Chelsea Manning: 441.000 Dollar Geldstrafe und ein weiteres Jahr Haft

Am 5. August hat Bundesrichter Anthony Trenga einen Antrag der inhaftierten Whistleblowerin Chelsea Manning abgelehnt, die Verhängung drastischer Geldstrafen zu überdenken. Sie sollen Manning zwingen, ihre prinzipienfeste Haltung aufzugeben und vor einer Grand Jury gegen Julian Assange auszusagen. Gegen den WikiLeaks-Gründer und -Herausgeber werden fingierte Anklagepunkte erhoben.

Manning befindet sich seit 149 Tagen in Beugehaft im städtischen Gefängnis von Alexandria. Für jeden Tag, an dem sie die Aussage verweigert, wurde sie anfangs zu 500 Dollar verurteilt, ab dem zweiten Monat zu 1.000 Dollar täglich. Mittlerweile beläuft sich die Geldstrafe auf 40.000 Dollar.

Falls die Grand Jury nicht vor Ende ihrer 18-monatigen Sitzungszeit aufgelöst wird, drohen Manning weitere 400 Tage Haft und eine Gesamtstrafe in Höhe von 441.000 Dollar.

Die 31-jährige ehemalige Analystin des Militärgeheimdienstes ist das Opfer eines Rachefeldzugs der Trump-Regierung. Sie hat mitgeholfen, US-Kriegsverbrechen in Afghanistan und dem Irak aufzudecken. Sie hat WikiLeaks Hunderttausende militärische Dokumente, diplomatische Depeschen und das berüchtigte Video „Collateral Murder“ zugespielt. Letzteres zeigt den Angriff eines Apache-Kampfhubschraubers in Bagdad, bei dem mindestens ein Dutzend Zivilisten und zwei Reuters-Journalisten getötet wurden.

Manning wurde bereits 2013 in mehreren Anklagepunkten, u.a. wegen Verstößen gegen das Spionagegesetz, schuldig gesprochen. Sie verbrachte sieben Jahre im Militärgefängnis, ein Jahr davon in Einzelhaft, bevor Präsident Barack Obama ihr den Rest ihrer 35-jährigen Haftstrafe erließ. Hierbei handelte es sich um den zynischen Versuch Obamas, kurz vor Ende seiner Amtszeit seine Bilanz aufzupolieren.

Julian Assange befindet sich derweil im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Nachdem die Londoner Polizei ihn rechtswidrig aus der ecuadorianischen Botschaft gezerrt hatte, in der er Asyl gefunden hatte, wurde er sehr schnell wegen eines fingierten Verstoßes gegen seine Kautionsbedingungen schuldig gesprochen. Nun erwartet ihn am 25. Februar eine Anhörung über seine Auslieferung an die USA.

Assange droht momentan eine Anklage in 18 Punkten, darunter wegen 17 Verstößen gegen das Spionagegesetz, die mit bis zu 175 Jahren Gefängnis bewehrt sind, weil er die Informationen, die er 2010 von Manning erhalten hatte, der Öffentlichkeit mitteilte.

Letzten Monat hat Bezirksrichter John Koeltl eine Klage des Nationalkomitees der Demokratischen Partei (DNC) zurückgewiesen, die WikiLeaks und Assange als Komplizen der russischen Regierung verunglimpften, weil sie während der Präsidentschaftswahl 2016 die E-Mails des DNC veröffentlicht hatten. Koeltls Urteil hat nun bestätigt, dass Assange als aufrechter Journalist handelte, was auch die fortwährenden Versuche verurteilt, Assange wegen der Veröffentlichung der von Manning erhaltenen Dokumente anzuklagen.

Dass Chelsea Manning weiterhin in Beugehaft sitzt und zu einer Aussage gezwungen werden soll, lässt erkennen, dass die US-Regierung noch weitere Anklagen gegen Assange erheben will. Diese sollen erst dann bekannt werden, wenn er sich in den Händen der USA befindet. Nach aktuellem britischem und amerikanischem Recht ist es aber nicht zulässig, nach einem offiziellen Auslieferungsantrag noch weitere Anklagen zu erheben.

Die Anklage wegen Verschwörung zum Eindringen in einen Computer diente der ecuadorianischen Regierung dazu, die Beendigung von Assanges Asyl und seine Ausweisung aus der Londoner Botschaft zu rechtfertigen. In dieser Anklage wird auch Manning als Mitverschwörerin genannt. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass auch gegen sie wieder Anklage erhoben werden könnte.

Allerdings ist Manning zurzeit wegen keines Verbrechens angeklagt, und deshalb kann auch keine gesetzliche Strafe gegen sie verhängt werden. Trenga bemühte sich in seinem Urteil, zu betonen, dass die Geldstrafen nur ein Ordnungsmittel und keine Strafe seien.

Trenga ist 2008 von George W. Bush an das Gericht berufen worden. Er erklärte in seinem Urteil, es gebe keine „vernünftigen Gründe“, die drakonischen Strafen zu überdenken. Manning habe „die Möglichkeit, die finanziellen Sanktionen des Gerichts zu erfüllen, oder wird sie nach ihrer Freilassung haben“.

Ihre Anwälte argumentieren, dass die Strafen keine Zwangsmaßnahmen, sondern Strafmaßnahmen sind, denn Manning werde sich durch nichts dazu bringen lassen, vor dieser oder irgendeiner anderen Grand Jury auszusagen. Zudem drohe ihr durch die beispiellosen Geldstrafen der finanzielle Ruin.

Manning hat bereits ihre Wohnung verloren, verfügt über keinerlei persönliche Ersparnisse und kann während ihrer Haft nicht arbeiten. Ihre einzige Einkommensquelle vor ihrer Verhaftung waren gelegentliche Rednerhonorare.

Trotz der immer weiter steigenden Strafen und der fortdauernden Haft blieb Manning ihren Überzeugungen treu.

Zu der Gerichtsentscheidung erklärte sie: „Ich bin enttäuscht, aber keineswegs überrascht. Die Regierung und der Richter müssen mittlerweile wissen, dass das an meiner Haltung nicht das Geringste ändert.“ In einer Anhörung während ihrer Beugehaft im Mai erklärte Manning gegenüber Trenga, sie würde „lieber verhungern, als meine Meinung in dieser Hinsicht zu ändern“.

Ende Juli veröffentlichte sie einen Brief, in dem sie ihre prinzipienfesten Einwände gegen das Grand-Jury-System im Allgemeinen und seinen Einsatz gegen Assange und WikiLeaks im Besonderen schilderte.

Manning schrieb: „Ich glaube an den Rechtsstaat, an die Pressefreiheit und an ein transparentes Gerichtssystem. Ich protestiere gegen den Einsatz der Grand Jury als Werkzeug zur Zerstörung schutzbedürftiger Gemeinschaften. Ich protestiere vor allem gegen diese Grand Jury, die Journalisten und Herausgeber einschüchtern soll, die einem wichtigen öffentlichen Gut dienen. Ich vertrete diese Werte seit meiner Kindheit, und ich hatte mehrere Jahre im Gefängnis Zeit, darüber nachzudenken. Während eines Großteils dieser Zeit hing mein Überleben von meinen Werten, meinen Entscheidungen und meinem Gewissen ab. Ich werde sie jetzt nicht aufgeben.“

Die World Socialist Web Site und die Parteien des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) hatten im Juni zur Bildung eines globalen Verteidigungskomitees aufgerufen, um Assanges und Mannings Freiheit zu sicherzustellen. Das IKVI und andere Unterstützer von WikiLeaks organisieren weltweit Proteste und Aktionen, um auf die Verfolgung von Assange und Manning aufmerksam zu machen, u.a. in England, Australien, Sri Lanka, Indien und Berlin.

Für Manning und Assange drängt die Zeit. Laut dem Journalisten John Pilger verschlechtert sich Assanges Gesundheitszustand, zudem wird er schlimmer behandelt als ein potenzieller Mörder. Der Angriff auf Manning und Assange ist Teil eines globalen Angriffs auf demokratische Rechte und zielt darauf ab, Journalisten zum Schweigen zu bringen und jeden einzuschüchtern, der die Kriegsverbrechen der imperialistischen Mächte bloßstellt.

Die Freilassung von Manning und Assange kann nicht durch moralische Appelle an die Regierungen in London, Canberra, Quito und Washington DC erreicht werden, da sie alle an der Verschwörung beteiligt sind. Diese Bewegung muss von unten kommen, in Form einer Kampagne zur Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse, sowie von Schülern, Studenten, Künstlern, Intellektuellen und Journalisten, um das Leben der beiden mutigen Kämpfer zu retten.

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