Eurowings: Streikbereitschaft der Beschäftigen, Nadelstich-Taktik von Verdi

Die Streikbereitschaft war groß, als die Flugbegleiter der Lufthansa-Billigtochter Eurowings am Dienstag in Düsseldorf zur Frühschicht die Arbeit niederlegten. Mit 56 An- und Abflügen fielen weit mehr Eurowings-Flüge aus, als von Gewerkschaft und Unternehmen vorhergesehen. Trotzdem brach die Gewerkschaft den Streik schon nach 8 Stunden ab, um die Verhandlungen mit der Unternehmensleitung fortzusetzen.

Verdi unterstützt die Wettbewerbsstrategien der Konzernleitung und versucht den Abbau der Sozialstandards und das Lohndumping so zu gestalten, dass sie gegen den Widerstand der Beschäftigen durchgesetzt werden können.

Die befristeten Kurzstreiks sollen Dampf ablassen und darüber hinwegtäuschen, dass Verdi nicht bereit ist, einen gemeinsamen Kampf aller Beschäftigen in der deutschen und europäischen Luftfahrtindustrie zu organisieren, obwohl der Lohn- und Sozialabbau überall stattfindet und alle Beschäftigen betrifft.

Bei Eurowings ist die Steigerung der Arbeitshetze mit einer ständigen Veränderung der Dienstpläne, der Arbeits- und Bereitschaftszeiten verbunden. Oftmals werden die Dienste äußerst kurzfristig umgestellt und die Dienstzeiten nicht selten auf bis zu 18 Stunden ausgedehnt.

Am Sitz der Unternehmenszentrale in Düsseldorf sind 500 der 1000 Flugbegleiter von Eurowings stationiert. Außer bei Verdi sind Mitglieder der Kabinenbesatzungen auch bei der Spartengewerkschaft Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) organisiert.

Beide Gewerkschaften ringen um Mitglieder, um ihren Einfluss zu sichern. Beide betreiben seit Jahren eine Taktik der Nadelstiche, spalten die Belegschaften nach Standorten und Fluglinien und sind darauf bedacht, Kompromisse mit den Unternehmen einzugehen, um deren Konkurrenzfähigkeit im seit Jahren tobenden Konsolidierungsprozess der Branche zu stärken.

Nach der Insolvenz von Air Berlin im Herbst vergangenen Jahres rissen sich andere Fluglinien, allen voran die Lufthansa, die Start- und Landerechte (Slots) sowie die Flugzeuge der Fluggesellschaft unter den Nagel. Die Beschäftigten wurden sich selbst überlassen oder mussten sich zu miserablen Bedingungen bei den Aufkäufern neu bewerben, wobei die älteren Flugbegleiter kaum Chancen auf Neueinstellung hatten.

Nur die Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW), eine Tochterfirma von Air Berlin, wurde von der Lufthansa damals nach den gesetzlichen Regeln, also mit Betriebskapital und Belegschaft, als Teil von Eurowings übernommen. Damals stimmte Verdi zu, die Tarifbedingung für die früheren LGW-Beschäftigten auf ein Jahr zu begrenzen.

Jetzt ist die Stillhaltezeit abgelaufen, und prompt plant die Lufthansa weitere Sparmaßnahmen. „Zum Jahreswechsel werden die A320-Flugzeuge [von LGW] in andere Flugbetriebe der Eurowings Group überführt“, zitiert der aeroTELEGRAPH einen Sprecher der Fluglinie. Damit verbleiben nur noch die 20 Turboprop-Maschinen des Typs Dash 8 bei LGW. Da diese zu überhöhten Leasingkosten gemietet sind, sollen sie an die Leasinggesellschaften zurückgegeben oder zum kleineren Teil als Reservemaschinen nach Stuttgart verlegt werden. Damit sind die Arbeitsplätze von Piloten, Kabinenpersonal und Technikern von LGW unmittelbar bedroht.

Die LGW-Station Berlin-Tegel soll komplett geschlossen werden. Verdi stimmte dem Abbau der rund 200 Flugbegleiter zu, verlangte aber einen geregelten Arbeitsplatzabbau über einen Sozialplan. Die Unternehmensleitung kennt die Kompromissbereitschaft der Gewerkschaft und weiß, dass Verdi keinen ernsthaften Arbeitskampf führen will. Angesichts dieser Situation ließ sie die Verhandlungen über einen Sozialplan im Oktober platzen.

Seit die Fluggesellschaft Southwest Airlines Anfang der 1970er Jahre mit ihrem Low-Cost-Konzept zu einer der größten amerikanischen Fluglinien aufstieg, haben zahlreiche Fluglinien weltweit diese Strategie kopiert. In Europa begann die Liberalisierung des Luftverkehrs in den 90er Jahren. Bis dahin konnten nur französische oder deutsche Luftfahrtgesellschaften zwischen den Flughäfen von Paris und Berlin verkehren.

Durch die Liberalisierung des Luftverkehrs in der EU kann jede europäische Fluglinie frei zwischen allen Mitgliedsstaaten verkehren und die Konditionen weitgehend selbst bestimmen. Auf der Jagd nach Profit entstanden immer neue Billigairlines mit immer schlechteren Arbeitsbedingungen und ständigem Lohnabbau.

In Europa etablierten sich die Norwegian Air Shuttle, Easyjet/Großbritannien, Ryanair/Irland, Vueling Airlines/Spanien, um nur die bekanntesten zu nennen. Zahlreiche Billigfluglinien gingen in Insolvenz, wie Niki/Österreich, ehemals Teil von Air Berlin. Die traditionellen Fluggesellschaften versuchten durch Gründung von Tochtergesellschaften mit Low-Cost-Konzept ihren Marktanteil zu verteidigen. Die Lufthansa gründete zu diesem Zweck Germanwings und schließlich Eurowings.

Die Funktionäre von Verdi haben sich vorrangig darum bemüht, lukrative Posten in den Aufsichtsräten zu ergattern. So ist Christine Behle Mitglied im Vorstand der Gewerkschaft und vertritt als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Lufthansa, für jedermann sichtbar, die Interessen des Unternehmens.

In Folge gründeten sich kleine Spartengewerkschaften, wie die Vereinigung Cockpit (VC) für Piloten, die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO), die Industriegewerkschaft Luftverkehr (IGL), die Arbeitnehmergewerkschaft im Luftverkehr (Agil, für Bodenbeschäftigte) und die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF). Sie versprachen, die Interessen ihrer Mitglieder standhafter zu verteidigen.

Diese Spartengewerkschaften entpuppten sich jedoch ebenfalls als Vertreter der Profitinteressen. Im Ringen der Konzerne um Marktanteile bemühen sie sich, die Kosten durch Senkung von Löhnen und Arbeitsbedingungen niedrig zu halten und ihren „nationalen Champion“ zu stärken.

So akzeptierte Ufo im Juli 2015 einen Schlichterspruch, nach dem 19.000 Flugbegleiter das Risiko für ihre Alters- und Übergangsversorgung selbst tragen müssen. Ufo-Chef Nicoley Baublies bekannte damals, die Gewerkschaft habe viele „unübliche Dinge“ zugestanden. „Wir haben Tarifbedingungen auf Lowcost-Niveau in Aussicht gestellt, um Ryan Air und Co. zu attackieren. […] Wachstum im Ausland, Wachstum in nicht tarifierten, nicht eigenen Betrieben wurde akzeptiert.“

Als kürzlich die Flugbegleiter und Piloten von Ryanair streikten, waren die zahlreichen europäischen Gewerkschaften allesamt bemüht, einen gemeinsamen internationalen Streik aller Beschäftigten in der Luftfahrtbranche zu verhindern, obwohl die internationalen Belegschaften sie zu gleichzeitigen Streiks zwangen.

Stattdessen versuchten die Gewerkschaften in jedem Land, sich als verlässlicher Verhandlungspartner des Unternehmens für ihren jeweiligen nationalen Standort zu beweisen. Ihre Rolle besteht nicht darin, Arbeiter im gemeinsamen Kampf zu vereinen, sondern die Beschäftigen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit des jeweils „eigenen“ Standorts oder Unternehmens gegeneinander auszuspielen und ihre Kampfkraft zu zersplittern und zu schwächen.

Im aktuellen Konflikt bei Eurowings spitzt sich der Streit zwischen Verdi und Ufo zu. Ufo-Chef Baublies beschuldigt Verdi, dass sie „über die Köpfe der Vereinigung Cockpit hinweg“ einen Tarifvertrag für die Eurowings-Piloten abgeschlossen habe und sich im Jahr 2016 schon mit einem „Unterbietungskampf für die Eurowings-Kabine ins Gespräch brachte, anstatt mit uns zu kooperieren“. Ähnliche Vorwürfe erhebt Verdi gegen Ufo.

Die Beschäftigten der Luftfahrtindustrie benötigen eine neue Strategie, die den objektiven Bedingungen entspricht und auf eine internationale Zusammenarbeit gegen Lohn- und Sozialdumping ausgerichtet ist. Die Nadelstich-Taktik der Gewerkschaften muss zurückgewiesen werden. Arbeiter dürfen sich nicht länger für die reaktionären Pseudo-Aktionen von Verdi oder anderen Gewerkschaften missbrauchen lassen.

Um einen ernsthaften Kampf gegen den anhaltenden Arbeitsplatzabbau und die ständige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu führen, müssen Betriebs- bzw. Arbeiterkomitees aufgebaut werden, die völlig unabhängig von den Gewerkschaften arbeiten. Das ist notwendig, um Kontakt zu den Beschäftigen in anderen Industriezweigen und anderen Ländern aufnehmen, die mit den selben Problemen konfrontiert sind. Nur auf der Grundlage einer internationalen sozialistischen Strategie ist es möglich, den wachsenden sozialen Angriffen entgegenzutreten. Dies gilt umso mehr, als sich Konzerne und Regierungen weltweit auf Handelskrieg und Krieg vorbereiten und die Kosten dafür überall der Arbeiterklasse aufhalsen.

Die WSWS unterstützt jede Initiative zum Aufbau von unabhängigen Betriebs- und Arbeiterkomitees.

Loading