Vor zehn Jahren haben der US-Kongress und die Bush-Regierung die größte Bankenrettungsaktion in der Geschichte der Menschheit eingeleitet.
Mit der Verabschiedung des Emergency Economic Stabilization Act am 3. Oktober 2008, der das Troubled Asset Relief Program (TARP) ins Leben rief, wurde das US-Finanzministerium ermächtigt, rund 700 Milliarden Dollar für den Kauf „problematischer Vermögenswerte“ von führenden Wall-Street-Banken zu verwenden. Dabei handelte es sich indessen lediglich um eine erste Anzahlung. Mit voller Unterstützung der US-Regierung, weitgehend von der Obama-Regierung beaufsichtigt, stieg die Summe auf Billionenhöhe.
Die Verabschiedung von TARP war die erste Reaktion der amerikanischen herrschenden Klasse auf die Krise, die durch den Zusammenbruch der US-Immobilienblase ausgelöst wurde, die selbst das Ergebnis von Jahrzehnten der zunehmenden Spekulation und Finanzialisierung war. Großbanken und Finanzinstitute hatten durch die betrügerische Vermarktung und Bündelung von Subprime-Hypotheken Milliarden verdient. Als die manische und lukrative Bereicherungsorgie ihr Ende fand, verfügten sie über Vermögenswerten in Höhe von Billionen von Dollar, die praktisch wertlos geworden waren.
In öffentlichen Erklärungen warnten führende Persönlichkeiten der amerikanischen herrschenden Elite vor den Folgen, die zu erwarten wären, wenn die Regierung nicht sofort interveniere, um die Banken zu retten. Alle Ressourcen der Gesellschaft müssten nun in die Rettung des Finanzsystems gepresst werden. Keine Kosten sollten gescheut und keine Fragen gestellt werden.
Während die Ursachen für die Krise von 2008 auf die grundlegenden Widersprüche des US-amerikanischen und des globalen Kapitalismus zurückzuführen waren, wurden bewusste Entscheidungen getroffen, um die besten Bedingungen für einen massiven Transfer von Vermögen an die herrschende Elite zu schaffen.
Die unmittelbare Ursache für den Finanzcrash im Herbst 2008 war der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, der die Weltwirtschaft erschütterte. Timothy Geithner, damals Präsident der New Yorker Fed und später Finanzminister von Obama, beschreibt in seinen Memoiren die Überlegungen der Akteure, die an der Krise zentral beteiligt waren.
„Auch in einer Welt, in der wir Lehman irgendwie gerettet hätten“, so Geithner, „und dann trotzdem weitergemacht und auch den [Versicherungsriesen] AIG gerettet hätten, wären die fundamentalen Faktoren, die die Krise antrieben, nicht eliminiert worden. Die Wirtschaft befand sich im Kollaps und das Finanzsystem – unterkapitalisiert, übermäßig kreditgestützt, immer noch belastet durch Aktivposten aus Hypotheken, die die Märkte nicht anrühren wollten, und immer noch mit der Gefahr konfrontiert, dass die Krise sich ausweitet – wäre weiter auf die Katastrophe zu geschwankt. Es bedurfte des Zusammenbruchs von Lehman und des bevorstehenden Kollaps‘ von AIG, um Präsident Bush und [Finanzminister] Hank [Paulson] davon zu überzeugen, der Reparatur des gesamten Systems eine rechtliche Basis zu verschaffen.“ (Hervorhebung hinzugefügt)
Das heißt, das amerikanische Finanzsystem war zahlungsunfähig und drohte an spekulativen Wetten in Billionenhöhe, die sich als Verlustgeschäfte erwiesen hatten, zu ersticken. Es galt nun, die Bedingungen zu schaffen, unter denen bisher unvorstellbare und extrem unpopuläre Entscheidungen durchgesetzt werden konnten, die darauf hinausliefen, dass diese Wetten einfach von der amerikanischen Regierung übernommen wurden.
Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers riefen der Vorsitzende der Federal Reserve Ben Bernanke und Paulson führende Abgeordnete zu einem Treffen zusammen, in dem sie die Forderungen der Banken – das Troubled Asset Relief Program – darlegten. Spitzenabgeordnete der Demokraten im Kongress, darunter Charles Schumer, Christopher Dodd und Barney Frank, übernahmen eine führende Rolle bei der Förderung dieses Programms.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain, der bis September in den Umfragen vor dem Demokraten Barack Obama in Führung gelegen hatte, wurde von Paulson und Bernanke scharf verurteilt, weil er nicht bereit war, die vorgeschlagene Rettungsaktion nachdrücklich zu unterstützen. „McCain … schien nicht bereit zu sein, aktiv an einer Lösung zu arbeiten“, beschwert sich Bernanke in seinen Memoiren. Paulson beschuldigte McCain indessen, „mit populistischer Rhetorik auf Stimmenfang“ zu gehen, bei der er „die Wall Street missbilligte, Reden über den Schutz der Steuerzahler hielt und von einer ,Rettungsaktion‘ sprach.“
Obame hatte beim Republikaner Paulson einen viel größeren Eindruck hinterlassen. „Obama schien in seiner Art, mir zu begegnen, nicht von Taktik oder Manövern geleitet zu sein“, schrieb Paulson später. „Er wollte vermeiden, irgendetwas – öffentlich oder im Verborgenen – zu tun, was unseren Bemühungen zur Stabilisierung der Märkte schaden würde.“
Tatsächlich war es Obamas Eingreifen, das die Durchsetzung von TARP sicherstellte. Im Gegenzug wurde zum bevorzugten Kandidaten der Wall Street, was ihm dabei half, im November 2008 die Präsidentschaft zu erlangen. Im Laufe der nächsten acht Jahre sollte Obama, der als Kandidat des „Wandels“ und der „Hoffnung“ angepriesen worden war, dann einen historisch beispiellosen Transfer von Vermögen von der Arbeiterklasse zu den Reichen managen.
Mit einem klaren Signal an die Wall Street, dass die Rettungsaktion fortgesetzt und ausgeweitet werden würde, ernannte Obama am 26. Januar 2009 Geithner zu seinem Finanzminister. Vor dem Hintergrund wachsender Opposition in der Bevölkerung und oftmals hitziger Debatten in der Regierung setzten sich die beiden Männer in sämtlichen Fällen mit der Agenda durch, dass die Reaktion der Regierung auf die Wirtschaftskrise eins zu eins den Anforderungen der Wall Street entsprechen müsse.
Trotz der Ankündigung eines Programms in Höhe von vielen Milliarden Euro zur Verhinderung von Zwangsversteigerungen sorgte das Weiße Haus unter Obama dafür, dass sich Zwangsversteigerungen von Häusern ausbreiteten, um Verluste für die Banken zu minimieren. Gleichzeitig rührte sie keinen Finger, um der einfachen Bevölkerung zu helfen, ihre Häusern zu halten.
Selbst als der ehemalige Fed-Vorsitzende Alan Greenspan warnte, es könne „notwendig sein, einige Banken vorübergehend zu verstaatlichen, um eine schnelle und geordnete Umstrukturierung zu gewährleisten“, machte Obama deutlich, dass nichts dergleichen passieren würde. Stattdessen erklärte er: „Wir haben große private Kapitalmärkte und das wird letztendlich der Schlüssel dafür sein, dass die Kredite wieder fließen.“
Als der Finanzversicherungsriese AIG am 16. März 2009 bekannt gab, dass seine Abteilung für Finanzprodukt 165 Millionen Dollar an Boni auszahlen würde, empörte sich Obama darüber zunächst öffentlich. Dann erlaubte er dem Unternehmen im Verborgenen, die Auszahlungen vorzunehmen, und das obwohl die amerikanische Regierung praktisch Mehrheitsaktionär des Unternehmens war.
Die Obama-Regierung stellte sicher, dass nicht eine einzige Person, die für eine Krise verantwortlich war, die weltweit ungeheures Leid verursachte, für ihre kriminellen Handlungen zur Rechenschaft gezogen wurde. Nicht ein Vorstandschef wurde aus den geretteten Unternehmen entlassen, geschweige denn hinter Gitter gebracht.
Die logische Folge der Rettungsaktion an der Wall Street waren Angriffe auf die Arbeitsplätze und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse. Während die Banken gerettet wurden, machte Geithner deutlich, dass es keine staatliche Unterstützung für Bundesstaaten und Kommunen geben würde, die mit in einer finanziellen Krise konfrontiert waren. Dies ebnete den Weg für eine Welle von Sparmaßnahmen, darunter die Insolvenz von Detroit im Jahr 2013, bei der die Renten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst massiv zusammengestrichen und kommunale Vermögenswerte an milliardenschwere Spekulanten verkauft wurden.
Bei der Umstrukturierung der Autoindustrie im Jahr 2009 machte das Weiße Haus unter Obama die Ausweitung des zweistufigen Lohnsystems und Massenentlassungen zur Vorbedingung für staatliche Hilfsmaßnahmen für die drei größten Autohersteller des Landes. Die Regierung schuf damit die Blaupause für eine Welle von Lohnkürzungen und eine massive Verschlechterung des Lebensstandards sowie der Arbeitsbedingungen, die die gesamte amerikanische Wirtschaft erfasste. Durch die Unterdrückung von Kämpfen der Arbeiterklasse durch die Gewerkschaften, die als Co-Manager der Unternehmen fungieren, wurden diese Maßnahmen erst ermöglicht.
Das soziale Elend, das durch die Krise und deren Folgen verursacht wurde, ist nach wie vor kaum überschaubar. Es drückt sich in ganz unterschiedlichen Formen aus: in der Krise der öffentlichen Bildung, der Drogen-Epidemie, im Rückgang der Lebenserwartung und im anhaltenden Anstieg der Selbstmordrate.
Das Ergebnis dieser Maßnahmen ist genau so, wie es beabsichtigt war. Der Wert des Dow Jones Industrial Average hat sich seit 2009 mehr als verdreifacht. Dieser Anstieg wird von einer neuen Finanzblase begleitet, die durch das vier Billionen Dollar schwere Programm der Federal Reserve zur sogenannten „quantitativen Lockerung“ geschaffen wurde. Die herrschende Klasse ist reicher als jemals zuvor. Doch keiner der Widersprüche, die die Krise 2008 ausgelöst haben, ist verschwunden. Diese Widersprüche wurden lediglich auf einer höheren Ebene reproduziert.
Im März 2009 schrieb David North, der Vorsitzende der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site: „Eine historisch bedeutsame Krise zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass die wichtigsten Klassenkräfte in dem betroffenen Land (bzw. den betroffenen Ländern) gezwungen sind, eine eigene, unabhängige Haltung dazu einzunehmen und eine Lösung zu finden, die ihren gesellschaftlichen Bedürfnissen und Interessen entspricht.“
In den Antworten, die Bernanke, Geithner, Paulson, Bush und Obama auf die Finanzkrise 2008 gaben, sprachen sie als Vertreter der herrschenden Klasse. Ihre Maßnahmen wurde von den kapitalistischen herrschenden Eliten auf der ganzen Welt in dieser oder jener Form übernommen und wiederholt. Sie werden heute unter der Trump-Regierung fortgesetzt und verschärft, während die Demokratische Partei tut, was sie kann, um den Widerstand dagegen zu unterdrücken und zu zerstreuen.
Noch steht die Arbeiterklasse vor der Aufgabe, als Reaktion auf die im Jahr 2008 ausgebrochene Krise ihre unabhängigen Interessen in einer politisch organisierten und bewussten Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. In diesem Jahr haben sich jedoch erste Anzeichen für das Wachstum des Klassenkampfes auf internationaler Ebene gezeigt. Bei ihren Kämpfen müssen die Arbeiter die Lehren aus dem Crash von 2008 ziehen, der das kapitalistische System in den Augen von Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt diskreditiert und ein Massenpublikum für den Sozialismus geschaffen hat.
In den kommenden Kämpfen wird die größte politische Aufgabe darin bestehen, der Arbeiterklasse die gleiche Entschlossenheit zu geben, mit der die herrschenden Klasse – die korrupte und dekadente Oligarchie, die ihren Reichtum aus der Arbeit der großen Masse der Menschheit bezieht – ihre Antwort auf die Krise durchgesetzt hat. Eine politische Führung muss aufgebaut werden, um die Kämpfe der Arbeiterklasse in einer revolutionären sozialistischen Bewegung gegen das kapitalistische System zu organisieren.