Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses:

Verfahren gegen Trumps Justizminister William Barr wegen Missachtung des Kongresses

Am Mittwochnachmittag stimmte der Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses für ein Verfahren gegen Justizminister William Barr wegen Missachtung des Kongresses. Barr hatte sich geweigert, dem Kongress eine vollständige Kopie des Mueller-Reports sowie weitere Dokumente, auf die sich dessen Ergebnisse stützen, zur Verfügung zu stellen.

Das Votum des Ausschusses war klar entlang der Parteilinien getrennt. 24 Demokraten stimmten für das Verfahren, 16 Republikaner dagegen. Die Debatte im Ausschuss dauerte mehrere Stunden. Dabei hatten die Demokraten Präsident Trumps Entscheidung verurteilt, sein Exekutivprivileg zu benutzen, um die Herausgabe der Dokumente zu verhindern. Die Republikaner verurteilten das Untersuchungsverfahren der Demokraten als Schritt zu einem Amtsenthebungsverfahren.

Kein anderer Präsident vor Trump hat jemals in derartigem Ausmaß von seinem Exekutivprivileg Gebrauch gemacht. Bisher hatten die Präsidenten ihre exekutiven Privilegien genutzt, um die Privatsphäre der Kommunikationen zwischen dem Präsidenten und seinen engsten Beratern zu wahren oder bestimmte Informationen aus dem Bereich der nationalen Sicherheit geheim zu halten. Das gilt sogar für Richard Nixon, der während der Watergate-Affäre versuchte, die Tonbandaufzeichnungen aus dem Weißen Haus unter Verschluss zu halten.

Ein großer Teil des Mueller-Reports bezieht sich jedoch auf den Wahlkampf 2016, also einen Zeitraum bevor Trump Präsident wurde, und liegt damit weit außerhalb des nachvollziehbaren Wirkungsbereichs des Exekutivprivilegs des Präsidenten. Die zweite Hälfte des Berichts befasst sich damit, wie Trump versucht hat, eine Untersuchung zu verhindern. In Bezug auf die Kommunikation zwischen Trump und seinen Beratern im Weißen Haus machte Trump von dem Privileg keinen Gebrauch als führende Berater wie der ehemalige Rechtsberater des Weißen Hauses, Don McGahn, vor Muellers Untersuchungsausschuss unter Eid ausgesagt haben.

Im Verlauf der Debatte zum Vorwurf der Missachtung des Kongresses bezeichneten viele demokratische Mitglieder des Ausschusses Trumps Vorgehen als verfassungswidrig und diktatorisch. Die Abgeordnete Sheila Jackson Lee aus Texas erklärte: „Ich kann nur zu dem Schluss kommen, dass der Präsident jetzt mit der Abrissbirne gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika vorgehen will.“

Die Abgeordnete aus Washington, Pramila Jayapal, erklärte: „Wir stehen am Scheideweg zwischen Demokratie und Diktatur, wenn wir die Gewaltenteilung und das System der gegenseitigen Kontrolle ignorieren. Und ich unterstütze ein Verfahren gegen diesen Justizminister wegen Missachtung des Kongresses uneingeschränkt. Er hat sich geweigert, sich an das grundlegende Regelwerk der Verfassung zu halten.“

Nach der Abstimmung erklärte der Vorsitzende des Justizausschusses, Jerrold Nadler, auf einer Pressekonferenz: „Wir sahen uns heute dazu gezwungen, einen sehr schwerwiegenden und folgenschweren Schritt zu unternehmen, nämlich ein Verfahren gegen den Justizminister der USA wegen Missachtung des Kongresses einzuleiten. Es gefällt uns nicht, dies zu tun, aber wir haben keine Wahl.“

Die Exekutive habe sich, so Nadler, auf Trumps Weisung hin geweigert, sich der Kontrolle durch die Legislative unterzuordnen. Er wies außerdem darauf hin, dass die Exekutive, seit die Demokraten im Januar im Repräsentantenhaus die Mehrheit übernommen haben, noch „mit keiner einzigen Seite“ auf Anfragen und Vorladungen des Kongresses geantwortet habe.

Nadler erklärte: „Wir haben lange Zeit davon geredet, dass wir vor einer Verfassungskrise stehen. Jetzt ist sie da. Jetzt wird sich zeigen, ob wir diese Art von Republik beibehalten können, oder ob es ihr Schicksal ist, sich in eine andere, tyrannischere Regierungsform zu verwandeln.“

Diese apokalyptischen Reden werfen eine offensichtliche Frage auf: Wenn Trump auf der Verfassung herumtrampelt und fest entschlossen ist, in den USA eine autoritäre Herrschaftsform zu errichten (was zweifellos der Fall ist), warum lehnen es die Demokraten dann kategorisch ab, ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn einzuleiten?

Und warum streben sie weiterhin die Zusammenarbeit mit dieser „tyrannischeren Regierungsform“ in einer ganzen Reihe von Bereichen an, u.a. beim Bundeshaushalt, der Einwanderungspolitik, dem Ausgreifen der amerikanischen Militärmacht im Persischen Golf, im Südchinesischen Meer und überall auf der Welt?

Man kann den Konflikt zwischen dem Kongress und dem Weißen Haus nicht einfach auf einen Schlagabtausch zwischen den Parteien im Vorfeld der Wahl 2020 reduzieren. Er zeigt vielmehr den Zerfall des institutionellen Rahmens, in dem sich die kapitalistische Politik in Amerika seit mehr als zwei Jahrhunderten bewegt. Die Struktur der „gegenseitigen Kontrolle“ der Gewalten bröckelt seit geraumer Zeit. Der Präsident verfügt als „Oberbefehlshaber“ in der Außen- und Verteidigungspolitik, und zunehmend auch in der Innenpolitik, über immer mehr und nahezu uneingeschränkte Vollmachten.

Im Februar rief Trump an der amerikanisch-mexikanischen Grenze den nationalen Notstand aus und wies das Pentagon an, ihm die Mittel zum Bau seiner Grenzmauer zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Schritt setzte er sich direkt darüber hinweg, dass der Kongress sich weigerte, ihm diese Ausgaben zu genehmigen. Obwohl hier offen gegen die wichtigste und von der Verfassung garantierte Vollmacht des Kongresses, die „Macht über den Geldbeutel“, verstoßen wurde, haben die Demokraten nichts weiter getan als lediglich Klage einzureichen. Gleichzeitig haben sie damit gedroht, dass der nächste demokratische Präsident ähnliche Notstandsvollmachten benutzen werde, um seine eigenen politischen Ziele zu erreichen.

Auch wenn die Demokraten jetzt dagegen protestieren, dass sich der Präsident verfassungswidrige Vollmachten aneignet, so haben sie doch selbst keine weiße Weste. In Obamas Amtszeit propagierten sie das „Recht“ des Präsidenten, ohne Erlaubnis des Kongresses einen Angriffskrieg gegen Libyen zu beginnen. Sie applaudierten, als Obama Drohnenangriffe anordnete, bei denen im ganzen Nahen Osten Tausende getötet wurden, einschließlich amerikanischer Staatsbürger.

Ebenso wichtig ist, dass ihr „Widerstand“ gegen Trump von Anfang an die Form von Unterstützung für eine Palastrevolte annahm, die vom nationalen Sicherheitsapparat angeführt wurde. Als Rechtfertigung dafür diente die Behauptung, Russland habe sich in die Wahl 2016 „eingemischt“. Diese Kampagne hat das Ausmaß einer offenen Hexenjagd im Stil der McCarthy-Ära angenommen, in der Trump als Marionette des russischen Präsidenten Wladimir Putin dargestellt wird, die im Weißen Haus Moskaus Befehlen gehorcht.

Die Führung der Kongressfraktion der Demokraten glaubt in Wahrheit selbst nicht daran, dass diese Behauptungen zutreffend sind. Sie halt diese aber für nützlich, um den Widerstand der Bevölkerung gegen die Trump-Regierung in eine rechte, pro-imperialistische Richtung zu lenken. Indem sie Trump wegen angeblicher Verbindungen zu Russland angriffen, haben sie zudem versucht, die Regierung zu einer aggressiveren Außenpolitik in Syrien, der Ukraine, und allgemein gegen Russland zu drängen. Das übelste Ergebnis dieser Kampagne besteht darin, dass die Trump-Regierung nun eine Provokation vorbereitet, die einen Krieg gegen den Iran auslösen soll – ein Krieg, der unter den Demokraten breiteste Unterstützung finden würde.

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