Perspektive

Der Terroranschlag in Neuseeland und die internationale Gefahr des Faschismus

Die Zahl der Todesopfer durch den faschistischen Terroranschlag vom vergangenen Freitag auf zwei Moscheen in Christchurch, Neuseeland, hat sich am Wochenende auf 50 erhöht. Das jüngste Opfer war ein dreijähriger Junge. Am Sonntag waren noch immer 34 Menschen im Krankenhaus, zwölf davon in einem kritischen Zustand, darunter ein schwer verletztes vierjähriges Mädchen.

Auf der ganzen Welt sind Menschen entsetzt über das kaltblütige, rassistische Massaker, das sich gegen wehrlose muslimische Männer, Frauen und Kinder richtete, während sie beteten. Zehntausende von Menschen haben sich am Wochenende in Neuseeland und international an Mahnwachen beteiligt, um Solidarität mit den Opfern und ihren Familien zu zeigen und Muslime, Einwanderer und Flüchtlinge zu verteidigen.

Die neuseeländische Polizei sagt nun, dass der in Australien geborene, 28-jährige Brenton Tarrant der einzige Schütze gewesen sei und keine Unterstützung von anderen gehabt habe. Er ist wegen Mordes vor Gericht erschienen. Sowohl in Neuseeland als auch in Australien behaupten die Behörden, er sei zu keinem Zeitpunkt den Geheimdiensten oder der Polizei bekannt gewesen und daher in keiner Weise überwacht worden.

Dieser Versuch, Tarrant als gestörten „einsamen Wolf“ darzustellen, und vor allem die Behauptung, er habe sich „außerhalb des Radars“ bewegt, ist schlichtweg nicht glaubwürdig. Das 74-seitige Manifest von Tarrant macht deutlich, dass er die terroristische Gräueltat im Namen eines internationalen Netzwerks von Faschisten und Rassisten vorbereitet und durchgeführt hat, mit dem er mehrere Jahre lang offen zusammengearbeitet haben muss.

Das Manifest von Tarrant ist eine moderne Version von Mein Kampf. Es verbindet Aufrufe zu Völkermord und Bürgerkrieg, um außereuropäische „Eindringlinge“ aus Europa, den USA, Australien und Neuseeland zu vertreiben – darunter alle Menschen muslimischen, jüdischen, afrikanischen, asiatischen und Roma-Hintergrundes – mit pathologischem Hass auf den Sozialismus. Es ist durchdrungen von den rassistischen und ultra-nationalistischen Rezepturen von „Blut und Boden“, die die Nazis und andere faschistische Bewegungen in den 1920er und 1930er Jahren belebten.

Der Schütze schrieb, dass er „an viele nationalistische Gruppen gespendet und [...] mit vielen anderen interagiert“ habe. Seit 2012 bereiste er Bulgarien, Ungarn, Serbien, Kroatien, Bosnien, Frankreich, Großbritannien, Spanien, die Türkei, Pakistan und sogar Nordkorea, kehrte nach Australien zurück und reiste dann nach Neuseeland.

Tarrant behauptet, er habe sich während einer zweimonatigen Europareise 2017 und nach der Niederlage des rechtsextremen Front National bei den französischen Wahlen dem Terrorismus zugewandt. Er kontaktierte die so genannten Tempelritter, eine Organisation, die angeblich mit dem faschistischen norwegischen Massenmörder Anders Breivik in Verbindung steht, und behauptet, dass er dessen „Segen“ für den Angriff in Christchurch erhalten habe. Tarrant war aktiv auf ultra-rechten Social-Media-Seiten und Blogs und trat kurz nach seiner Ankunft in Neuseeland einem Schützenverein bei. Er erklärte, dass er Neuseeland als das Land für seinen Anschlag wählte, um zu zeigen, dass es „nirgendwo auf der Welt“ für „Nicht-Weiße“ sicher sei.

Wenn all dies tatsächlich „unter dem Radar“ der Sicherheitsbehörden auf der ganzen Welt ablief, dann liefert Tarrants Manifest eine Erklärung dafür, wie. Er prahlte, dass faschistische Gruppen tief in den Staatsapparat, das Militär und die Polizei integriert seien. Er schrieb: „Die Gesamtzahl der Menschen in diesen Organisationen geht in die Millionen ]...] aber sie sind überproportional im Militärdienst und der Strafverfolgung beschäftigt. Kein Wunder, dass Rassisten und Nationalisten eine Beschäftigung in Gebieten suchen, die ihren Nationen und Gemeinschaften dienen“ (Hervorhebung hinzugefügt). Tarrant schätzte, dass „Hunderttausende“ europäischer Soldaten und Polizisten zu „nationalistischen Gruppen“ gehören.

Der Angriff von Christchurch und die Vorstellungen, die ihn inspirierten, müssen von der internationalen Arbeiterklasse und den fortschrittlichen Teilen der Mittelschicht als tödliche Warnung angesehen werden. Sie ist das Ergebnis der bewussten Kultivierung des extremsten Nationalismus auf den höchsten Ebenen des kapitalistischen Staates in jedem Land. Während sich die Arbeiterklasse international in einem Wiederaufleben des Klassenkampfes gegen soziale Ungleichheit und die Gefahr eines Krieges zu erheben beginnt, versucht die herrschende Klasse wie in den 1920er und 1930er Jahren mit Hilfe faschistischer Kräfte die Opposition gegen den Bankrott des Kapitalismus und des Nationalstaatensystems zu spalten, einzuschüchtern und zu unterdrücken.

Parteien und Politiker mit Ansichten, die nicht so weit von denen von Brenton Tarrant entfernt sind, finden sich in den Regierungen und Parlamenten aller europäischen Länder, in Kanada, Australien und Neuseeland sowie im Kongress und im Weißen Haus der USA.

In Deutschland hat die Koalitionsregierung von Kanzlerin Angela Merkel die Politik der faschistischen Alternative für Deutschland (AfD) übernommen, die auf den Oppositionsbänken des Deutschen Bundestages sitzt. Innenminister Horst Seehofer hatte sich im vergangenen September in Chemnitz hinter Neonazi-Demonstrationen gestellt und erklärt, er wäre auf Seiten der Faschisten mitmarschiert, wenn er nicht Minister gewesen wäre. Auch der damalige Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, verteidigte den Chemnitzer Mob und leugnete dessen unverhohlenen ausländerfeindlichen und faschistischen Charakter.

Innerhalb der Bundeswehr ist ein geheimes rechtsextremes Netzwerk mit Hunderten von Mitgliedern aufgedeckt worden. Das Netzwerk, dessen Mitglieder durch die Justiz geschützt werden, hatte detaillierte Pläne, führende Politiker zu ermorden und jüdische und muslimische Organisationen anzugreifen.

In den USA haben sowohl die Demokraten als auch die Republikaner versucht, Einwanderer für die soziale Krise in Amerika zum Sündenbock zu machen. Beide nutzen die Rassenpolitik, um die Arbeiterklasse zu spalten.

Präsident Trump, den Tarrant als „ein Symbol für die erneuerte weiße Identität“ bezeichnete, hat versucht, eine faschistische Basis heranzuzüchten. In einer Botschaft der Solidarität mit seiner faschistischen Anhängerschaft sagte Trump Reportern nach dem Angriff von Christchurch, dass er den „weißen Nationalismus“ nicht als Bedrohung betrachte. Zwei Tage vor dem Massaker in Neuseeland drohte er damit, seine Anhänger in Militär, Polizei und Schlägertrupps wie den „Bikers for Trump“ gegen seine Gegner zu mobilisieren und erklärte gegenüber Breitbart News, dass sie „härter“ als die „Linke“ seien.

All das geschah nach der Verhaftung des faschistischen US-Küstenwachenoffiziers und Trump-Anhängers Christopher Paul Hasson im Februar, der geplant hatte, prominente afroamerikanische und jüdische Persönlichkeiten und Mitglieder der Democratic Socialists of America (DSA) zu ermorden.

In den Wochen vor dem Anschlag in Christchurch wurde eine Verleumdungskampagne gegen linke Kritiker der brutalen Behandlung der Palästinenser durch die israelische Regierung gestartet. Das demokratische Mitglied des Repräsentantenhauses Ilhan Omar, ein Muslim, wurde als „Antisemit“ bezeichnet, weil er auf den Einfluss der pro-zionistischen Lobby auf die beiden großen amerikanischen Parteien hinwies. Diese Kampagne spiegelt die Hexenjagd wider, die den britischen Labour-Parteichef Jeremy Corbyn und Hunderte von Labour-Mitgliedern des „Antisemitismus“ beschuldigt – ein Vorwurf, der darauf abzielt, die linke Opposition gegen den britischen Imperialismus zu delegitimieren und zu beseitigen.

In Australien und Neuseeland, wo Politiker heuchlerische Erklärungen abgeben, in denen Rassismus und Gewalt verurteilt werden, verteufelt das Establishment seit 2001 muslimische Flüchtlinge als Bedrohung und potenziell terroristische fünfte Kolonne und macht die Einwanderung für jedes soziale Problem verantwortlich.

Die New Zealand First Party („Neuseeland zuerst“), die die Ministerien für Verteidigung und Äußeres in der von der Labour Party geführten Koalitionsregierung inne hat, hat wiederholt Maßnahmen gefordert, um die „Masseneinwanderung“ aus muslimischen und asiatischen Ländern zu stoppen – mit einer Sprache, die sich nicht sonderlich von der von Tarrant und anderen Rechtsextremen unterscheidet.

Der barbarische Angriff in Christchurch unterstreicht die Warnung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) in seiner Erklärung vom 5. Januar 2019: Die Strategie des internationalen Klassenkampfs und der politische Kampf gegen die kapitalistische Reaktion im Jahr 2019. Wenngleich der Faschismus noch keine Massenbewegung ist, erhält er Unterstützung von Teilen der herrschenden Klasse, des Staates und der etablierten Medien.

Rechtsextreme Organisationen, so die Erklärung, konnten „mit ihrer Demagogie die Frustration und Wut breiter Bevölkerungsmassen ausnutzen. Alle historischen Erfahrungen – insbesondere die Ereignisse der 1930er Jahre – zeigen, dass der Faschismus nur durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus bekämpft werden kann.“

Das IKVI hat den Kampf um die entscheidenden Lehren aus der Geschichte im Kampf gegen den Aufstieg faschistischer Kräfte in Deutschland, europaweit und international angeführt.

Dieser Kampf steht im Mittelpunkt des Wahlkampfes der europäischen Sektionen und einer Reihe von öffentlichen Veranstaltungen in den Vereinigten Staaten mit dem Titel „Die Gefahr des Faschismus und wie man ihn bekämpft“. Auf den Veranstaltungen wird Christoph Vandreier sprechen, führendes Mitglied der Sozialistischen Gleichheitspartei in Deutschland und Autor des Buches Warum sind sie wieder da? Geschichtsfälschung, politische Verschwörung und die Rückkehr des Faschismus in Deutschland.

Das IKVI muss als Führung einer vereinten, internationalen und sozialistischen Arbeiterbewegung aufgebaut werden, die in der Lage ist, zu verhindern, dass der Schrecken des Faschismus die Gesellschaft in noch größerem Umfang einholt als in den 1920er, 30er und 40er Jahren.

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