Am Mittwoch erwies der ehemalige Präsident George H. W. Bush, der am Freitag zuvor verstorben war, der amerikanischen Finanzelite einen letzten Dienst. Die New Yorker Börse wurde für den von Präsident Donald Trump ausgerufenen Staatstrauertag geschlossen, wodurch die Wall Street 24 Stunden zusätzlich bekam, um sich von dem 800-Punkte-Sturz des Dow Jones Industrial Average am Dienstag zu erholen. Die Aktienkurse waren angesichts der Besorgnis über den Handelskrieg zwischen den USA und China, bedrohlicher Anzeichen einer globalen Rezession und Ängsten vor dem Ausbruch von Massenprotesten der Arbeiterklasse in Frankreich auf Talfahrt gegangen.
Der Gedenkgottesdienst für Bush, der in der National Cathedral in Washington stattfand, wurde von Trump und jedem lebenden ehemaligen Präsidenten sowie Hunderten von Kongressmitgliedern, Bundesbeamten, Richtern, Generälen und Firmenchefs besucht. Es trug sich ein düsteres Schauspiel zu, das in den rührseligen Worten des ehemaligen Präsidenten George W. Bush gipfelte. Bush jr. endete mit der unvermeidlichen Schlussfolgerung, dass sein Vater nun wieder im Himmel mit seiner Frau Barbara und seiner kleinen Tochter Robin vereint sei, die vor mehr als 60 Jahren an Leukämie starb.
Obwohl im Gottesdienst eines ehemaligen Präsidenten gedacht wurde, der zuvor Kongressabgeordneter, UN-Botschafter, Vorsitzender des republikanischen Nationalkomitees, CIA-Direktor und Vizepräsident gewesen war, war er auffällig wenig von Politik die Rede. Die Washington Post berichtete am Montag, die Bush-Familie habe darauf bestanden, dass sich keine Szenen abspielen, die Meghan McCains Anti-Trump-Kommentaren bei der Gedenkfeier für Senator John McCain ähneln. Die Bushs hätten das Weiße Haus in Kenntnis gesetzt, dass sie „nicht wünschen, dass sich jemand unwohl fühlt, einschließlich des amtierenden Präsidenten“. Trump konnte also beruhigt in der ersten Bankreihe der Kathedrale – zusammen mit den Obamas, den Clintons, den Carters und den Bushs – Platz nehmen.
Die Beerdigung von Bush setzt ein Muster von seltsam aufwendigen Zeremonien und heuchlerischen Lobpreisungen für reaktionäre politische Persönlichkeiten fort, bei dem die Feier ihres Lebens und ihrer Charaktere in krassem Missverhältnis zu ihren Amtshandlungen und ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit steht. Es begann mit der Beerdigung von Richard Nixon im Jahr 1994, setzte sich mit Ronald Reagan (2004) und Gerald Ford (2006) fort und wurde Anfang des Jahres mit John McCain und jetzt George H. W. Bush wieder aufgenommen. Nicht nur politischen Persönlichkeiten wurde eine solche Behandlung zuteil. Vor zehn Jahren war es Tim Russert, der längst vergessene Moderator der Sendung „Meet the Press“ auf NBC.
Diese Zeremonien sind Ausdruck eines zunehmend aristokratischen Umfelds, in dem die Verstorbenen im Mittelpunkt von Bestattungsritualen stehen, die mit ihrer Kombination aus Religion und Regierungspomp eher denen von Monarchen als von ehemaligen Staatsoberhäuptern demokratischer Republiken ähneln.
Auf der grundlegendsten Ebene bedeutet dies, dass politische Konventionen mit der zugrunde liegenden sozialen Struktur in Einklang gebracht werden.
Im heutigen Amerika regiert ein winziger Adel der Superreichen über die große Masse der Bevölkerung – oder wie sie es lieber ausdrücken: „dient dem Volk“ - auf eine Weise, die mehr an das zaristische Russland oder das Frankreich der Bourbonen als an Amerika im Jahre 1776 erinnert. Vom amerikanischen Bürgerkrieg ganz zu schweigen: Wie Lincoln erklärte, wurde dieser geführt, um sicherzustellen, dass „die Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk nicht von der Erde verschwinden möge“.
Es ist dieser Widerspruch, zwischen den tatsächlichen wirtschaftlichen Beziehungen der oligarchischen Herrschaft und dem verbleibenden demokratischen Putz, der die objektive Grundlage für die letzten fünf Tage ungehemmter Heuchelei und Zynismus bildet.
Die Vereinigten Staaten sind ein Land der Lügen. Seine herrschenden Eliten belügen das amerikanische Volk, die Welt und – was besonders erbärmlich ist – sich selbst. In der ganzen Flut von Kommentaren, die durch den Tod von George H. W. Bush ausgelöst wurde, ist es fast unmöglich, ein einziges ehrliches Wort über sein Leben, seine Präsidentschaft oder die Präsidentschaft seines Sohnes zu finden, geschweige denn über das gegenwärtige politische Umfeld, in dem der historische Zerfall des amerikanischen Kapitalismus Donald Trump, den politischen Clown und faschistischen Provokateur, in eben jenes Büro gebracht hat, in dem einst George Washington und Abraham Lincoln saßen.
Es gibt einen Unterton in der Medienberichterstattung sowie in den Äußerungen von Politikern wie Clinton und Obama, die darauf abzielen, die Grobheit und Boshaftigkeit von Trump mit dem vermeintlichen Anstand und vornehmen Charakter von George H. W. Bush zu kontrastieren. Das ist Wunschdenken. In der Regierung von Donald Trump gibt es wenig, was in der Regierung des älteren Bush fehl am Platz gewesen wäre, und noch weniger in der Regierung seines Sohnes.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der ältere Bush nutzte schließlich seine Amtszeit im Weißen Haus, um Panama zu überfallen und ein Massenschlachten von Wehrpflichtigen im Irak zu veranstalten. Er steht am Beginn eines Vierteljahrhunderts endloser Kriege, die darauf abzielten, Washingtons militärische Vorherrschaft zu nutzen, um seinen wirtschaftlichen Niedergang auszugleichen. Sein Sohn kam durch eine gestohlene Wahl ins Amt und brach einen unprovozierten Krieg in Afghanistan sowie die Invasion und Besetzung des Irak vom Zaun, die auf Lügen basierten und bei denen über eine Million Menschen ums Leben kamen. Als Bestandteil desselben betrügerischen „Kriegs gegen den Terror“ führte er Inhaftierungen auf unbestimmte Zeit, Massenüberwachung und Folter ein. Diese Praktiken wurden unter Obama entweder reingewaschen oder fortgesetzt und erweitert.
Der Gedanke, es gebe einen gewaltigen Unterschied zwischen George H. W. Bush und Trump, ist eine Übung in Selbsttäuschung. Was die Bourgeoisie an der Übergangszeit von George H. W. Bush zu Trump betrauert, ist der dramatische Niedergang der Weltposition des amerikanischen Kapitalismus: von der Illusion des „unipolaren Moments“, der „neuen Weltordnung“ oder gar des „Endes der Geschichte“ nach der Auflösung der UdSSR zur düsteren Realität der Vereinigten Staaten als absteigendem Welthegemon, der sich mit Herausforderungen durch neue Rivalen wie China und einstige Verbündete, die sich – wie im Fall Deutschlands – in potenzielle Bedrohungen verwandeln, konfrontiert sieht.
Das wahre Maß für den Zerfall der amerikanischen herrschenden Elite ist nicht der Übergang von Bush zu Trump, sondern der Kontrast zwischen der glanzvollen Familiendynastie der ersten Jahrzehnte nach der amerikanischen Revolution – dem Präsidenten John Adams; seinem Sohn John Quincy Adams (ebenfalls Präsident), seinem Enkel Charles Francis Adams (Diplomat unter Lincoln), seinem Urenkel Henry Adams (Schriftsteller, Historiker und Essayist) – und der fürchterlichen Bush-Dynastie. Die Adams waren ein Produkt des Fortschritts der amerikanischen Demokratie, während die Bushs deren völlige Verkommenheit und Verfall verkörpern.
Es gibt jedoch ein anderes Amerika, das Amerika der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Bevölkerung. Für Arbeiter wirkte sich der Staatstrauertag um Präsident George H. W. Bush nur dadurch aus, dass keine Post zugestellt wurde und Postämter und Banken geschlossen blieben. Selbst wenn sie sich daran erinnern konnten, wer er war – die Hälfte der Bevölkerung kam entweder nach Bushs Präsidentschaft zur Welt oder zog danach nach Amerika –, so hätten sie sich für seinen Tod kaum weniger interessieren können.
Der Tod von Präsident Bush hat nicht das geringste Maß echter Trauer bei der amerikanischen Bevölkerung hervorgerufen. Es gäbe mehr Tränen, wenn Bush-Imitator Dana Carvey sterben würde, und sie wären aufrichtiger. Was die Menge in der Nationalen Kathedrale am Mittwoch betrifft, so war es nicht der Verlust von George H. W. Bush, einer durchaus mittelmäßigen Persönlichkeit, der sie bestürzte. Ihre Tränen vergossen sie für das von ihm verteidigte System, die Quelle ihres eigenen Reichtums und ihrer Privilegien, die in wachsendem Maße durch die Entwicklung einer Bewegung von unten bedroht wird.