Nach Macrons Rede: Aufruf zu weiteren Demonstrationen gegen Benzinsteuererhöhung in Frankreich

Am Dienstagmorgen wiesen Vertreter der französischen „Gelbwesten“-Protestbewegung die Rede von Emmanuel Macron zurück, in der er vorgeblich auf die Bedenken der Demonstranten einging, um die Bewegung zu beenden. Nach langen Gesprächen mit dem Ökologieminister François de Rugy am Abend kündigten sie an, dass sie für das kommende Wochenende weitere Proteste planen.

Nach 22 Uhr kamen Eric Drouet und Priscilla Ludosky von dem Treffen und erklärten gegenüber der Presse, sie seien weder mit Macrons Rede noch mit der Diskussion mit de Rugy zufrieden gewesen. Die beiden hatten einige der ersten Facebook-Gruppen gegründet, in denen als Reaktion auf Macrons Erhöhung der Benzinsteuer zu Straßensperren aufgerufen wurde. Aus diesen Aktionen ging die Bewegung der „Gelbwesten“ hervor.

Der Lkw-Fahrer Drouet erklärte: „Wir haben das Gefühl, dass kein wirkliches Interesse daran besteht, das Leben der Menschen zu verbessern. Das haben wir heute stark gespürt.“ Er fügte hinzu, de Rugys Äußerungen „waren letzten Endes sehr vage. Er sagte, er würde versuchen, die Botschaft weiterzugeben, und das war es dann im Wesentlichen. Wir sagten, was wir über die Medienäußerungen des Präsidenten halten und dass die französische Bevölkerung nicht überzeugt ist – gelinde gesagt. Die Demonstranten der Gelbwesten sind langsam wirklich verärgert.“

Er fügte hinzu, dass die Proteste weitergehen: „Es wird eine Veranstaltung wie am letzten Samstag auf den Champs-Élysées geben. Die Gelbwesten wollen nun jeden Samstag auf den Champs-Élysées marschieren.“

Drouet wies die Vorwürfe zurück, die Gelbwesten seien für die Gewalt bei der Protestveranstaltung am vergangenen Samstag verantwortlich gewesen, und stellte klar, dass die Aggression von der Polizei ausging. Er erklärte: „Das harte Vorgehen des Innenministeriums war für die Exzesse am Samstag verantwortlich. Die Tatsache, dass die Bereitschaftspolizei von acht Uhr morgens bis mittags immer wieder mit Knüppeln und Tränengas gegen die Gelbwesten vorging, hat unter ihnen zu Spannungen geführt. Wenn die Polizei ruhiger aufgetreten wäre, hätte es den Tag über weniger Gewalt gegeben.“

Die Straßensperren und Proteste der Gelbwesten verbinden sich immer häufiger mit Streikaktionen an wichtigen Arbeitsstätten wie bei Amazon, den Häfen und Raffinerien. Die Wut in der Arbeiterklasse über die soziale Ungleichheit und Macrons Präsidentschaft nimmt enorm zu.

De Rugy selbst gab das nach seinem Treffen mit Drouet und Ludosky vor der Presse zu: „Ihre Forderungen gehen weit über die ökologische Frage und die Treibstoff-Frage hinaus... Natürlich sind wir nicht zu dem Treffen gegangen, um unmittelbar Antworten vorzuschlagen.“

Die Ablehnung von Macrons Vorschlägen durch die Demonstranten und ihre Vertreter zeigt, dass sich die politische Krise, die europäische Dimensionen annimmt, zuspitzt. Macron hatte die Demonstrationen zunächst mehr als eine Woche lang provokativ ignoriert. Am Samstag versuchte er dann, die Kundgebung in der Pariser Innenstadt mit Polizeigewalt zu unterdrücken. Da die Proteste trotzdem weiter zunahmen, sah sich Macron zu dem Versuch gezwungen, die Krise durch ein scheinbares Eingehen auf die Forderungen der Demonstranten zu entschärfen.

Ein wichtiger Faktor bei dieser Entscheidung war zweifellos die Popularität der Gelbwesten vor dem Hintergrund der zunehmenden Streiks bei Fluggesellschaften, in Häfen, Ölraffinerien und der Logistikbranche sowie des wachsenden Widerstands gegen die Sparpolitik in Europa. Am Wochenende erschien eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts BVA, laut der 72 Prozent der französischen Bevölkerung die Forderungen der Gelbwesten nach einer Erhöhung der Kaufkraft und weniger sozialer Ungleichheit und Besteuerung der arbeitenden Bevölkerung unterstützen. Ganze 59 Prozent wollen, dass die Protestbewegung weiter wächst.

Macrons Entscheidung, seine Rede zu den Gelbwesten vor einer Gruppe von Unternehmern und Gewerkschaftsfunktionären zu halten, machte jedoch nur deutlich, dass er seine rechte Politik durchsetzen will und den Demonstranten nichts zu bieten hat. Er betonte, er werde seinen Kurs nicht ändern, bot nur symbolische Zugeständnisse an und kündigte an, er werde die unpopuläre Benzinsteuer beibehalten, während er gleichzeitig seine Agenda der endlosen Sozialkürzungen, der Erhöhungen der Militärausgaben und der Steuernachlässe für die Reichen fortsetzen wird.

Er erklärte: „Ich habe aus den letzten Tagen die Lehre gezogen, dass man seinen Kurs nicht ändern sollte, wenn er korrekt ist. Allerdings müssen wir die Methoden ändern, weil meine Mitbürger zu dem Schluss gekommen sind, dass dieser Kurs von oben bestimmt wird.“

Tatsächlich sind sowohl Macrons Methoden als auch seine politische Agenda diktatorisch und illegitim. Ähnlich wie in anderen Ländern der Europäischen Union werden sie von der großen Mehrheit der französischen Bevölkerung abgelehnt. Um seine Kriegs- und Sparpolitik durchzusetzen, unterdrückt Macron jeden Protest mit Polizeigewalt. Jetzt stößt er erstmals auf ernsthaften Widerstand, der sich außerhalb der Kontrolle der Gewerkschaften und der etablierten Parteien entwickelt.

Mitglieder der Gelbwesten verhöhnten Macron und riefen: „Macron hält Kurs – wir auch.“

Macrons Rede hat deutlich gezeigt, dass seine Regierung angesichts des wachsenden Widerstands der arbeitenden Bevölkerung und der Mobilisierung der Gelbwesten erschüttert ist. Der Rest seiner Rede war eine weitschweifende und zusammenhangslose Mischung aus Drohungen, arroganten Belehrungen der Bevölkerung und Vorschlägen, wie man die Gelbwesten besser in Macrons Manöver mit der Gewerkschaftsbürokratie einbinden und somit abwürgen kann.

Nachdem die Bereitschaftspolizei am letzten Wochenende erbitterte Zusammenstöße mit den Gelbwesten provoziert hat, droht Macron nun mit einer Verschärfung seines Kurses. „Unsere Antwort“ auf alle Proteste, bei denen es zu Gewalt kommt, „wird immer wieder heißen: öffentliche Ordnung“, so der Präsident.

In arroganter Manier kritisierte Macron die Forderungen der Gelbwesten nach niedrigeren Steuern und höheren Sozialausgaben als kindisch und unvernünftig: „Wir können nicht die Steuern senken und mehr öffentlichen Dienst, Kindertagesstätten, Schulen und Sozialleistungen haben. ... Deshalb müssen wir den Leuten beibringen, wie unser System funktioniert. ... Wir müssen den Leuten erklären, wofür ihre Steuern ausgegeben werden. ... Wenn das niemand tut, würden es alle für normal halten, dass die Schule umsonst ist oder der Staat zahlt, wenn man älter wird.“

In Wirklichkeit ist die Forderung der Arbeiter nach niedrigeren Steuern und mehr Sozialstaat nicht kindisch, sondern erfordert die Enteignung der Kapitalistenklasse. Dass in Frankreich und ganz Europa die Steuern für Arbeiter steigen und die Sozialprogramme zusammengestrichen werden, ist das Ergebnis einer massiven Umverteilung des Reichtums zu Gunsten der Milliardäre. Bereits 2010 besaß in Frankreich das oberste Prozent der Bevölkerung ein Viertel des gesamten Vermögens; die obersten zehn Prozent verfügten zusammen über 62 Prozent des Vermögens. Heute hat sich dieser Trend noch verschärft.

Allein im letzten Jahr konnte der Milliardär Bernard Arnault sein Vermögen um über 20 Milliarden Euro vergrößern. Die Wut der Bevölkerung über die Finanzaristokratie und den Rothschild-Banker und Präsident der Reichen Emmanuel Macron nimmt explosive Formen an. Seine Steuererhöhungen, die Angriffe auf das Arbeitsrecht, die Privatisierung der Eisenbahn, die Kürzungen im Renten- und Gesundheitswesen – seine gesamte Politik, die dazu dient, eine europäische Armee und Steuersenkungen für die Reichen zu finanzieren, zeigt das ganze Ausmaß der gesellschaftlichen Umverteilung im Interesse der Superreichen.

Der Präsident machte noch den vagen Vorschlag, drei Monate lang eine „Koordinierung“ zwischen den Unternehmern und Gewerkschaftsbürokraten, vor denen er die Rede hielt, seiner Regierung und ausgewählten Gelbwesten herzustellen, um über Umweltpolitik zu diskutieren. Er forderte außerdem die Schließung von Kohle- und Atomkraftwerken und mehr Geld für erneuerbare Energie. Er versuchte, seine Rede als ernsthaften Beitrag zur Rettung des Planeten darzustellen, konnte aber nicht erklären, wie diese Umweltpolitik mit anderen Ländern koordiniert werden soll.

Macrons arrogante Zurückweisung der Forderungen der Bevölkerung zeigt, dass kein einziges Problem, auch nicht die ökologische Krise, gelöst werden kann, ohne zuvor die kapitalistische Finanzaristokratie in Frankreich und der ganzen Welt zu enteignen.

Macrons Orientierung als Präsident Frankreichs wurde in seiner Rede mehr als deutlich: Er hat erkannt, dass der soziale Unmut zunimmt, er will ihn im Keim ersticken und greift dabei zu den Methoden brutaler Repression. Die Fortsetzung der Gelbwesten-Proteste sind eine erste Reaktion, die zeigt, dass in der ganzen Arbeiterklasse ein breiter Widerstand gegen seine Politik entsteht.

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