Am Donnerstag traf die WSWS in Berlin John Shipton, den Vater von Julian Assange. Shipton berichtete über den Zustand seines inhaftierten Sohnes im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Am Tag zuvor hatte Shipton bereits eine Pressekonferenz gegeben und auf der wöchentlichen Kundgebung „Candles 4 Assange“ vor dem Brandenburger Tor gesprochen, um die Öffentlichkeit über die illegale Inhaftierung seines Sohnes zu informieren und seine Freiheit zu fordern.
Das Interview mit Shipton, einem sehr warmherzigen und mutigen Mann, begann mit einer interessanten und kontroversen Diskussion. Er sprach grundlegende historische und theoretische Fragen an, wie die Gültigkeit des Marxismus und die Realisierbarkeit des Sozialismus. Er stimmte jedoch zu, dass die unmittelbare Aufgabe darin bestehe, gemeinsam eine mächtige, internationale Kampagne zu entwickeln, um die Überstellung von Julian Assange an die USA zu verhindern und seine Freiheit zu sichern.
Shipton, der Assange kurz vor seiner Reise nach Berlin im Belmarsh-Gefängnis besucht hatte, sprach über die schreckliche Situation, in der sich sein Sohn befindet.
„Julian wurde wegen geringfügigen Verstößen zu fünfzig Wochen Einzelhaft in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Er befindet sich 22 bis 23 Stunden pro Tag in Isolationshaft, und die Besuche sind auf zwei im Monat für jeweils zwei Stunden beschränkt. Diese beiden Stunden sind also, wie Sie sich vorstellen können, sehr, sehr wertvoll. Der Monat hat 30 Tage, und er bekommt in diesen 30 Tagen ganze vier Stunden. Hinzu kommt, dass das Belmarsh-Gefängnis fernab liegt und die Anforderungen an die Registrierung komplex sind. Das ist Julians Situation.“
Shipton berichtete, dass sein Sohn grundsätzlich keinen Zugang zu Informationen habe. „Es gibt Einschränkungen beim Zugang zur Bibliothek, zum Fitnessstudio und zu Computern. Bei der Vorbereitung seines Prozesses hat er also keinen Zugang zur Bibliothek, keinen Zugang zu Computern und keinen Zugang zum Internet. Er hat überhaupt keinen Zugang zu irgendwelchen Informationen.“
Seit seiner Inhaftierung im Belmarsh habe sein Sohn 15 Kilo abgenommen, sagte Shipton. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands sei er auf die Krankenstation des Gefängnisses verlegt worden.
„Dort ist er immer noch 23 Stunden am Tag in Isolation, aber jetzt kann er zumindest drei Besuche pro Woche empfangen. Dies ist eine gewisse Verbesserung, aber trotzdem bleibt es ein Hochsicherheitsgefängnis der Kategorie A. Und Julian ist ein Hochsicherheitsgefangener der Kategorie B. Sein Gesundheitszustand hat sich verschlechtert, und er hat einen Punkt erreicht, an dem er sterben könnte. Dabei ist er jemand, der nichts getan hat. Julian ist ein Journalist wie Sie. Er hat einen immensen Beitrag zum Weltjournalismus geleistet. Wikileaks hat enorme Beiträge geleistet, unschlagbare Beiträge.“
Unter anderem hat WikiLeaks das berüchtigte „Collateral Murder“-Video veröffentlicht, das die gezielte Ermordung von Zivilisten und Reuters-Journalisten in Bagdad dokumentiert. Wir sprachen auch kurz über die zahlreichen diplomatischen Depeschen der USA, die die Verschwörungen und kriminellen Aktivitäten der US-Botschaften und -Konsulate auf der ganzen Welt aufdecken. Ich verwies darauf, dass die Enthüllungen von WikiLeaks im Jahr 2011 dazu beigetragen hatten, die revolutionären Massenaufstände in Tunesien und Ägypten zu inspirieren.
Shipton nickte: „Es gab auch die Enthüllung, dass Angela Merkels persönliches Telefon von einer amerikanischen Spionagebehörde abgehört wurde. Das ist schockierend, und ich hoffe, die deutsche Bevölkerung wird dafür sorgen, dass die Regeln zwischen den Ländern in jeder Hinsicht eingehalten werden. Insbesondere die internationalen Asylabkommen, die im Fall von Julian nicht eingehalten wurden. Es wäre ein großer Vorteil für die Menschen in Großbritannien und die Stellung des Vereinigten Königreichs in der Familie der Nationen, wenn die britische Regierung die von ihr unterzeichneten internationalen Abkommen einhalten würde.“
Shipton verurteilte, dass sein Sohn wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Kautionsauflagen in einem Höchstgefängnis festgehalten wird. „Julian kann gar nicht dafür angeklagt werden, weil er ein Asylbewerber ist und damit unter die Konventionen fällt, die das Vereinigte Königreich unterzeichnet hat.“
Assange sei „ein Journalist“, und „jeder Journalist“ müsse „ein Interesse daran haben, dass jeden Tag die Wahrheit über Julians Situation“ berichtet werde. „Zeitungen sollten ein großes Interesse an Assange haben, denn auch ihre Freiheit zu veröffentlichen, zu recherchieren wird eingeschränkt werden und wird bereits eingeschränkt. Ich weiß, dass der Suchtraffic über Google zur World Socialist Web Site um über 40 Prozent zurückgegangen ist. Das ist die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung. Es liegt an uns und den Zeitungen und Nachrichtenorganisationen, dafür zu sorgen, dass Julian frei kommt. Es geht um die Verteidigung der Meinungsfreiheit.“
Auf die Frage, ob sein Sohn sich der großen Unterstützung bewusst sei, die er von Arbeitern und Studierenden weltweit erhalte, sagte Shipton: „Ja, das ist er. Und ich werde ihm von meinen Erfahrungen hier berichten, wenn ich ihn das nächste Mal am 8. Oktober sehe. Ich bin überrascht, wie groß die Unterstützung in Deutschland auf allen Ebenen der Gesellschaft ist: von Parlamentariern über Schriftsteller bis hin zu Malern und Journalisten. Hier gibt es eine sehr, sehr starke Unterstützung. Ich denke, die Lösung für Julians Problem liegt bei der europäischen Bevölkerung. Sie muss sich zusammenschließen, um sicherzustellen, dass Übereinkommen und Gesetze eingehalten werden und die Medien Julian unterstützen. Ich denke, die Antwort liegt bei den Menschen – den Menschen, die darauf bestehen, dass die Regierungen etwas tun, um Julians Freiheit wiederherzustellen.“
Am Ende des Interviews kam das Gespräch auf Carl von Ossietzky, den wohl bekanntesten Antikriegsjournalisten in Deutschland in den 1920er und 1930er Jahren. Ähnlich wie Assange wurde Ossietzky 1931 wegen des Verrats militärischer Geheimnisse verhaftet, weil er die illegale Aufrüstung der Reichswehr aufgedeckt hatte. Er kam 1932 im Zuge einer Weihnachtsamnestie frei, wurde aber kurz Zeit später von den Nazis wieder verhaftet, die ihn folterten, was zu seinem frühen Tod 1938 beitrug.
„Ich kann die Parallelen sehen“, sagte John Shipton, „aber ich bin nicht ganz glücklich damit, denn wie bei Gramsci [dem italienischen Antifaschisten und Marxisten] kam es zu einem sehr bitteren Ende. Wir müssen sicherstellen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Das ist unsere Aufgabe. Und ich denke, wir werden gewinnen.“