Am Sonntag, 230 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789, mit der die Französische Revolution begann, führte die Regierung von Präsident Emmanuel Macron am Nationalfeiertag in Paris massive Präventivverhaftungen von bekannten „Gelbwesten“-Aktivisten durch. Als Macrons Autokolonne am Sonntagmorgen zur traditionellen Militärparade die Champs-Élysées entlang fuhr, wurde er ausgebuht und beschimpft.
Laut der Polizeipräfektur von Paris wurden im Verlauf des Tages 175 Menschen verhaftet, die meisten davon an Orten rund um die jährliche Militärparade auf den Champs-Élysées. Fast alle Verhaftungen geschahen unter dem Vorwurf der „Organisation einer nicht angemeldeten Demonstration“.
Der Pariser Polizeipräfekt Didier Lallement hatte einen Tag zuvor für den Nationalfeiertag in einer Bannmeile um den Triumphbogen, die Champs-Élysées, die Place de la Concorde, den Louvre, den Invalidendom und den Eiffelturm sämtliche Versammlungen von Menschen verboten, die „sich als ,Gelbwesten‘ bezeichnen“. Durch diese außergewöhnliche Polizeistaatsmaßnahme sollte Menschen nur aufgrund ihrer politischen Ansichten das Betreten dieser Gebiete verboten werden, obwohl sie keine Straftat begangen haben.
Die „Gelbwesten“ veröffentlichten auf ihrer Facebook-Seite ein beängstigendes Video, auf dem zu sehen ist, wie ein Polizeibus eine Gruppe von verhafteten Demonstranten in der Pariser Innenstadt durch ein leeres Industriegebiet nahe einer Polizeiwache transportiert. Die Fahrt endet bei einer Gruppe von leeren Lagerhäusern, die von der Polizei als Hafteinrichtung hergerichtet und von Stacheldraht umzäunt wurden. Man kann hören, wie die Inhaftierten rufen: „Die Nazis warten auf uns.“ Andere rufen, dass sie in „Konzentrationslager“ gebracht werden.
Die Polizei verhaftete gezielt bekannte Persönlichkeiten, die mit den Protesten der „Gelbwesten“ in Zusammenhang stehen. Die Bewegung begann im November letzten Jahres und veranstaltet seither jeden Samstag Proteste gegen soziale Ungleichheit. Die Aktivisten Maxime Nicolle, Jerome Rodrigues und Eric Drouet wurden verhaftet und unter dem Vorwand, sie würden eine nicht genehmigte Demonstration und eine „Rebellion“ organisieren, mehrere Stunden festgehalten. Nach ihrer Freilassung wurden alle Anklagepunkte fallen gelassen.
Nicolle wurde auf der Avenue de Friedland verhaftet, die nicht Teil des Sperrgebiets war, während er ein Facebook-Livevideo aufnahm. Darauf ist zu sehen, wie eine Autokolonne mit einem Dutzend maskierter Bereitschaftspolizisten ankommt, ihn umzingelt und verhaftet. Laut Nicolles Anwalt, Juan Branco, soll einer der Polizisten zu einem anderen gesagt haben: „Also los, das ist der dritte.“
Branco erklärte, Nicolles geplante Demonstration hätten daraus bestanden, Präsident Macron den Rücken zuzukehren, wenn er die Champs-Élysées hinunterfährt: „Wir müssen uns fragen, bis zu welchem Grad wir den undemokratischen Kurs der derzeitigen Regierung akzeptieren.“
Drouet wurde von Zivilpolizisten aus einer Menschenmenge während der Militärparade auf den Champs-Élysées heraus verhaftet. Er stand ruhig da und filmte mit seinem Handy.
Diese Aktion wurde durch die Sondervollmachten ermöglicht, die die Polizei nach dem Ende des Ausnahmezustands von 2015 bis 2017 erhielt, und verdeutlicht den fortgeschrittenen Stand der Vorbereitungen auf autoritäre Herrschaft in Europa. Die herrschenden Eliten sind entschlossen, ihre Austeritätsmaßnahmen zu verschärfen, um den Reichtum in den Händen einer winzigen Wirtschaftselite zu konzentrieren und gleichzeitig die französischen und europäischen Armeen bis an die Zähne zu bewaffnen. Deshalb können sie keinerlei unabhängigen Ausdruck des Widerstands der Bevölkerung oder der Arbeiterklasse dulden.
Die herrschenden Klassen auf der ganzen Welt haben Kurs genommen auf Polizeistaatsmaßnahmen und die Propagierung faschistischer und rechtsextremer Kräfte gegen die Arbeiter. In den USA hat die Trump-Regierung mit Massenverhaftungen von nicht gemeldeten Immigranten begonnen. In Deutschland haben das politische Establishment und die Medien die neofaschistische AfD als offizielle Oppositionspartei legitimiert und propagiert. Dabei haben sie den Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten mit engen Beziehungen zu Neonazi-Netzwerken abgedeckt.
Die Macron-Regierung lässt keine Gelegenheit aus, um die „Gelbwesten“-Proteste für erledigt zu erklären. Allerdings fürchtet sie jeden Ausdruck von massivem Hass auf Macrons Regierung. Innenminister Christopher Castaner erklärte am Sonntag gegenüber BFM-TV: „Diejenigen, die diese Parade verhindern wollten, sollten sich schämen. Heute ist der Tag, an dem die Nation vereint ist. Und ich glaube, die Nation muss respektiert werden.“
Die Feiern zum Nationalfeiertag wurden schon immer als Propagandaveranstaltung für den französischen Militarismus benutzt. Formell wird an diesem Tag dem Sturm auf die Bastille und der Französischen Revolution gedacht. Die Feier mit einer Militärparade wurde allerdings erst ein Jahrhundert später eingeführt, im Jahr 1880, neun Jahre nach der Unterdrückung der Pariser Kommune und der französischen Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870. Sie wurde von Anfang an benutzt, um das Militär zu verherrlichen.
Dieses Jahr begann die Parade mit einem bizarren Spektakel: Der französische Jet-Ski-Champion Franky Zapata flog auf seinem kerosingetriebenen Hoverboard, der Flyboard Air, stehend über die Champs-Élysées und richtete ohne ersichtlichen Grund ein Sturmgewehr auf die Zuschauer am Boden.
Dann begann die traditionelle massive Zurschaustellung von Kriegsgerät, die Donald Trump als Vorbild für seine militarisierten Feierlichkeiten zum 4. Juli diente. Ganze 4.299 Soldaten und Offiziere marschierten die Champs-Élysées hinunter. Außerdem waren 67 Flugzeuge, 40 Helikopter, 196 Autos und 237 Pferde an der Parade beteiligt.
In der ganzen Stadt war Kriegsgerät stationiert. Nahe dem Invalidendom standen bewaffnete Soldaten.
Der militaristische Charakter der diesjährigen Parade wurde noch offensichtlicher durch den Kontext der zunehmenden „Großmachtkonflikte“ und Macrons Drängen auf eine europäische Armee, die unabhängig vom und gegen den US-Imperialismus agieren kann. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der niederländische Premierminister Mark Rutte, der ehemalige belgische Premierminister Charles Michel und der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nahmen allesamt an der Veranstaltung teil. Macron forderte in seiner traditionellen Rede zum Nationalfeiertag mehrfach deutlich eine EU-Armee.
Macron erklärte: „Europa war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nie so notwendig wie heute. Der Aufbau Europas als Militärmacht zusammen mit dem Nato-Bündnis, dessen 70. Geburtstag wir feiern, ist für Frankreich eine Priorität. [...] Es stellt den roten Faden dar, der diese Parade verbindet.“
Im Vorfeld der Parade zum Nationalfeiertag hatte Macron eine Reihe von militärischen Ankündigungen gemacht, die auf den massiven Aufwand an Mitteln hinweisen, die Frankreich für das Militär ausgibt.
Letzte Woche hatten Macron und Verteidigungsministerin Florience Parly das U-Boot Suffren enthüllt, das erste Modell einer neuen Klasse von französischen Atom-U-Booten. Macron betonte, die Entwicklung der U-Boot-Technologie sei nicht nur entscheidend für Frankreichs Pläne zum Angriff auf Kriegsschiffe, sondern auch für die französische Atomkriegsstrategie. Der Bau der sechs neuen U-Boote wird Dutzende Milliarden Euro kosten und ist laut Macron „bezeichnend für die Erneuerung unserer Kapazitäten, nicht nur unserer konventionellen Truppen, sondern auch der nuklearen Abschreckung.“
Macron rief am Wochenende außerdem das französische Weltraumkommando ins Leben, durch das der Weltraum formell zum Gebiet militärischer Operationen für die französische Luftwaffe wird.
Er erklärte: „Die neue militärische Weltraumdoktrin, die mir der [Verteidigungs-]Minister vorgeschlagen hat, und die ich genehmigt habe, wird es uns erlauben, unsere Verteidigung des Weltraums zu gewährleisten. Wir werden unsere Wahrnehmung für die Lage im Weltraum verstärken, wir werden unsere Satelliten besser schützen, auch durch aktive Methoden. Und um diese Doktrin Gestalt annehmen zu lassen und die Entwicklung und Verstärkung unserer Kapazitäten im Weltraum zu gewährleisten, wird innerhalb der Luftwaffe ein großes Weltraumkommando ins Leben gerufen.“