Am Mittwochabend hielt US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlveranstaltung in Greenville (North Carolina) eine faschistische Hetzrede, während seine Anhänger Drohungen gegen vier weibliche Kongressabgeordnete der Demokraten brüllten.
Der Abgeordneten Ilhan Omar aus Minnesota warf Trump vor, sie habe „die US-Soldaten verunglimpft, die an Blackhawk Down [Schlacht von Mogadischu 1993] beteiligt waren“, die „Anschläge vom 11. September verharmlost“ und Al-Qaida unterstützt. Seine Anhänger grölten „Schick sie zurück!“
Er bezeichnete Omar, Alexandria Ocasio-Cortez, Rashida Tlaib und Ayanna Pressley als „Linksextremisten, die alles ablehnen, wofür unsere Nation steht“. Sie seien „Sozialisten“, die „unser Land hassen“ und „unsere Verfassung zerstören, unser Militär schwächen und die Werte abschaffen wollen, auf denen dieses großartige Land basiert“. Seine Angriffe waren ein kaum verhohlener Aufruf zur Gewalt.
Trump wiederholte seine Aussage, dass jeder, der die Regierung kritisiere, „jederzeit gehen kann. Wenn sie Amerika nicht lieben, sag ihnen, dass sie es verlassen sollen.“
Seine Angriffe auf Ocasio-Cortez waren offen rassistisch. Er nannte sie nur „Cortez“ und höhnte: „Ich habe keine Zeit, drei unterschiedliche Namen zu benutzen, das dauert zu lange“, worauf die Menge begeistert applaudierte. Menschen mit lateinamerikanischer Herkunft benutzen neben ihrem Vornamen traditionellerweise zwei Nachnamen, den ihres Vater und den ihrer Mutter.
Trump attackierte auch Anti-Trump-Demonstranten, die er als „kranke, schlechte Menschen“ bezeichnete. Über „Antifa“-Demonstranten, die unter anderem 2017 mit Neonazi-Gangs in Charlottesville (Virginia) zusammengestoßen waren, sagte Trump: „Das sind schlechte Menschen. Sie kriegen nur keine schlechte Presse.“
Während Trump keine Kritik an dem faschistischen Mob übte, der in Charlottesville die 32-jährige Anti-Trump-Demonstrantin Heather Heyer ermordet hatte, nannte er die Anti-Nazi-Demonstranten „sehr böse. Sie schlagen Leute mit Stöcken und sogar Schlagstöcken auf den Kopf. Sie tauchen immer maskiert auf, und dann gehen sie heim zu Mama und Papa. Sie greifen immer Leute an, die sich nicht wehren können.“ Dann fügte er mit Blick in die Menge hinzu: „Aber nicht diese Gruppe.“ Damit deutete Trump an, sein Publikum solle Demonstranten körperlich angreifen.
Während Trump den Sozialismus und die Gegner seiner Regierung verurteilte, lobte er die Demokratische Partei und erklärte, nur ein paar Demokraten seien „gegen Arbeiter, gegen Familien, gegen Jobs und gegen Amerika.“
Als er die Bühne betrat, waren seine ersten Worte sogar ein Lob an die Demokraten, die das Amtsenthebungsverfahren gegen ihn abgelehnt hatten. Er erklärte ausdrücklich, dass „alle Demokraten, die heute für uns gestimmt haben“, von seiner Kritik ausgenommen seien.
Gemeint war die Mehrheit der demokratischen Fraktion des Repräsentantenhauses, die gegen die Resolution für ein Amtsenthebungsverfahren gestimmt hat, die der texanische Demokrat Al Green eingebracht hatte. 137 Demokraten hatten dafür gestimmt, den Antrag zu stoppen. Trump kommentierte: „Sie sind in Ordnung. Wenn man gegen sie verliert, ist das okay, das ist was anderes, das ist das normale politische Hin und Her.“
Die Demokratische Partei appellierte sogar an Trump, während dieser seine Hetzrede in North Carolina hielt. Der Journalist Scott Wong schrieb auf Twitter, Nancy Pelosi habe am Nachmittag auf einer Pressekonferenz erklärt, sie „nenne Trump keinen Rassisten, sie nenne nur seine Wortwahl rassistisch“.
Die Demokraten beeilten sich, ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Trump in der Frage der Schuldenobergrenze zu erklären, die im September abläuft. Politico schrieb am Mittwoch: „Die toxische Beziehung zwischen Trump und der Opposition erreicht weiter neue Tiefpunkte. Das hält die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und ihre Partei jedoch nicht davon ab, mit ihm zusammenzuarbeiten, um finanzielle Katastrophen zu verhindern und im Herbst vielleicht sogar sein Handelsabkommen durchzusetzen.“
In den Augen der Demokratischen Partei ist die Zusammenarbeit mit Trump bei der Erhöhung der Militärausgaben und der Verringerung des Defizits wichtiger als die Bedenken wegen seiner faschistischen Appelle.
Politico machte deutlich, dass die Demokraten mit Trump zusammenarbeiten wollen, weil sie fürchten, dass bei Haushaltskürzungen auch „die Verteidigungsprogramme um Milliarden Dollar gekürzt werden können. Ein solches Szenario wollen die Demokraten auf jeden Fall verhindern.“
Der Demokrat für Kalifornien, Ro Khanna, der Bernie Sanders unterstützt, erklärte: „Wir werden deutlich reagieren, aber das soll unsere Regierungsfähigkeit nicht beeinträchtigen.“
Senator Richard Blumenthal fügte hinzu: „Jeder weiß, dass wir einen Haushaltsentwurf brauchen, dass wir die Schuldenobergrenze erhöhen müssen. Es sind nicht so sehr die Tweets, die das wirklich schwer machen, sondern die Unberechenbarkeit und Irrationalität des Weißen Hauses und seine Unfähigkeit, sich zu benehmen.“
Während Trump die Demokraten für ihre Kooperation lobte, kündigte das Pentagon am Mittwoch die Entsendung von weiteren 2.100 Soldaten an die mexikanische Grenze an, darunter 1.100 aktive Soldaten und 1.000 Mitglieder der texanischen Nationalgarde. Damit steigt die Gesamtzahl der dort stationierten Truppen auf 6.600.
Ein Vertreter des Militärs erklärte, die Soldaten würden die Konzentrationslager bewachen und „operative, logistische und administrative Unterstützung“ leisten.
In seiner Rede in North Carolina verurteilte Trump die „extremistischen“ Behauptungen, die Beamten der Einwanderungs- und Grenzschutzbehörden ICE und CBP seien „Nazis“, die „Konzentrationslager“ bewachen. Er behauptete, die Inhaftierten seien so verzweifelt und verarmt, dass sie sich gerne in Lager stecken ließen: „Sie haben dort Wasser, Klimaanlagen und andere Dinge, die sie noch nie gesehen haben.“
Er lobte ICE und sagte, sie würden „Nester“ von Immigranten ausheben. Bandenmitglieder bezeichnete er als „wilde Bestien“ und fügte hinzu: „Ich finde, das sind keine Menschen.“
Die politische Krise beschleunigt den Zusammenbruch der restlichen „demokratischen“ Herrschaftsformen in den Machtzentralen.
Nur wenige Minuten nachdem die Demokraten gegen das Amtsenthebungsverfahren gestimmt hatten, votierten sie dafür, Trumps Justizminister William Barr und Handelsminister Wilbur Ross wegen Missachtung des Kongresses anzuklagen. Die beiden waren nicht der Vorladung nachgekommen, vor dem Kongress zu erläutern, warum sie beim Zensus für das Jahr 2020 nach der Staatsbürgerschaft fragen wollen.
Viele Vertreter der Trump-Regierung haben sich Vorladungen des Kongresses widersetzt und damit die Aufsichtsbefugnis des Kongresses praktisch ausgehebelt. Wenn Barr und Ross nicht mit den bevorstehenden Gerichtsverfahren kooperieren, könnte der Kongress sie verhaften und auf dem Capitol Hill festsetzen lassen.
Am Dienstagabend war außerdem der Demokrat Emanuel Cleaver (Missouri) während einer Kongressdebatte, bei der er den Vorsitz führte, aus dem Saal gestürmt. Es ging dabei um die Frage, ob Pelosi die parlamentarischen Vorschriften verletzt habe, als sie Trumps jüngste Tweets als „rassistisch“ bezeichnet hatte.
Als seine Parteigenossen Cleaver dazu drängten, gegen eine quasi-formelle Tradition zu verstoßen, die es Abgeordneten verbietet, den Präsidenten zu „beleidigen“, warf Cleaver seinen Hammer hin. Die restlichen Abgeordneten schnappten hörbar nach Luft. Mehrheitsführer der Demokraten Steny Hoyer nahm daraufhin den Hammer an sich und erklärte, Pelosi habe tatsächlich gegen die Vorgabe verstoßen. Später erklärte Hoyer, seine Entscheidung basiere auf einer 200 Jahre alten Regel, die von dem britischen Prinzip aus dem achtzehnten Jahrhundert abgeleitet ist und einen Angriff auf die Exekutive als „kriminelle Aufwiegelung“ verurteilt.