Simbabwes Ex-Präsident Robert Mugabe stirbt mit 95

Robert Mugabe, erster gewählter Präsident Simbabwes, der das Land nahezu vier Jahrzehnte regierte, starb am 6. September im Alter von 95 Jahren. Die Nachricht von seinem Tod kam aus Singapur, wo er sich zur medizinischen Behandlung aufhielt.

Mugabe gehörte zu den letzten noch lebenden Führern des antikolonialen Befreiungskampfs in Afrika, die nach Erlangung der Unabhängigkeit ihrer Staaten an die Macht kamen. Wie viele, die vor ihm starben, – u.a. Nkrumah (Ghana), Sékou Touré (Guinea), Kenyatta (Kenia), Nyerere (Tansania), Machel (Mozambik) und Mandela (Südafrika) –, erbrachte auch seine Herrschaft den Beweis für die organische Unfähigkeit der bürgerlichen Nationalisten Afrikas, die Bestrebungen der afrikanischen Massen nach Freiheit von ausländischer Herrschaft, nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit zu erfüllen.

Die Reaktionen auf seinen Tod fielen gemischt aus. Washington und London bezeugten denen, die um Mugabe trauerten, Beileid; das US-Außenministerium kritisierte, „seine Menschenrechtsverletzungen und krasses wirtschaftliches Missmanagement verurteilten Millionen zu Armut und verrieten die Hoffnungen der Bevölkerung in ihre Nation“. Das britische Außenministerium kommentierte, „die Bevölkerung Simbabwes hat zu lange unter der autokratischen Herrschaft Mugabes gelitten.“

Wer würde da vermuten, dass Henry Kissinger zu denen gehörte, die Mugabes Aufstieg zur Macht förderten, was Washington seinerzeit begrüßte; oder dass das Vereinigte Königreich eine ähnliche Rolle spielte und ihn 1994 sogar mit dem Honorary Knighthood ehrte. Oder dass es das brutale Sanktionsregime der beiden imperialistischen Mächte war, das die Lebensbedingungen der „verarmten Millionen“ deutlich verschlechterte.

Mehrere afrikanische Staatsoberhäupter sprachen sich anerkennend über Mugabe aus. Kenias Präsident Uhuru Kenyatta, Sohn von Kenias Befreiungsführer und erstem Präsidenten, dessen Vermögen auf 500 Millionen US-Dollar geschätzt wird, ließ die Flaggen für drei Tage auf Halbmast setzen und pries den Verstorbenen als „Verkörperung des panafrikanischen Geistes“; er habe darauf bestanden, dass „afrikanische Probleme afrikanische Lösungen brauchen.“

Auch der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, ehemals Gewerkschaftsführer und inzwischen schwerreicher Geschäftsmann, dessen persönliches Vermögen auf 550 Millionen geschätzt wird, trauerte „über den Tod eines Befreiungskämpfers und Vertreters der afrikanischen Sache gegen den Kolonialismus.“

Sie zollen Mugabe Anerkennung, weil er einer der ihren ist, einer Gruppe von korrupten Staatsführern, die sich auf Kosten der afrikanischen Arbeiter und Unterdrückten bereichert haben.

Als Mugabe gestürzt wurde, durfte er seine Geschäftsanteile behalten, und er erhielt eine Zahlung von 10 Millionen Dollar. Ein von WikiLeaks 2001 veröffentlichtes Diplomaten-Kabel bezifferte sein Vermögen auf 1.75 Mrd. Dollar, die größtenteils in Auslandsinvestitionen stecken.

Am Ende seines Lebens hatte Mugabe sich weit entfernt von seinen Ursprüngen als junger Lehrer aus einer verarmten Familie. In den 1940er Jahren hatte er ein Stipendium für ein Studium an der University of Fort Hare bewilligt bekommen. Dort lernte er den Afrikanischen Nationalkongress kennen, dem er beitrat, und Mitglieder der Kommunistischen Partei Südafrikas, die ihn mit dem Marxismus bekannt machten. Später äußerte er einmal, dass nicht Marx, sondern Ghandi ihn am stärksten beeinflusst habe.

In den späten 1950er Jahren ging er nach Ghana, einer der ersten unabhängigen Staaten Afrikas, und besuchte dort das Kwame Nkrumah Ideological Institute in Winneba. Bei seiner Rückkehr nach Simbabwe, das damals noch Rhodesien hieß und britische Kolonie war, schloss er sich der afrikanischen antikolonialen nationalen Bewegung an, die gerade gegründet worden war. Parallel zum Anwachsen nationalistischer Gefühle und Forderungen nach Gleichheit unter der schwarzen Bevölkerungsmehrheit verstärkte sich die Opposition der weißen herrschenden Elite gegen den Rückzug Großbritanniens als Kolonialmacht. 1965 erklärte Rhodesien einseitig seine Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich, um eine Regierung der schwarzen Mehrheit zu verhindern.

1963 wurde die Zimbabwe African National Union (ZANU) gegründet und Mugabe zu ihrem Führer gewählt. Während die konservativen nationalistischen Führer für die Bildung einer Exilregierung eintraten, rief Mugabe zum bewaffneten Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft und die Herrschaft der weißen Minderheit auf. ZANU wurde 1964 verboten und Mugabe noch im selben Jahr verhaftet. Bis 1974 blieb er in Haft.

Bei seiner Freilassung war bereits ein Guerillakrieg im Gang, der von Lagern in Tansania und Sambia aus geführt wurde, später, nach dem Fall des portugiesischen Kolonialismus, aus Mosambik.

Die bewaffneten Operationen wurden von einer Gruppe junger Kommandeure geleitet, die vashindi bzw. Arbeiterbewegung genannt wurden. Sie wollten die militärischen Kräfte der ZANU, deren Basis die Mehrheit der Shona war, und die der Zimbabwe African People‘s Union (ZAPU) vereinen, deren Führer Joshua Nkomo war, und die sich auf die Minderheit der Ndebele stützte. Die vashindi-Fraktion hatte auch Schulungen organisiert, um Kämpfer mit elementaren marxistischen Auffassungen vertraut zu machen.

Anfang 1977 konnte Mugabe den Präsidenten von Mosambik, Samora Machel, bewegen, die vandishi-Führer zu verfolgen und zu inhaftieren. Sie kamen erst 1980 wieder auf freien Fuß, nach der Wahl Mugabes zum Premierminister von Simbabwe. Er sah die vandishi als unvereinbar mit seinem eigenen Führungsanspruch, weil sie ethnische Grenzen zu überwinden suchten, vor allem aber wegen ihrer Opposition gegen Mugabes Teilnahme an einer Konferenz, die das britische Außenministerium in Genf organisiert hatte, und die Kissinger, der damalige US-Außenminister, entschieden unterstützte.

Mugabes Kontakte mit den imperialistischen Großmächten gipfelten in den Lancaster House- Gesprächen, unter der Schirmherrschaft der britischen Regierung. Sie fanden im September 1979 unter der Leitung von Lord Carrington statt, nachdem Mugabe und Nkomo, die zuvor ZANU und ZAPU zur Patriotischen Front (PF) vereint hatten, das Ende des bewaffneten Kampfes ausgerufen hatten.

Schließlich willigten sie in das von der rechten britischen Regierung unter Margaret Thatcher diktierte Abkommen ein. Es sah eine feste Anzahl von Parlamentssitzen für die weiße Minderheit vor, schrieb den Kapitalismus als Wirtschaftsordnung Rhodesiens fest, verschob eine wirkliche Landreform um ein Jahrzehnt, gewährte Simbabwe den Status eines blockfreien Landes und verpflichtete Simbabwe auf friedliche Koexistenz mit dem südafrikanischen Apartheidregime.

Lord Carrrington bemerkte später, Mugabe habe zwar bei den Lancaster House-Gesprächen marxistische Rhetorik bemüht, aber „natürlich hat das für sein Handeln keine Rolle gespielt. In der Regierungsverantwortung wurde er zum Kapitalisten.“

Mugabe und seine Partei, die jetzt ZANU-PF hieß, kamen durch Wahlen 1980 an die Macht, nachdem sie so zugesichert hatten, die Interessen der internationalen Konzerne zu wahren, die den Bergbau und die Landwirtschaft kontrollierten, ebenso die Interessen der weißen Großgrundbesitzer.

Mugabe holte Nkomo und andere ZAPU-Führer zunächst in sein Kabinett, entließ sie aber wieder im Zuge wachsender Spannungen zwischen ZANU-PF und ZAPU. Diese gipfelten Anfang 1983 in der Invasion Matabelelands, wo die ZAPU ihre Basis hatte. Eine Brigade, die allein Mugabe verantwortlich war, führte Massenexekutionen, Folter und eine Blockade von Nahrungsmittellieferungen durch, was zu zahlreichen Toten durch Verhungern führte. Nach Schätzungen gab es bis zu 20.000 Opfer, womit die Zahl der Getöteten während des gesamten Krieges gegen die weiße Minderheitsregierung beträchtlich überschritten wurde.

Weder die USA noch die britische Regierung, die beide Mugabe später verteufelten, protestierten gegen das Massaker in Matabeleland. Sie sahen in der ZANU-PF, die inzwischen enge Beziehungen zu China geknüpft hatte, das kleinere Übel im Vergleich zur ZAPU, die mit der Sowjetunion Beziehungen unterhielt.

Die Mugabe-Regierung festigte ihr repressives Regime; gleichzeitig konnte sie in den 1980ern sozialstaatliche und Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen verabschieden, weil die Wirtschaft des Landes wuchs und die Regierung sich einer wohlwollenden Haltung westlicher Mächte erfreute, die eine Annäherung des jetzt unabhängigen Landes an Moskau verhindern wollten.

Nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 sahen Washington und London sowie die Europäische Union allerdings keinen Grund mehr, Simbabwe weitere Zugeständnisse zu machen.

Die Sozialreformen Mugabes und sein Netz aus Seilschaften und Vetternwirtschaft galten dem Westen nun immer mehr als nicht hinnehmbare Hindernisse für die Profitinteressen des internationalen Kapitals. Die gesamten 1990er Jahre hindurch schränkte der Internationale Währungsfonds die Kreditvergabe ein und verlangte, dass das Land sich für ausländische Investoren und Privatisierungen öffne; außerdem forderte das Strukturanpassungsprogramm des IWF, dem Mugabe seine Zustimmung erteilt hatte, eine drastische Verschärfung der Ausbeutung.

Soziale Unruhen, auch Generalstreiks zwischen 1997 und 1999, waren die Folge. Doch der Gewerkschaftsverband Simbabwes (ZCTU) griff Mugabe von rechts an. Er verbündete sich 2000 mit der Bewegung für einen demokratischen Wandel (MDC) mit Geschäftsleuten und Farmern. Die MDC versprach, „Privatisierungen vorzunehmen und das Vertrauen der Wirtschaft wiederherzustellen.“

Mugabe stellte sich dem Angriff ausländischer und nationaler Kapitalinteressen nicht entgegen, sondern suchte die Last der Wirtschaftskrise auf die Arbeiterklasse in den urbanen Zentren abzuwälzen. Gleichzeitig ermutigte er begrenzte Enteignungen von Ländereien weißer Farmer, um sich bei enttäuschten ehemaligen Soldaten des Befreiungskampfes und der überwiegend ländlichen Basis der ZANU-PF einzuschmeicheln. Er kommentierte: „Unsere Wurzeln sind auf dem Land und nicht in den Fabriken.“

Doch die Landnahmen verschlimmerten nur die Armut der Arbeiterklasse und der Armen auf dem Land. Ihnen lag kein zentralisierter Plan zur Entwicklung der Landwirtschaft nach kollektiven Kriterien zugrunde. Sie brachen große und ertragreiche landwirtschaftliche Unternehmen auf in kleine, der Selbstversorgung dienende Höfe, die den heimischen Markt nicht versorgen, geschweige denn Exporterlöse erzielen konnten.

Die Landenteignungen, Mugabes Nichterfüllung der Vorgaben des IWF und die Repressionsmaßnahmen der Regierung gegen die proimperialistische MDC-Opposition brachten die imperialistischen Mächte gegen Zimbabwe auf; 2002 und 2008 verhängten sie Strafsanktionen gegen das Land. 2008 erkannte die britische Regierung Mugabe den Honorary Knighthood ab.

In diesen Jahren erkannten die westlichen Mächte plötzlich, dass Mugabe ein Autokrat war und sie verurteilten seine diktatorischen Maßnahmen. Das wird immer nur dann zum Problem, wenn ein Land sich den westlichen Diktaten nicht beugt. Dagegen wird anderen Regimen, von Saudi-Arabien bis Uganda, für ähnliche oder weit schwerere Verbrechen ein Freibrief ausgestellt.

Doch diese Herrschaftsmethoden sind nicht das Ergebnis „böser“ Individuen, sondern resultieren aus der objektiven Stellung der bürgerlich-nationalistischen Regime in den früheren Kolonien. Sie sind bedrängt vom Druck des Weltimperialismus einerseits und den revolutionären Bestrebungen der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen anderseits, und vollkommen unfähig, eine wirklich unabhängige Politik zu verfolgen.

Um den Sanktionen zu begegnen, verkündete Mugabe eine Politik des „Blicks nach Osten“. Russische und vor allem chinesische Investitionen sollten westliches Engagement ersetzen. Das half jedoch nicht, Simbabwes untergeordnete Stellung im Verhältnis zum kapitalistischen Weltmarkt aufzuwerten. Die Wirtschaft des Landes steuerte weiterhin auf einen Zusammenbruch zu und das Handelsdefizit schnellte weiter nach oben.

Um seine Position in der ZANU-PF zu stärken, führte Mugabe eine Politik der „Indigenisierung“ durch. Alle Unternehmen, deren Wert auf über 500.000 US-Dollar geschätzt wurde, sollten zu 51 Prozent in den Besitz von Simbabwe übergehen. Diese Politik, die nur Mugabe und seinen wohlhabenden Kumpanen nutzen konnte, verärgerte die ausländischen Investoren, Beijing eingeschlossen.

Emmerson Mnangagwa, seit den 1950er Jahren einer der treuesten Bundesgenossen Mugabes, und verantwortlich für das Massaker in Matabeleland, wandte sich an das Militär, um von Beijing grünes Licht für einen Putsch gegen Mugabe zu bekommen. Er versprach bessere Investitionsbedingungen und eine Handelspolitik, die auch den westlichen Kapitalisten zugute kommen sollte. Wie Mnangagwa nach dem Putsch sagte: „Simbabwe ist offen für Geschäfte.“

Mnangagwa, nach dem Putsch gegen Mugabe als Reformer gefeiert, setzte nur kurz nach der Machtübernahme Truppen gegen Demonstranten ein und ließ bei Protesten der Arbeiterklasse und der Armen gegen 200 Prozent Inflation und Massenarbeitslosigkeit Tausende verhaften.

Mugabes Schicksal teilten alle bürgerlich-nationalistischen Führer und Staaten, die in der Zeit der Dekolonisierung nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Viele von ihnen bewiesen wie er beträchtlichen Mut, gingen ins Gefängnis, erlebten Folter und Unterdrückung. Doch sie erwiesen sich als unfähig, wirkliche Unabhängigkeit vom Imperialismus zu erreichen und wirklich demokratische Formen der Herrschaft zu schaffen oder die sozialen Bestrebungen der Masse der Unterdrückten zu befriedigen. Vielmehr machten sie und eine neue aufstrebende Bourgeoisie sich die vom Kolonialismus ererbten Staatsstrukturen zunutze und nutzten sie, um revolutionäre Bedrohungen von unten zu unterdrücken.

Diese bitteren Erfahrungen bestätigten auf negative Weise die Theorie der permanenten Revolution, die der große russische Revolutionär Leo Trotzki vertrat und die verteidigt wird von der Vierten Internationale, die er 1938 gründete. Sie erklärt, dass in den kolonialen und unterdrückten Ländern nur der Kampf der Arbeiterklasse um die Macht den Kampf gegen den Imperialismus voranbringen und den Arbeitern und unterdrückten Massen wirkliche nationale Befreiung und demokratische und soziale Rechte sichern kann. Diese Revolution ist permanent in dem Sinn, dass die Arbeiterklasse sich nach der Machtergreifung nicht auf demokratische Aufgaben beschränken kann, sondern gezwungen ist, sozialistische Maßnahmen durchzuführen. Gleichzeitig ist die Revolution in einem weiteren Sinn permanent: Sie kann nur siegreich sein, wenn sie in einem vereinten Kampf der internationalen Arbeiterklasse für die sozialistische Weltrevolution auf andere Länder ausgedehnt wird.

Für Simbabwe und jedes afrikanische Land bedeutet dies, dass die Arbeiterklasse ihre politische Unabhängigkeit von allen Vertretern der nationalen Bourgeoisie und von den imperialistischen Mächten, sowie von den Gewerkschaften, die sie unterstützen, wahren muss. Die fortgeschrittenen Arbeiter und Jugendlichen müssen den Aufbau von Sektionen der Vierten Internationale in Angriff nehmen, um für ein sozialistisches Simbabwe und für Vereinigte Sozialistische Staaten von Afrika zu kämpfen und mit Arbeitern in den USA, Großbritannien und anderen imperialistischen Staaten eine vereinte Bewegung für den Sozialismus zu schmieden.

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