Vergewaltigungen, Morde, Prügel, Messerstiche, Verstümmelungen und Brandstiftung sind allgegenwärtig. Mit ihrem eigenen Blut kritzeln Gefangene in Isolationshaft Hilferufe an die Zellenwände. In den letzten 15 Monaten wurden fünfzehn Selbstmorde bestätigt.
Was hier beschrieben wird, ist keine Folterkammer in Ägypten unter Al-Sisi oder in Saudi-Arabien unter Kronprinz bin Salman. Es geht auch nicht um den Missbrauch von Häftlingen im berüchtigten Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak, in Guantanamo oder in einem geheimen Folterkeller der CIA.
Schauplatz dieses Alptraums sind die Haftanstalten des US-Bundesstaats Alabama, beschrieben in einem Bericht des Justizministeriums von vergangener Woche. Sie verstoßen in eklatanter Weise gegen das Verbot der grausamen und ungewöhnlichen Bestrafung, das im Achten Zusatzartikel zur US-Verfassung niedergelegt ist.
Mehr als 2.000 Fotos von Missbrauch in einem Gefängnis in Alabama, die das Southern Poverty Law Center den Medien vor der Veröffentlichung des Berichts zur Verfügung stellte, belegen die grausame Realität. Grundlage des Berichts der Bundesinspektoren sind Hunderte Befragungen von Häftlingen und ihren Familienangehörigen über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren.
Diese grauenhaften Zustände sind keine Ausnahme. Sie finden sich in verschiedenen Formen in den Gefängnissen jedes Staates, jedes Countys und jeder Stadt in den USA. Mehr als 2,3 Millionen Menschen werden wie Vieh in überfüllte Staats- und Bundesgefängnisse, lokale Haftanstalten und Lager für Immigranten gepfercht. Einschließlich derjenigen, die auf Bewährung freigelassen wurden, befinden sich fast sieben Millionen Amerikaner in den Klauen der Maschinerie, die als „Strafrechtssystem“ bezeichnet wird, mit „Recht“ aber nicht das Geringste zu tun hat.
Auf die USA entfällt mehr als ein Viertel aller Häftlinge weltweit. Auf 100.000 Einwohner kommen 698 Gefangene. An jedem beliebigen Tag ist davon auszugehen, dass mehr als 540.000 Insassen der Justizvollzugsanstalten keiner Straftat überführt wurden. Viele sitzen einfach deshalb ein, weil sie zu arm sind, um die geforderte Kaution zu zahlen, die im Mittel 10.000 Dollar beträgt. Eine weitere halbe Million, jeder fünfte Häftling, verbüßt eine lange Haftstrafe wegen Drogendelikten, die mit keiner Gewalttat verbunden waren.
Schätzungen von Sozialwissenschaftlern zufolge werden an jedem beliebigen Tag 61.000 Personen in Isolationshaft gehalten, was von der UNO als Folter eingestuft wird. Mindestens 4.000 derjenigen, die völlig von der Außenwelt abgeschottet werden, leiden an schweren psychischen Erkrankungen. Lebendig in einem Betonsarg begraben zu sein, treibt viele Gefangene in den Selbstmord.
Schuldgefängnisse sind zwar offiziell verboten, aber arme Arbeiter werden ständig wegen Zahlungsverzug inhaftiert. Im Bundesstaat Indiana wurde eine Mutter im Februar drei Tage lang mit Straftätern in einen verdreckten Gefängnis festgehalten, weil sie eine Rechnung für einen Krankenwagen nicht bezahlt hatte, die überhaupt nicht per Post bei ihr angekommen war. Solche Vorfälle gibt es zuhauf.
Die Trump-Administration führt – in Fortsetzung der von Obama begonnenen Politik – Krieg gegen Immigranten und sperrt Tausende von Männern, Frauen und Kindern unter erniedrigenden Bedingungen ein. Im Februar wurden rund 77.000 Menschen festgenommen, weil sie versucht hatten, von Mexiko aus die Grenze zu den USA zu überqueren. Im Zuge der Jagd auf Immigranten werden Menschen in ihren Häusern und an ihren Arbeitsplätzen verhaftet.
Letzte Woche zeigte sich die ganze Grausamkeit der US-Regierung, als 280 Arbeiter ohne Papiere in der texanischen Stadt Allen von Bundesbeamten festgenommen wurden. Es war die größte solche Razzia seit mehr als zehn Jahren.
Hinzu kommt die nicht endende Mordwelle, bei der die Polizei jedes Jahr mehr als 1.000 Menschen erschießt, mit Tasern umbringt oder zu Tode prügelt. Anzeigen wegen Polizeimorden sind selten, zu Verurteilungen kommt es so gut wie nie. Die Polizisten haben grünes Licht, Menschen straflos zu töten und zu misshandeln.
Wenn die amerikanische herrschende Klasse in irgendein Land der Welt einmarschieren oder eine Regierung auswechseln möchte, dann heucheln Demokraten und Republikaner eifrig Empörung über angebliche Menschenrechtsverletzungen. Ihr eigenes Land stellen sie als Leuchtturm der Demokratie dar, obwohl es in Wirklichkeit eines der brutalsten der Welt ist. Die soziale Spaltung ist hier extrem ausgeprägt. Die drei reichsten Amerikaner verfügen über mehr Vermögen als die untere Hälfte der Bevölkerung zusammengenommen.
Wenn die Bedingungen, die in US-Gefängnissen herrschen, in Russland oder China aufgedeckt würden, würde in den Medien und der Politik lautstark nach Wirtschaftssanktionen und einer „humanitären“ militärischen Intervention gerufen.
Vor fünfzig Jahren hätte ein Bericht wie derjenige über die Lage in den Gefängnissen von Alabama selbst in Teilen der etablierten Politik und der Leitmedien einen Schock und Forderungen nach Abhilfe ausgelöst. Heute kräht kein Hahn danach.
Die Demokratische Partei schweigt, weil sie selbst an der massiven Verschlechterung der Bedingungen in den US-Gefängnissen mitgewirkt hat. Präsident Bill Clinton unterzeichnete die Gesetze, die die Gefängnispopulation auf Rekordhöhen trieben. Das Justizvollzugssystem im Bundesstaat Kalifornien, wo die Demokraten regieren, wurde vom Obersten Gerichtshof 2011 als „grausam und unverhältnismäßig“ sowie verfassungswidrig befunden.
Die obere Mittelschicht, d. h. die egozentrischen Schichten in und um die Demokratische Partei, interessiert das alles nicht im Geringsten. Über die sexuelle Gewalt in amerikanischen Gefängnissen und über die Misshandlung von Immigranten haben die Betreiber der #MeToo-Kampagne in den Medien und an den Hochschulen nichts zu sagen.
Der Bericht der Bundesinspektoren wurde in den Medien kaum aufgegriffen und aus den großen Nachrichtensendungen am Abend völlig ausgeblendet. Wie im Falle der Misshandlungen in Abu Ghraib und des Senatsberichts über CIA-Folter wurde versucht, die Informationen über die Verhältnisse in Alabama zu unterdrücken. Die New York Times und andere Medien entschieden, die Fotos, die Missbrauch und Tod dokumentieren, größtenteils nicht zu veröffentlichen.
Denn letzten Endes ist es ihr Staat. Die Zustände in den amerikanischen Gefängnissen und der Gewaltapparat insgesamt widerspiegeln den wahren Charakter der amerikanischen „Demokratie“. Der Staatsapparat dient zur Unterdrückung der sozialen und politischen Opposition gegen die Forderungen des Finanzkapitals. Er ist das wahre Gesicht des amerikanischen Kapitalismus.