Nach angeblichem Zwischenfall mit britischem Tanker

EU-Mächte drohen dem Iran

Laut Quellen aus dem britischen und dem US-Militär haben iranische Boote am Mittwoch versucht, einen britischen Öltanker in der Straße von Hormus abzufangen, bevor sie von dem britischen Kriegsschiff HMS Montrose vertrieben wurden.

Keinen der Berichte über diesen Vorfall sollte man für bare Münze nehmen. Der Iran hat rundweg abgestritten, dass etwas Derartiges passiert ist. Und die US-Regierungsvertreter, die diese Vorwürfe erheben, haben ihre angeblichen Beweisvideos nicht veröffentlicht. Die USA befinden sich auf Kriegskurs gegen den Iran, seit Washington letztes Jahr einseitig das Atomabkommen aufgekündigt, eine umfangreiche militärische Aufrüstung in der Region betreibt und von ihren Verbündeten Unterstützung einfordert. Doch noch bevor man irgendetwas Gesichertes über diesen Vorfall wusste, begann in Europa eine Pressekampagne, um die europäischen Mächte zur Unterstützung der USA gegen den Iran aufzufordern.

Am Mittwochabend behauptete der Sprecher des US Central Command, Captain Bill Urban, iranische Schnellboote (FAC/FIAC) hätten den Tanker bedrängt. Er erklärte, das Pentagon habe Kenntnis „von Berichten über das Störmanöver der FAC/FIAC der iranischen Revolutionsgarde und über ihre Versuche, die heutige Durchfahrt des britischen Handelsschiffs British Heritage nahe der Straße von Hormus zu beeinträchtigen“.

Die iranischen Boote sollen die Flucht ergriffen haben, nachdem die HMS Montrose „ihre Geschütze auf sie richtete“. Vertreter des US-Militär erklärten anonym gegenüber der britischen Zeitung The Independent: „Es war ein Störmanöver und der Versuch, die Durchfahrt zu behindern.“

Das britische Verteidigungsministerium ließ wissen: „Drei iranische Schiffe haben gegen internationales Recht verstoßen und versucht die Durchfahrt des Handelsschiffs British Heritage durch die Straße von Hormus zu behindern.“ Es erklärte, die HMS Montrose „musste sich zwischen die iranischen Schiffe und die British Heritage positionieren und die iranischen Schiffe verbal warnen. Daraufhin drehten sie ab.“

Die iranischen Behörden stritten den Vorfall rundweg ab. Die Seestreitkräfte der iranischen Revolutionsgarde erklärten gegenüber der Fars News Agency: „In den letzten 24 Stunden gab es kein Zusammentreffen mit ausländischen Schiffen ...“

Der iranische Außenminister Javad Zarif bezeichnete die Vorwürfe als einen Versuch amerikanischer und europäischer Regierungsvertreter, die Spannungen mit dem Iran zu verschärfen, und erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur ISNA: „Sie haben solche Dinge schon oft behauptet, um Spannungen zu schaffen, aber diese Behauptungen sind nichts wert. Damit wollen sie ihre eigenen Schwächen verbergen.“

Momentan lässt sich unmöglich feststellen, was am Mittwoch wirklich in der Straße von Hormus passiert ist. Allen Berichten nach wurden keine Schüsse abgegeben. Allerdings wird momentan eine weitere militärische Eskalation vorbereitet. Obwohl die Kriege im Nahen Osten und die Trump-Regierung unter Arbeitern in Europa und der Welt keinen Rückhalt genießen und obwohl es zwischen Washington und der Europäischen Union (EU) brisante außenpolitische Konflikte gibt, fordern einflussreiche Stimmen aus der europäischen herrschenden Klasse die Unterstützung Europas für den US-Kriegskurs gegen den Iran.

Ein Sprecher der britischen Premierministerin deutete an, dass London seine Marinepräsenz im Persischen Golf ausweiten werde: „Wir haben seit Langem eine Marinepräsenz im Golf. Wir beobachten die Sicherheitslage ständig und setzen uns für die Wahrung der Freiheit der Seefahrt ein, wie es das internationale Recht vorschreibt.“

Am 4. Juli haben britische Truppen auf Befehl der USA vor Gibraltar einen Tanker gekapert, der angeblich iranisches Öl nach Syrien bringen wollte. Als Reaktion auf diesen Akt der Piraterie drohte Teheran mit Vergeltungsmaßnahmen. Dass diese Drohung jetzt als Beweis für die Glaubwürdigkeit der amerikanisch-britischen Vorwürfe gegen den Iran benutzt wird, ist eine bodenlose Heuchelei.

Am Dienstag berichtete das US-Magazin Foreign Policy, Großbritannien und Frankreich hätten einer zehn- bis fünfzehnprozentigen Verstärkung ihrer Truppenpräsenz in Syrien zugestimmt. Dies gleicht die vorläufige Weigerung Berlins von Montag aus, mehr Soldaten zur Unterstützung der US-Truppen zu schicken. Diese US-Truppen kämpfen zusammen mit syrischen Kurdenmilizen gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, das von Russland und dem Iran unterstützt wird.

Weiter hieß es, London und Paris hätten „außerdem Interesse an einem Beitrag zu der maritimen Partnerschaft Sentinel geäußert, die die Sicherheit für Handelsschiffe in der Straße von Hormus und anderen Meerengen verbessern soll“. London und Paris weigerten sich diese Entscheidung zu kommentieren und verwiesen auf die Geheimhaltung über die Operationen ihrer Spezialeinheiten. Somit entwickelt sich ihr Kriegskurs hinter dem Rücken der britischen und französischen Bevölkerung.

Vor allem in Deutschland mehren sich die Forderungen nach einer Abkehr von der bisherigen Ablehnung einer Eskalation in Syrien und dem ganzen Nahen Osten. Nach dem Vorfall vom Mittwoch erschienen in der deutschen Presse zahlreiche Artikel, in denen Berlin zur Teilnahme am US-Kriegskurs gegen den Iran aufgefordert wurde.

Die Welt erklärte in einem Kommentar mit dem Titel „In der Iran-Frage muss sich Europa hinter Trump stellen“, Berlin sollte Trumps einseitigen Rückzug vom Atomabkommen mit dem Iran von 2015 unterstützen: „Das Atomabkommen mit dem Iran war ursprünglich richtig. Doch das eigentliche Ziel, die Region zu befrieden, wurde verfehlt. Das Regime ist aggressiver denn je. Deshalb ist die Kritik des US-Präsidenten am Abkommen berechtigt.“

Die Süddeutsche Zeitung vertrat in einem Kommentar mit dem Titel „Europa und Asien müssen Handelsschiffe besser schützen“ eine ähnliche Haltung: „Die Freiheit der Schifffahrt ist ein hohes Gut, gerade für eine derart vom Export abhängige Nation wie Deutschland.“ Sie forderte ebenfalls eine internationale Flottille aus Kriegsschiffen, die vor iranischen Gewässern patrouillieren solle, „selbst wenn sie damit US-Präsident Trump damit in die Karten spielen“.

Weiter heißt es: „Eine internationale Flottille wäre auch eine Internationalisierung des Konfliktes, das dürfte ein Ziel des amerikanischen Ansinnens sein. Das allein aber sollte noch kein Ausschlusskriterium sein. Kriegsschiffe aus Europa oder aus Asien wären für Iran weniger provokativ als amerikanische oder saudische Patrouillenboote. Zugleich wären sie ein weiteres Signal an Teheran, dass Europa zwar das Atomabkommen aufrechterhalten will, nicht aber die aggressive Regionalpolitik der Islamischen Republik widerspruchslos hinnimmt.“

Die Vertreter der führenden imperialistischen Mächte Europas entwickeln hier Strategien, die tatsächlich dem Pentagon in die Hände spielen. Am Dienstag, einen Tag vor dem Zwischenfall in der Straße von Hormus, forderte der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, General Joseph Dunford, die militärischen Verbündeten der USA weltweit auf, sich an einer von den USA geführten Kriegsflotte zu beteiligen, die den Iran umzingeln soll.

Dunford erklärte: „Wir verhandeln jetzt mit einigen Ländern, um festzustellen, ob wir eine Koalition aufbauen können, die die Freiheit der Seefahrt in der Straße von Hormus und dem Bab al-Mandab sichern kann. Deshalb denke ich, dass wir vermutlich in den nächsten paar Wochen herausgefunden haben, welche Nationen den politischen Willen haben, diese Initiative zu unterstützen. Und dann arbeiten wir direkt mit den Streitkräften zusammen, um die für diese Unterstützung spezifischen Kapazitäten zu ermitteln.“

Er erklärte, das Pentagon werde die „Kommando- und Kontrollschiffe“ zur Leitung der Operation stellen. Amerikas Verbündete sollten Eskortschiffe stellen, welche die Befehle der US-Kommandoschiffe ausführen.

Dunford erwähnte nicht, dass die US Navy durch diesen Plan nicht nur die iranische Wirtschaft im Würgegriff hätte, sondern auch die Ölversorgung ihrer wichtigsten imperialistischen „Verbündeten“ in Europa und Ostasien sowie der zwei bevölkerungsreichsten Länder Asiens, China und Indien.

Die US Energy Information Administration (EIA) schrieb: „Im Jahr 2018 gingen täglich 21 Millionen Barrel Öl durch die Straße von Hormus, d.h. 21 Prozent des globalen Rohölverbrauchs. ... Die EIA schätzt, dass im Jahr 2018 76 Prozent des Rohöls und Kondensats, das durch die Straße von Hormus transportiert wurde, an asiatische Märkte ging. China, Indien, Japan, Südkorea und Singapur waren die wichtigsten Ziele für Rohöl, das durch die Straße von Hormus transportiert wurde. Diese Lieferungen machten im Jahr 2018 65 Prozent aller Rohöl- und Kondensatlieferungen durch die Straße von Hormus aus.“

Durch die Meerenge Bab al-Mandab werden täglich etwa vier Millionen Barrel Öl nach Europa verschifft.

Diese Zahlen verdeutlichen die erbitterten Kämpfe zwischen den imperialistischen Mächten um Profite und strategisch-militärische Einfllussgebiete, die den Kriegen im Nahen Osten in den drei Jahrzehnten seit der Auflösung der UdSSR durch die Sowjetbürokratie 1991 zugrunde lagen. Angesichts von Trumps Drohungen mit Handelskriegszöllen im Wert von zig Milliarden Dollar gegen die asiatischen und europäischen Großmächte erreichen diese Spannungen eine bisher nicht gekannte Intensität. Momentan sieht es so aus, als würden die europäischen Mächte aus Angst vor einem Zusammenstoß mit dem militärisch überlegenen US-Imperialismus Washingtons Kriegskurs unterstützen, um Zeit zu gewinnen.

Diese Politik zeigt, dass die EU-Mächte im Grunde genauso räuberisch sind wie Washington. Gleichzeitig entlarvt sie die Vergeblichkeit der Illusionen, Arbeiter könnten sich darauf verlassen, dass mit den USA rivalisierende kapitalistische Mächte Washington von einem neuen und noch größeren Blutbad abhalten könnten. Die EU-Mächte versuchen mit allen Mitteln, sich ihren Anteil an der Beute zu sichern, und pumpen trotz wachsender Streiks und Proteste weiterhin Milliarden Euro in ihre Militäretats. Daher lehnen sie die Kriege der USA nicht ab. Sie reagieren auf den Druck der USA mit einer Verstärkung ihrer eigenen Aufrüstung und bereiten sich darauf vor, Proteste gegen Austerität und Militarismus im Inland zu unterdrücken.

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