die meisten Universitäten der Region, darunter auch die University of California in Berkeley, sind derzeit ebenfalls ohne Strom, was zur Gefährdung eingefrorener Forschungsproben und der Abschaltung von Inkubatoren führte. Millionen Dollar an Forschungsgeldern stehen damit auf dem Spiel, und auch die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung könnten zerstört werden. Mindestens achtzehn Schulbezirke in den betroffenen Gebieten waren gezwungen, mehrere oder sogar alle ihre Schulen zu schließen.

Das rücksichtslose Verhalten der PG&E, denen es darum geht, die Aktienkurse für ihre Aktionäre zu steigern, zwingt tausende Unternehmen, den Betrieb einzustellen. 50 Prozent der Produktion des US-Bundestaates, dessen Wirtschaftsleistung mit der weltweit fünftgrößten Volkswirtschaft vergleichbar ist, kam weitestgehend zum Erliegen. Ökonomen schätzen, dass die Stromausfälle zusammengenommen jeden Tag wirtschaftliche Auswirkungen in Höhe von über einer Milliarde Dollar verursachen werden.

Angesichts des Ausmaßes dieser vorsätzlich herbeigeführten sozialen Krise ist es notwendig, ihre historischen und politischen Wurzeln zu untersuchen. Es ist das jüngste in einer langen Reihe von Verbrechen, für die das Energiemonopol und seine finanziellen und politischen Geldgeber verantwortlich sind.

Im Zusammenhang mit der Globalisierung und dem exponentiellen Anstieg des Finanzkapitals in den 1980er Jahren führten Regierungen auf der ganzen Welt umfassende Deregulierungsmaßnahmen ein. Um die Gewinne der Finanzaristokratie zu steigern, nötigten sie der internationalen Arbeiterklasse immer neue Sparmaßnahmen auf.

In den 1990er Jahren führten diese Maßnahmen zu Manipulationen des Energiemarktes durch Unternehmen wie Enron oder anderen. Indem sie die Netzlast abschalteten, verursachten sie Stromausfälle, die Hunderttausende Kunden betrafen. Im Jahr 2001 gaben PG&E und Southern California Edison (SCE) ihren Bankrott bekannt, nachdem sie insgesamt 20 Milliarden Dollar Schulden angehäuft hatten. Der Staat trat damals für sie ein und erließ beiden Unternehmen ihre Schulden. Zum Ausgleich wurden die Preise für die Verbraucher drastisch erhöht. Dies führte dazu, dass Stromkunden in Kalifornien heute fast doppelt so viel zahlen wie im US-Durchschnitt.

Zuletzt galt PG&E als Verursacher von tausenden Waldbränden in Kalifornien, deren Häufigkeit durch den Klimawandel und verheerende Dürren zugenommen hat. Trotz des wissenschaftlichen Fortschritts und der Möglichkeit, sichere und nachhaltige Energiesysteme zu schaffen, haben die Energiemonopolisten und ihre Geldgeber bisher kein bisschen in die Modernisierung ihrer veralteten Infrastruktur investiert.

Es ist hinlänglich bekannt, dass oberirdische, über Holzpfähle geführte Elektroleitungen durch Stahl- oder Erdleitungen ersetzt werden müssen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und Waldbrände zu verhindern. Doch stattdessen erzwingen die Energiemonopolisten massenweise künstliche Stromausfälle.

Während die Medien und PG&E die vermeintlich hohen Kosten für die Modernisierung des Stromnetzes betonen, würde das gesamte Nettovermögen der kalifornischen Milliardäre, das mehr als 500 Milliarden Dollar beträgt, ausreichen, um 400.000 Meilen elektrische Leitungen sicher unter der Erde zu verlegen. Was PG&E betrifft, geht es derzeit gerade einmal um rund 100.000 Meilen an Verteilungsleitungen.

Anstatt jedoch in Verbesserungen der Infrastruktur und Sicherheitsvorkehrungen zu investieren, hat PG&E Insolvenz angemeldet und deutlich gemacht, seine Kosteneinsparungen verdoppeln zu wollen und sie auf diejenigen abzuwälzen, die auf die Stromlieferung des Unternehmens angewiesen sind.

Sowohl im Laufe seiner Geschichte als auch in den letzten Jahren hat der amerikanische Staat PG&E unterstützt, und immer wieder hat er Gesetze und Vorschriften erlassen, um Energiemonopolisten zu begünstigen. In Kalifornien regieren seit langem die Demokraten, deren Politiker von PG&E und anderen Energieriesen regelmäßig Wahlkampfspenden in Millionenhöhe kassieren und getreulich ihren Interessen dienen.

Ein Gesetz, das der ehemalige demokratische Gouverneur Kaliforniens, Jerry Brown, im Jahr 2018 unterzeichnete, ermöglicht es Energiekonzernen, die Kosten für mögliche Brände ab 2019 auf die Verbraucher umzulagern. Weiterhin konnte sich PG&E durch das Gesetz Milliarden US-Dollar leihen, um die Kosten für Brände aus dem Jahr 2017 zu decken und Kredite zu Lasten der Steuerzahler zurückzuzahlen. Gouverneur Brown sagte damals: „Die Versorgungsunternehmen müssen handlungsfähig bleiben. Sie müssen genug verdienen, um als rentables Unternehmen agieren zu können.“

Die künstlich herbeigeführten Stromausfälle verdeutlichen den scharfen Konflikt zwischen den Interessen der Arbeiterklasse und der Finanzaristokratie. Solange PG&E nach privatem Profit geleitet wird, stehen tausende von Leben auf dem Spiel.

Selbst im reichsten US-Bundestaat im reichsten Land der Welt hat sich der Kapitalismus als unfähig erwiesen, eine so elementare Errungenschaft wie die Stromversorgung zu garantieren. Die Blackouts machen deutlich, dass es notwendig ist, PG&E in einen öffentlichen Versorger unter demokratischer Kontrolle der Arbeiterklasse umzuwandeln.

Um die Grundbedürfnisse von Arbeitern in Kalifornien, den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt zu sichern, muss die Arbeiterklasse die politische Macht übernehmen und das Wirtschaftsleben auf der Grundlage der gesellschaftlichen Bedürfnisse, und nicht des privaten Profits, neu organisieren. An die Stelle der kapitalistischen Unvernunft muss Sozialismus treten.

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