Perspektive

Trump droht, das Oberste Gericht in Fragen des Zensus zu missachten

Die USA auf dem Weg zur Präsidialherrschaft

Die Trump-Regierung hat angekündigt, dem Zensus 2020 über den Weg der Präsidialverfügung eine Frage zur Staatsbürgerschaft hinzuzufügen. Der US-Präsident umgeht damit den Kongress und das Oberste Gericht. Insgesamt markiert dies einen weiteren Schritt auf dem Weg, die politische Entscheidungsgewalt in der Exekutive zu konzentrieren.

Trump übernimmt die Theorie der „einheitlichen Exekutivgewalt“ und umgeht die in der Verfassung vorgesehene Gewaltenteilung, um eine Herrschaft per Präsidialverfügung durchzusetzen.

Der Oberste Gerichtshof hatte der Trump-Regierung untersagt, die Frage nach der Staatsangehörigkeit in die Volkszählung aufzunehmen. Am 27. Juni, nur drei Tage bevor die Fragebögen in den Druck gingen, ordnete das Gericht die Streichung der Frage an. In der Urteilsbegründung heißt es, dass die von der Regierung vorgebrachte Rechtfertigung – nämlich das Wahlrecht durch die Frage nach der Staatsbürgerschaft zu schützen - nur ein Vorwand sei.

Der Kongress hatte sich ebenfalls gegen die Frage nach der Staatsbürgerschaft ausgesprochen. Letzten Monat hat der Kontrollausschuss des Kongresses Justizminister William Barr und Handelsminister Ross vorgeladen, um um Näheres zu erfahren bezüglich der Regierungsentscheidung, die Staatsbürgerschaftsfrage in den Fragebogen aufzunehmen. Beide haben die Auskunft verweigert und können dafür vom Parlament abgestraft werden.

In Missachtung des Obersten Gerichtshofs und des Repräsentantenhauses kündigte Trump an, die Frage per Präsidialverfügung in die Volkszählung aufzunehmen. Am 5. Juli sagte er Reportern auf dem Rasen des Weißen Hauses: „Wir arbeiten an vielen Dingen, einschließlich einer präsidialen Anordnung.“ Am Montag unterstützte Justizminister Barr öffentlich Trumps Vorschlag und erklärte: „Der Präsident hat aus rechtlichen Gründen Recht.“

Vorgestern griff Trump zu Twitter und stellte sich offen gegen den Obersten Gerichtshof: „Zuletzt ‚belastete‘ Entscheidungen des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten, darunter so einfache Sachen wie diese: ob die Frage ‚Sind Sie Bürger der Vereinigten Staaten?‘ in unserem sehr teuren Zensusbericht gestellt werden darf.“

Was die rechtliche Seite betrifft: Artikel 1, Abschnitt 2 der US-Verfassung schreibt vor, dass alle zehn Jahre eine nationale Volkszählung stattfindet und dass der Kongress - nicht der Präsident - für die Durchführung des Zensus verantwortlich, „in der Weise, wie es das Gesetzt vorgibt“. Die Verfassung verbietet dem Präsidenten, seine eigenen Gesetze zu erlassen, und kein Gericht hat dem Präsidenten die Macht gegeben, Gesetze im Widerspruch zur Absicht des Kongresses oder zur gerichtlichen Auslegung durchzusetzen.

Wenn Trump den Befehl erteilt, wird es wahrscheinlich zu einer dramatischen Konfrontation zwischen Exekutive und Judikative kommen. Wie der Rechtsprofessor Garrett Epps von der University of Baltimore am 8. Juli im Atlantik feststellt, werden die Gerichte mit ziemlicher Sicherheit die Rechtmäßigkeit der Präsidialverfügung in Frage stellen. „Und hier flößt Trumps unverschämter Ton am meisten Angst ein“, schreibt er. „Denn der nächste Schritt ist logischerweise die Behauptung, dass die Exekutive das Gericht ignorieren kann.“

Während seiner gesamten Präsidentschaft haben Trump und seine faschistischen Berater mit Berechnung eine bestimmte politische Strategie verfolgt. Während seine Regierung von Krise zu Krise schleudert, reagiert Trump, indem er die Grenzen der grundlegenden demokratischen Rechtsformen verschiebt, seine eigene Stärke testet und an eine relativ kleine rechtsextreme Basis appelliert.

Trump hat keine wirkliche Unterstützung in der Bevölkerung. Sein größter Vorteil ist die Unfähigkeit der Demokratischen Partei, die Trumps ständige Angriffe auf grundlegende demokratische Prinzipien duldet und ihm nichts entgegenzusetzen hat.

Als Trump ein Einreiseverbot für Migranten und Besucher aus muslimischen Ländern verkündete, unterbanden die Demokraten landesweite Proteste und kanalisierten die Opposition in die Kongresswahlen 2018. Als Trump den nationalen Notstand ausrief und Tausende von Soldaten an die Grenze zu Mexiko entsandte, nahmen die Demokraten dies kampflos hin. Als er in die Befugnisse des Kongresses eingriff und sich Gelder aus dem Pentagon-Etat nahm, um den Einsatz an der Grenze zu finanzieren und seine Mauer zu bauen, da akzeptierten die Demokraten den Schritt und stimmten später dafür, die für die Grenzaufrüstung zweckentfremdeten Mittel im Etat wieder aufzufüllen.

Als Trump jüngst verkündet, er könne Wahlergebnisse annullieren oder Wahlen ganz absagen, da spielten die Demokraten solche Aussagen als „Witz“ herunter. Die Kinder von Zuwanderer werden auf Weisung von Trump systematisch festgehalten. Wenn Grenzschutzbeamte diese Kinder misshandeln, dann reagieren die Demokraten, indem sie den Schergen 4,9 Milliarden Dollar mehr geben, um noch besser durchgreifen zu können.

Nachdem Trump Panzer auf den Straßen von Washington auffahren ließ und den Nationalfeiertag am 4. Juli in einen autoritären Militärevent verwandelt hatte, lobten die der Demokratischen Partei nahestehenden Zeitungen Trumps Rede als einen staatstragenden Aufruf zur „nationalen Einheit“.

Trumps provokante Manöver haben in dem Land, das in einer Revolution gegen die Herrschaft eines Königs gegründet wurde, zu einer breiten Opposition geführt. Spontane Proteste brachen letzte Woche an Dutzenden von Orten im ganzen Land aus, als Fotos von toten Einwanderern und Kindern in Käfigen ein nationales Schamgefühl auslösten.

Doch auch wenn die Abscheu in der Bevölkerung über seine rechte Politik wächst, ist Trump in der Lage, grundlegende Verfassungsnormen gegen immer geringeren Widerstand aus dem politischen Establishment außer Kraft zu setzen. Der Präsident, der verglichen mit allen anderen gewählten US-Präsidenten mit großem Abstand die wenigsten Stimmen erhalten hat, kann sich weitaus größere Machtbefugnisse aneignen als jeder seiner Vorgänger. Er tut dies, ohne dass er auf Widerstand aus der Demokratischen Partei stößt, obwohl diese das Repräsentantenhaus kontrolliert und in allen Umfragen zur Präsidentschaftswahlen 2020 vorn liegt.

Wie lässt sich dieser scheinbare Widerspruch erklären?

Sowohl Trumps Neigung zur Diktatur als auch die Zustimmung der Demokraten sind objektive Ergebnisse einer lang anhaltenden Krise des amerikanischen Kapitalismus. Diese wiederum geht zurück auf die schwächelnde wirtschaftliche und geopolitische Position des US-Imperialismus und das immensen Anwachsen der sozialen Ungleichheit.

Drei Milliardäre besitzen so viel Vermögen wie die ärmsten 160 Millionen Menschen in den USA. Weltweit besitzen ein paar Dutzend Tycoons dasselbe Vermögen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung - 3,7 Milliarden Menschen. Demokratische Herrschaftsformen sind mit einem solchen Maß an Ungleichheit unvereinbar.

Am 3.12.200, am Vorabend der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache Bush v. Gore, sagte der Vorsitzende der Socialist Equality Party David North in einem Vortrag, dass die Entscheidung des Gerichts zeigen würde, inwiefern die herrschende Klasse in Amerika bereit sei, mit traditionellen bürgerlich-demokratischen Werten und Verfassungsnormen zu brechen. Die Mehrheit des Gerichts folgte einer extremen Auslegung, um den Wahlbetrug von Bush abzunicken: Demnach hatte das amerikanische Volk nicht einmal das Recht darauf, seinen Präsidenten zu wählen.

Der vom Gericht sanktionierte Wahlbetrug und das Versagen der Demokratischen Partei sowie aller Teilen des politischen und medialen Establishments, sich diesem Wahlbetrug zu widersetzen, zeigte damals schon – so die SEP – dass es innerhalb der herrschenden Klasse keine nennenswerte Unterstützung mehr für die Verteidigung der demokratischen Rechte gab.

Die Handlungen der Trump-Regierung bestätigen diese Analyse und zeigen, dass dieser Prozess heute viel weiter fortgeschritten ist. Bürgerliche Zeitungen auf der ganzen Welt warnen vor „Mistgabeln“ und „Guillotinen“ - ihren grauenerregenden Schlagworte für die soziale Revolution. In Frankreich wurde der Notstand angewandt, um Gelbwesten zu kriminalisieren. In Deutschland verschwören sich die Geheimdienste mit Neonazis, um die Bevölkerung zu terrorisieren und die Wiederbelebung des deutschen Militarismus zu erleichtern.

In den USA nutzten die Demokraten die Exekutivgewalt unter Präsident Obama in großem Umfang, unter anderem beim Mord an dem US-Bürger Anwar al-Awlaki und seinem 16 Jahre alten Sohn ohne Haftbefehl oder Prozess. Alle Fraktionen der herrschenden Elite fordern zudem, dass Julian Assange wegen der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen eingesperrt wird.

Die Demokraten sind versteinert angesichts einer wachsenden sozialen Opposition und eines zunehmenden Interesse am Sozialismus. Sie akzeptieren Trumps diktatorische Maßnahmen, weil das in ihren Augen besser ist als Maßnahmen zu ergreifen, die eventuell die Wut in der Bevölkerung anheizen. Wenn Sie Trump kritisieren, so nicht wegen seiner faschistischen Politik und der Angriffe auf Einwanderer und Arbeiter. Statt dessen appellieren sie an das Militär und die Geheimdienste und fordern ein aggressiveres Vorgehen gegen Russland und China. Sie bereiten auch den Staatsapparat auf die gewaltsame Unterdrückung des Klassenkampfes vor.

Die Arbeiterklasse, gegen die all diese Maßnahmen gerichtet sind, ist die einzige soziale Kraft, die den Kampf gegen Diktatur, Krieg und das kapitalistische System führen kann.

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