Rechtsextremer Kandidat Bolsonaro gewinnt brasilianische Präsidentschaftswahl

Die zweite Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen am letzten Sonntag bestätigt, was bereits nach dem ersten Urnengang Anfang des Monats und späteren Umfragen vorhersehbar war: den Wahlsieg des faschistischen Hauptmanns der Reserve und siebenfachen Repräsentanten des Bundesstaates Rio de Janeiro, Jair Bolsonaro.

Bolsonaro gewann 58 Millionen Stimmen, bzw. 55 Prozent; der Kandidat der PT (Partido de Trabalhadores, Arbeiterpartei) Fernando Haddad nur 47 Millionen, bzw. 45 Prozent. Wie schon im ersten Wahlgang kam es auch in der Stichwahl zu Wahlenthaltungen und der Abgabe von ungültigen Stimmzetteln auf Rekordniveau. Mehr als 40 Millionen der 146 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme weder für den einen noch für den anderen Kandidaten ab.

Bolsonaro verteidigt offen die Militärdiktatur, die Brasilien mit Unterstützung der USA von 1964 bis 1985 regiert hat, und ihre mörderische und barbarische Unterdrückung. Sein Wahlsieg markiert einen tiefgreifenden Zusammenbruch des Regimes der bürgerlich-demokratischen Herrschaft, die in Brasilien entstanden ist, nachdem das Militär die Macht abgegeben hatte.

Es stellt auch eine Niederlage für alle bisher amtierenden Parteien dar, vor allem für die PT, die in den letzten 13 Jahren das bevorzugte Werkzeug der Herrschaft der brasilianischen Bourgeoisie war. Auch die Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung (MDB), die aus der ehemaligen legalen Opposition gegen die Diktatur entstanden ist, und die ehemals wichtigste rechte Partei, die Sozialdemokratische Partei Brasiliens (PSDB), erlitten schwere Verluste. Bereits im ersten Wahlgang wurden die Fraktionen der PSDB und der MDB im Kongress halbiert, und die PT verlor 20 Prozent ihrer Sitze.

Die Wahl ist ein Ausdruck des weit verbreiteten Widerstandes gegen das gesamte politische System, das von der PT und der ehemaligen rechten Opposition dominiert wird. Von großen Teilen der brasilianischen Bevölkerung werden sie für die schlimmste Wirtschaftskrise in der Geschichte des Landes verantwortlich gemacht: das Bruttoinlandsprodukt ist zwischen 2015 und 2016 um acht Prozent gesunken und hat sich so langsam erholt wie nie zuvor. Die Arbeitslosenquote stagniert weiterhin bei 12 Prozent, bzw. 13 Millionen Arbeitslosen, extreme Armut und Kindersterblichkeit nehmen zu.

Zudem werden die PT und die beiden anderen bürgerlichen Parteien als mitverantwortlich für die allgegenwärtige Korruption angesehen, wobei die MDB seit fast 30 Jahren jeweils die eine oder die andere Partei unterstützt. Seit die PSDB 1994 erstmals an die Macht kam und im Jahr 2002 für vier Amtszeiten von der PT abgelöst wurde, reichten die zahlreichen Korruptionssysteme vom Stimmenkauf im Kongress durch die PT und die PSDB über betrügerische Privatisierungen unter der PSBD bis hin zu Bestechungen und Nebeneinnahmen für öffentliche Aufträge in den Bereichen Bau, Industrie und bei den Energiemonopolisten unter der Herrschaft der PT. Letzteres war das zentrale System, das durch die „Lava-Jato“-Untersuchung (dt. Autowäsche) aufgedeckt wurde. Seine Ausläufer erstreckten sich bis in die USA, Afrika und faktisch den ganzen Rest von Lateinamerika.

Vor diesem Hintergrund konnte sich Bolsonaro mit populistischer Kritik an Korruption und Vetternwirtschaft als die einzige Opposition gegen die arbeiterfeindliche Politik dieser drei Parteien inszenieren. Sein Wahlkampf wurde von einer ganzen Reihe hochrangiger Militärs und mit der Zeit auch vom Großkapital unterstützt. Mit seinem Sieg wird das verhasste brasilianische Militär zum ersten Mal seit 1985, als es durch die Enthüllung und das erbärmliche Scheitern seiner brutalen Unterdrückungs- und Klassenkriegspolitik völlig demoralisiert war, wieder eine vorherrschende Rolle in der Regierung spielen.

Wie bereits im ersten Wahlgang abzusehen war, zeigte die Wahlanalyse, dass die PT in fast allen ehemaligen Hochburgen, in denen sie in den 1980ern an Einfluss gewann und von wo aus sie schließlich an die Macht gelangte, verheerende Niederlagen erlitten hat. Am deutlichsten zeigte sich dies in der „ABC-Region“, also den Industriestädten um São Paulo und im so genannten „roten Gürtel“, den Arbeitervierteln am Rand der Stadt.

In traditionell linken Bundesstaaten, in denen die PT bereits lange vor ihrer Amtsübernahme im ganzen Land Siege einfahren konnte, wie Rio Grande do Sul und Rio de Janeiro, gelangen Bolsonaro klare Siege von über 63 Prozent.

In São Bernardo in der ABC-Region, wo die PT gegründet wurde und der ehemalige Präsident Luiz Inacio Lula da Silva seit 1978 die Metallarbeiter in einer Reihe von großen Streiks angeführt hatte, die zum Ende der Diktatur führten, erhielt Bolsonaro 60 Prozent der Stimmen. In anderen ABC-Städten erhielt er bis zu 75 Prozent. Lula da Silva sitzt mittlerweile wegen Anklagen im Zusammenhang mit der Lava-Jato-Untersuchung im Gefängnis.

Nur im verarmten und vernachlässigten Nordosten des Landes konnte die PT sich die Unterstützung sichern. In dieser Region konnte sie sich erst bei Lulas Wahlsieg 2002 durchsetzen und wird dort mit den begrenzten, vom IWF genehmigten Plänen zur Senkung der Armut in Verbindung gebracht.

Im Vorfeld der Wahlen erklärte Bolsonaro in einer Reihe von provokanten Stellungnahmen seine Gegnerschaft gegen die PT, die er als „rote Verbrecher“ bezeichnete. Er erklärte, sie würden sich zwischen Exil oder Gefängnis entscheiden müssen und kündigte eine „Säuberung an, wie es sie in der Geschichte Brasiliens noch nie gegeben hat“.

Bolsonaros Vizepräsidentschaftskandidat, der rechte General Hamilton Mourão, erklärte noch am Wahlabend, die erste Aufgabe der neuen Regierung seien Wirtschaftssanierungsprogramme, darunter auch eine umfassende Renten-„Reform“. Zuvor hatte er in seinen Reden bekräftigt, „militärisches Eingreifen“ sei notwendig, um „Recht und Ordnung“ zu gewährleisten. Mourão ist erst dieses Jahr aus dem Militär ausgetreten.

Der General erklärte, die neue Regierung werde die „Flitterwochen“ nach der Machtübernahme nutzen, um „einige Nägel einzuschlagen“.

Nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse hetzte Bolsonaro in den sozialen Medien gegen Sozialismus und Kommunismus. Kurze Zeit später erklärte er bei einem Auftritt im landesweiten Fernsehen seine Unterstützung für den demokratischen Rechtsstaat und die Eigentumsrechte sowie die finanzpolitische Verantwortung. Er signalisierte auch, dass Brasilien unter seiner Herrschaft außenpolitisch näher an Washington rücken werde. Weiter erklärte er, US-Präsident Donald Trump habe ihm telefonisch gratuliert und gesagt, die beiden könnten „großartige Partner“ werden.

Bolsonaros Wahlsieg bedeutet eindeutig einen scharfen Rechtsruck der brasilianischen Bourgeoisie angesichts der schwersten Wirtschaftskrise in der Geschichte des Landes und der immer schärferen Klassenspannungen.

Die PT hat Bolsonaro den Weg zur Macht geebnet. In ihrer dreizehnjährigen Herrschaft hat sie sich im Kongress mit ihm und einer ganzen Reihe von rechten Politikern verbündet, um die vom IWF geforderte Wirtschaftspolitik umzusetzen, durch die der Arbeiterklasse die gesamte Last der Wirtschaftskrise des Landes aufgebürdet wurde.

Viele bezeichneten die Verhaftung Lulas, wegen der er nicht erneut als Präsident kandidieren konnte, als Hauptursache für die Niederlage der PT. Laut Umfragen glaubt jedoch eine Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung, er solle ins Gefängnis gesperrt werden. Die PT selbst verzichtete im zweiten Wahlgang auf sein Bild und änderte ihre Farbe vom charakteristischen Rot zum Grün-Gelb der brasilianischen Flagge, das auch Bolsonaro benutzte.

In Wirklichkeit war die Wahl eine eindeutige Abfuhr durch die Masse der brasilianischen Arbeiter für die PT. Viele von ihnen stimmten zwar für Bolsonaro, doch noch mehr von ihnen weigerten sich für irgendjemanden zu stimmen, aus Abscheu gegenüber dem gesamten politischen System.

Die PT selbst war unfähig und nicht gewillt, einen Klassenappell an die Arbeiter zu richten, gegen die rechte Bedrohung durch Bolsonaros Machtübernahme zu kämpfen. Sie unternahm nichts, um die Arbeiter im Vorfeld des zweiten Wahlgangs auf die Straße zu bringen, und selbst wenn sie es getan hätte, wären vermutlich nicht viele einem Aufruf der PT gefolgt. Stattdessen richtete die Partei ihren Appell an eine breite „demokratische Front“ und versuchte, Unterstützung von den diskreditierten Parteien der Bourgeoisie zu gewinnen, die selber ihren früher schon geringen Rückhalt in der Bevölkerung verloren hatten.

Das gesamte pseudolinke Spektrum in Brasilien hat versucht, diese bankrotte und reaktionäre Politik in eine „linke“ Fassade zu kleiden. Sie stellte die Wahl von Haddad als die einzige Möglichkeit dar, die Gefahr des Faschismus in Brasilien aufzuhalten. Dieser Versuch, Arbeiter wieder vor den Karren der Partei zu spannen, die sie jahrzehntelang verraten hatte, ist kläglich gescheitert.

In Wirklichkeit hätte auch die PT nach ihrem Wahlsieg die rechte Sozial- und Wirtschaftspolitik durchgesetzt, die Bolsonaro jetzt einführen will. Auch seine Absicht, das Militär in die Regierung einzubinden, hätte es unter einer PT-Regierung gegeben. Nach dem ersten Wahlgang galt einer der ersten Besuche Haddads dem Stabschef der brasilianischen Streitkräfte, um politische Diskussionen zu führen.

Es ist wesentlich mehr als eine Wahl notwendig, um einem Land mit etwa 210 Millionen Einwohnern eine faschistische Diktatur aufzuzwingen. Große Klassenkämpfe stehen bevor. Die entscheidende Aufgabe für die Arbeiterklasse ist es, sich die Lehren anzueignen aus den Jahrzehnten von Verrätereien der PT, der mit ihr verbundenen Gewerkschaftsverbände, der CUT und ihrem Gefolge an pseudolinken Gruppen. Eine neue revolutionäre Bewegung muss aufgebaut werden; ihre Grundlagen müssen das Programm des sozialistischen Internationalismus und der Kampf zur Vereinigung der Kämpfe der brasilianischen Arbeiter mit denen der Arbeiterklasse auf dem gesamten amerikanischen Doppelkontinent sein.

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