Einleitung
Die World Socialist Web Site veröffentlicht hier einen Artikel, der die engen Verbindungen zwischen der Demokratischen Partei und dem Militär- und Geheimdienstapparat in den USA untersucht und im März 2018 auf Englisch erschien. Am 6. März begannen in den USA die Vorwahlen der Demokraten, die bis zum September laufen und darüber entscheiden, welche Kandidaten für die Demokratische Partei in den Zwischenwahlen am 6. November antreten. Die WSWS wertet die Biografien zahlreicher Demokraten aus, die sich für die Nominierung aufgestellt haben. Informationen, die erst nach dem März bekannt wurden, sind hier nicht berücksichtigt. Siehe außerdem: „CIA übernimmt die Demokratische Partei“ [14. März 2018].
Eine außergewöhnliche Anzahl ehemaliger Geheimdienstler und Militärangehöriger aus der CIA, dem Pentagon, dem Nationalen Sicherheitsrat (National Security Council – NSC) und dem Außenministerium bewirbt sich um die Aufstellung als Kandidaten der Demokratischen Partei für die Zwischenwahlen zum US-Kongress 2018. Der potenzielle Zustrom von Militär- und Geheimdienstpersonal in die Legislative ist ohne Beispiel in der Geschichte der Vereinigten Staaten. [1]
Sollten die Demokraten, wie weithin vorausgesagt, am 6. November eine Mehrheit im Repräsentantenhaus erhalten, werden Kandidaten aus dem Militär- und Geheimdienstapparat nicht weniger als die Hälfte der Kongressabgeordneten der Demokratischen Partei ausmachen und in der unteren Kammer des Kongresses für die Mehrheitsverhältnisse ausschlaggebend sein.
Demokraten und Geheimdienstler ziehen sich gegenseitig an. Die Führung der Demokratischen Partei rekrutiert aktiv Kandidaten mit militärischer oder geheimdienstlicher Erfahrung für Sitze, bei denen es besonders gute Aussichten gibt, einen amtsinhabenden Republikaner zu verdrängen oder einen offene Stelle zu besetzen. Dabei wird häufig ein „Star“-Kandidat in den Vordergrund gestellt.
Typisches Beispiel hierfür ist Elissa Slotkin, eine ehemalige, an drei Irak-Touren beteiligte CIA-Agentin. Sie war sowohl als Direktorin für den Nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus unter Obama tätig als auch als Top-Beraterin von John Negroponte, dem ersten Director of National Intelligence, d.h. Chef aller 15 US-Geheimdienste. Nach ihrer tiefen Verstrickung in Kriegsverbrechen im Irak wechselte Slotkin ins Pentagon, wo sie im Stab des Verteidigungsministers als „Assistant Secretary of Defense for International Security Affairs“ für Angelegenheiten der internationalen Sicherheit zuständig war. In ihren Aufgabenbereich fielen Drohneneinsätze, „Heimatverteidigung“ und Cyber-Kriegsführung.
Der für die Kampagne der Demokraten zuständige Ausschuss (Democratic Congressional Campaign Committee – DCCC) hat Slotkin zu einer Top-Kandidatin im Rahmen des sogenannten „Red to Blue“-Programms ernannt, mit dem sie besonders wacklige republikanische Sitze erobern möchte – in ihrem Fall den achten Kongresswahlbezirk des US-Bundesstaates Michigans, in dem die Hauptstadt Lansing und das besonders wohlhabende Brighton liegen. Abgeordneter für diesen Bezirk ist derzeit Mike Bishop in seiner zweiten Amtszeit.
Die Anführer der Demokratischen Partei fördern CIA-Agenten und Kriegsveteranen aus Irak und Afghanistan. Dieser Personenkreis bevorzugt seinerseits die Demokratische Partei als politisches Instrument. In der Demokratischen Partei gibt es weitaus mehr ehemalige Soldaten und Spione, die eine Nominierung anstreben, als in der Republikanischen Partei. Sie sind so zahlreich, dass man sich bei einigen Vorwahlen der Demokraten an den Comicstrip „Spion & Spion“ des Mad Magazins erinnert fühlt.
Im 23. Kongresswahlbezirk in Texas, der einen großen Teil der Grenze zwischen den USA und Mexiko entlang des Rio Grande einschließt, konkurrieren Gina Ortiz Jones und Jay Hulings um die Nominierung der Demokraten. Jones ist eine ehemalige Geheimdienstoffizierin der Air Force im Irak, die anschließend als Beraterin für US-Interventionen im Süd-Sudan und Libyen fungierte. Jay Hulings wird auf seiner Website als ehemaliger Berater für nationale Sicherheit auf dem Capitol Hill und Bundesanwalt beschrieben, dessen Mutter und Vater beide als CIA-Geheimagenten Karriere gemacht haben. Da der amtsinhabende republikanische Abgeordnete Will Hurd selbst auch ehemaliger CIA-Agent ist, werden die Wähler in diesem Bezirk sich für einen von zwei geheimdiensttreuen Kandidaten, sowohl in den Vorwahlen der Demokratischen Partei als auch in den allgemeinen Wahlen, entscheiden müssen.
In der CNN-Sendung „State of the Union“ am 4. März wurde Jones als eine der vielen weiblichen Kandidatinnen vorgestellt, die sich in den Vorwahlen um die Nominierung durch die Demokraten bewerben. Der Fernsehsender bezeichnete sie dezent als „Staatsbedienstete“. Auf der Website „Jones for Congress“ jedoch wird ihre Rolle als Spionin plakativ bekannt gemacht und darauf verwiesen, dass Jones nach ihrem Universitätsabschluss als Geheimdienstoffizierin der US Air Force beitrat, im Irak eingesetzt wurde und unter der „Don’t Ask, Don’t Tell“- Regelung diente (der letzte Satz informiert Interessierte über Jones Homosexualität).
Der Biografie auf der Kampagnen-Website zufolge wurde Ortiz Jones anschließend zur hochrangigen Beraterin für die Durchsetzung von Handelsbestimmungen (senior advisor for trade enforcement) berufen, ein Posten, den Präsident Obama mithilfe eines Exekutiverlasses 2012 neu kreierte. Später wurde sie eingeladen, im Büro des US-Handelsbeauftragten als Direktorin für Investitionen zu arbeiten. Dort leitete sie die Abteilung, die Auslandsinvestitionen überprüft, um sicher zu stellen, dass diese die nationale Sicherheit nicht gefährden. Mit diesem Hintergrund kann sie, sollte ihre Wahl scheitern, mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Handelskriegsmaßnahmen der Trump-Regierung mitarbeiten.
Grundlagen unserer Untersuchung
Das Repräsentantenhaus wird zurzeit von den Republikanern kontrolliert, die dort mit 238 Sitzen (gegenüber 193 Sitzen für die Demokraten) die Mehrheit haben. Vier Abgeordnetensitze sind derzeit nicht besetzt, einer davon gehörte zuvor den Demokraten. Um im nächsten Kongress die Mehrheit, d.h. mindestens 218 Sitze zu erreichen, müssen die Demokraten 24 Sitze dazu gewinnen.
Das Democratic Congressional Campaign Commitee hat 102 Sitze ausgewählt, die es prioritär erobern möchte. Darunter sind 22 Sitze, deren Inhaber nicht mehr kandidieren werden (fünf Demokraten und 17 Republikaner), und 80 Sitze, die den Republikanern bei der nächsten Wahl verloren gehen könnten, sollten die Umfragen, die einen erheblichen Umschwung für die Demokraten im November voraussehen, sich als korrekt erweisen.
Die World Socialist Web Site hat die Berichte ausgewertet, die die Kandidaten der Demokraten in diesen 102 besonders umkämpften Bezirken bei der Federal Election Commission (FEC, der Bundeskommission zur Wahlkampffinanzierung) eingereicht haben. Schwerpunktmäßig haben wir dabei diejenigen Bewerber betrachtet, die angaben, bis zum Abgabetermin am 31. Dezember 2017 mindestens 100.00 US-Dollar für ihre Kampagne gesammelt zu haben, also über genügend finanzielle Mittel für einen effektiven Vorwahlkampf verfügen. Dazu kommen noch einige Kandidaten, die zwar weniger als 100.000 US-Dollar, aber keine konkurrierenden Mitbewerber haben, und einige Anwärter mit guten Aussichten, die aufgrund eines Rücktritts oder einer Pensionierung in letzter Sekunde nachrückten und deren FEC-Bericht daher noch nicht vorliegt. Diese haben wir ebenfalls in unsere Untersuchung aufgenommen.
Insgesamt bewerben sich in diesen 102 Bezirken 221 Kandidaten um die Nominierung durch die Demokraten. Jeder verfügt über eine Website mit biografischen Informationen, welche wir für diesen Bericht begutachtet und zusammengetragen haben. Die Kandidaten, die früher einmal für den Militär- und Geheimdienstapparat tätig oder beim Außenministerium, dem Pentagon oder dem NSC angestellt waren, machen daraus bemerkenswerterweise keinen Hehl, insbesondere, was die Kriege im Irak und Afghanistan betrifft. Sie halten offenbar die Arbeit als CIA-Agent in Bagdad, den Einsatz als Auftragskiller für das Militär in Afghanistan oder die Planung von Drohnenangriffen aus dem Weißen Haus oder dem Pentagon für Glanzpunkte in ihrem Lebenslauf, die sie keinesfalls verbergen wollen.
Ein Viertel aller demokratischen Herausforderer in den umkämpften Bezirken haben entweder militärisch-geheimdienstliche Erfahrung oder einen Hintergrund beim NSC oder beim Außenministerium. Das ist bei weitem die größte Subkategorie demokratischer Kandidaten. Im Vergleich zu Bundesstaats- und lokalen Regierungsbeamten (45), Rechtsanwälten (35), Geschäftsführern, Unternehmern, wohlhabenden Individuen (30) und sonstigen Berufsgruppen (19) sind Zuständige für die nationale Sicherheit (57) am zahlreichsten.
Bei den Vorwahlen der Demokraten treten in 44 der 102 besonders umkämpften Bezirke Bewerber aus dem Militär, dem Geheimdienst oder dem Außenministerium an; in 11 dieser Bezirke sind es zwei solche Kandidaten und in einem Bezirk sogar drei. In den meisten Fällen dürften sich die Militär- bzw. Geheimdienstkandidaten durchsetzen und würden, wenn die Demokraten die Parlamentswahlen gewinnen, als neue Mitglieder des Kongresses in das Repräsentantenhaus einziehen.
Es gibt einige regionale Unterschiede. Im Nordosten werden für 21 der 31 von den Demokraten anvisierten Sitze Militär- bzw. Geheimdienst-Kandidaten aufgestellt. Diese Region, nicht der Süden oder der mittlere Westen, hat den größten Anteil solcher Kandidaten für die Nominierung der Demokraten.
Im Westen bewerben sich nur für 7 der 23 betroffenen Sitze Kandidaten aus dem Militär- oder Geheimdienstapparat, während ein halbes Dutzend Sitze der führenden Kandidaten selbstfinanzierte Millionäre sind, größtenteils aus der IT-Industrie. In Kalifornien treten zahlreiche Abgeordnete der Republikaner in den Ruhestand, um deren Sitze reiche Einzelpersonen konkurrieren.
Die Kandidaten aus dem Militär oder dem Geheimdienst werden vom Parteiapparat der Demokraten unverhältnismäßig bevorzugt und ermutigt, in Bezirken anzutreten in denen die Aussicht auf einen Wahlsieg der Demokraten am höchsten ist. In 10 der 22 Bezirke, die im Zentrum des „Red to Blue“-Programms stehen, d.h. in fast der Hälfte, bewerben sich solche Kandidaten. Einige haben so prall gefüllte Wahlkampfkassen, dass potenzielle Rivalen praktisch keine Chance haben – ein Zeichen dafür, dass sich die finanziellen Förderer der Demokratischen Partei hinter sie gestellt haben.
Agenten und Kommandeure
57 Demokraten, die sich derzeit in den US-Vorwahlen für die Kandidatur ihrer Partei bewerben, geben als Hauptreferenz ihre Dienstjahre im Geheimdienst, im Außenministerium, in den Kriegen im Irak oder Afghanistan oder einer Kombination der drei an. Sie stellen damit die größte Berufsgruppe aller Bewerber der Demokraten in 44 Kongresswahlbezirken dar.
Bemerkenswert ist nicht nur die enorme Anzahl dieser ehemaligen Agenten, von denen über 40 Prozent – 24 von 57 – Frauen sind. Es gibt weitere Aspekte, die hier relevant sind:
Agenten – aber nicht mehr geheim
Zahlreiche Kandidaten legen ihre Rolle in der CIA oder dem Militärgeheimdienst offen dar. In vergangenen Jahren wären solche Aktivitäten für eine Person, die ein öffentliches Amt anstrebt, als vertraulich, wenn nicht sogar als skandalös betrachtet worden. Nicht nur die Kandidaten hätten versucht, ihre Verknüpfung mit dem Geheimdienst zu verbergen, auch die CIA selbst hätte darauf bestanden – insbesondere bei denjenigen, die an Operationen und nicht nur an der Analyse beteiligt waren, da ihre Enttarnung auch lange nach ihrem Austritt als Gefährdung der „Quellen und Methoden“ der CIA gelten könnte.
Dies ist jedoch nicht mehr der Fall. Die Kandidaten von 2018, die aus der Schattenwelt der Spionage, Drohnen-Attentate und anderer Hinrichtungsmethoden rekrutiert wurden, prahlen heute förmlich mit ihrer Vergangenheit. Und weder CIA noch Pentagon hindern sie daran.
Zu den bereits untersuchten Fällen zählen Elissa Slotkin, die in Michigans achtem Wahlbezirk antritt und bei drei CIA-Einsätzen in Bagdad gedient hat, sowie Gina Ortiz Jones, einer Air Force-Geheimdienstoffizierin, die sich im 23. Bezirk von Texas für die Nominierung der Demokraten aufstellt. Es gibt noch viele weitere:
Abigail Spanberger, die sich im Wahlbezirk eines Vororts von Richmond, Virginia, um die Nominierung der Demokraten bewirbt, hat folgende Erklärung auf ihrer Kampagnen-Website veröffentlicht: „Nach fast einem Jahrzehnt im Dienste der CIA trete ich in Virginias siebtem Wahlbezirk zu den Kongresswahlen an, um für mehr Chancen, Gleichheit und Sicherheit für alle Amerikaner zu kämpfen. Meine bisherige Erfahrung als Strafverfolgungsbeamtin, CIA-Offizierin und mein ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde haben mich gelehrt, wie wichtig es ist, zuzuhören.“ In der Tat!
Spanberger arbeitete als „Operations officer“ für die CIA: „Sie reiste und lebte im Ausland, wo sie Nachrichtengewinnung betrieb, Informanten betreute und hochrangige Programme im Dienste der Vereinigten Staaten leitete.“ Ihr Gegner in den Vorwahlen der Demokraten ist ein ehemaliger Pilot bei den Marinekorps, Dan Ward. Das ist nur ein Beispiel für fast ein Dutzend Rennen, bei denen Demokraten mit einem militärischen und/oder geheimdienstlichen Hintergrund gegeneinander antreten.
Jesse Colvin, der im ersten Wahlbezirk Marylands kandidiert, hat sechs Jahre im Militärgeheimdienst gedient und in dem Zeitraum vier Kampfeinsätze in Afghanistan und ein Jahr in der entmilitarisierten Zone zwischen Nordkorea und Südkorea verbracht. Seiner Wahlkampf-Biografie zufolge ist er „ein stolzer Absolvent des ‚US Army Ranger Course‘, der angesehensten Führungsschulung im Militär. Ich fühle mich noch mehr geehrt, dass ich im 75. Ranger-Regiment, den ‚Army Rangers‘, gedient habe. Die Rangers übernehmen viele Schlüsselpositionen bei den Spezialeinsatzkräften [Special Operations Forces – SOF] und ich schätze mich glücklich, mit Frauen und Männern dieses Kalibers gedient und diese geführt zu haben“.
In der Biografie heißt es weiter: „Als Ranger fanden meine vier Kampfeinsätze in Afghanistan im Rahmen einer ‚Joint Special Operations Task Force‘ statt. Ich leitete Teams zur Informationsgewinnung, deren Arbeit die Festnahme/Tötung von Taliban, al-Qaida und anderen terroristischen Anführern erleichterte. Ich leitete ein tödliches Drohnen-Programm und arbeitete mit Geheimdienstinformanten. Jeden Tag haben ich und mein Team zahlreiche Entscheidungen getroffen, die für meine Ranger-Kollegen, unsere afghanischen Partner und afghanische Zivilisten Folgen von Leben und Tod haben konnten.“
Jeffrey Beals, der im 19. Wahlbezirk New Yorks für die Demokraten antritt, ist gegenwärtig Lehrer, doch er schreibt auf seiner Website: „Nachdem ich meine Karriere als CIA-Geheimdienstoffizier begonnen hatte, trat ich dem Außenministerium bei. […] Ich folgte 2004 dem Aufruf, unserem Land im Irak zu helfen und wurde zu einem der am längsten dienenden Diplomaten des Irak-Krieges. Da ich fließend arabisch konnte, habe ich die Rebellen konfrontiert, um die ersten diplomatischen Gespräche zwischen unserem Botschafter, unseren Generälen und der Aufstandsbewegung in die Wege zu leiten. Ich half die Konfliktparteien zusammen zu bringen, um eine Verfassung für den Irak zu erstellen und wurde sowohl vom US-Militär als auch vom Außenministerium ausgezeichnet.“
Zu Beals’ Unglück wird sein Wahlkampffonds, der bis zum 31. Dezember 2017 bereits 174.000 Dollar erreichte, von einem anderen Kandidaten aus dem Militärgeheimdienst übertroffen: Patrick Ryan, ein West-Point-Absolvent, der laut seiner Website zwei Diensteinsätze im Irak absolviert hat, darunter einer als „führender Geheimdienstoffizier eines Infanteriebataillons von 1000 Soldaten und Offizieren, die für Bodeneinsätze in Mossul zuständig waren“. Ryan konnte bis zum 31. Dezember letzten Jahres schon 906.000 Dollar an Spenden sammeln. Zwei weitere Kandidaten der Demokraten in diesem Wahlbezirk, ein politisch gut vernetzter Anwalt und ein Hersteller von Medizinprodukten, haben jeweils mehr als eine Million Dollar zusammengebracht – alle mit dem Ziel, den seit zwei Amtsperioden dienenden Republikaner John Faso im Bezirk Hudson Valley herauszufordern.
Jonathan Ebel, der sich im 13. Wahlbezirk von Illinois aufstellt, war vier Jahre lang Geheimdienstoffizier bei der Marine und während der Invasion des Iraks 2003 Teil des Europäischen Kommandos der Vereinigten Staaten mit Sitz in Stuttgart. Er unterrichtet gegenwärtig Religion an der Universität von Illinois, Urbana-Champaign.
Dann ist da noch Shelly Chauncey, die die demokratische Nominierung im fünften Bezirk Pennsylvanias, dem Vorort des Bundesstaates, anstrebt. Auf ihrer Website heißt es: „Shelly diente ihrer Nation über ein Jahrzehnt lang in der Central Intelligence Agency. Sie begann ihre Karriere als Sekretärin und arbeitete sich hoch, um Offizierin für Spionageabwehr zu werden. Sie diente als Geheimagentin der CIA in Lateinamerika, Ostasien und in den ganzen Vereinigten Staaten, wobei sie Geheimdienstoperationen im Ausland mit logistischen Informationen und Gegenspionage unterstützte.“
Der Verweis auf verdeckte Operationen „in den ganzen Vereinigten Staaten“ offenbart die Rolle des Geheimdienstapparats bei der Überwachung der amerikanischen Bevölkerung, obwohl es der CIA per Gesetz verboten ist, solche Aktivitäten zu betreiben.
Eine andere Kampagnen-Website erwähnt die inländischen Operationen der amerikanischen Spionagemaschinerie. Omar Siddiqui, der im 48. Wahlbezirk Kaliforniens antritt, beschreibt seinen Hintergrund folgendermaßen: „An vorderster Front der nationalen Verteidigung hat Mr. Siddiqui dem Federal Bureau of Investigation (FBI) als persönlicher Berater zu den Themen nationale Sicherheit und Terrorbekämpfung gedient und war davor Berater und Partner der Central Intelligence Agency (CIA). Mr. Siddiqui ist gegenwärtig Leiter von Sonderprojekten der FBI National Citizens Academy Alumni Association […].“
Kommandeure und Strategen des Irak-Krieges
Barack Obama gewann 2008 die Vorwahlen der Demokraten für den US-Präsidentschaftskandidaten und schließlich die Präsidentschaftswahlen vor allem, weil er sich als Gegner des von George W. Bush begonnenen Irak-Krieges präsentierte. Nach seiner Amtsübernahme behielt er den Verteidigungsminister der Bush-Regierung und ehemaligen CIA-Direktor Robert Gates jedoch im Kabinett, führte den Irak-Krieg drei Jahre lang fort und eskalierte den langjährigen US-Krieg in Afghanistan.
Vor diesem Hintergrund ist es bezeichnend, dass heute so viele Bewerber der Demokraten, die eine Militär- oder Geheimdienstkarriere hinter sich haben, mit ihrer Beteiligung am Irak-Krieg prahlen und diese in manchen Fällen sogar als Höhepunkt ihres professionellen oder gar ihres persönlichen Lebens ansehen.
So traf die bereits oben erwähnte Elissa Slotkin ihren zukünftigen Ehemann, den Piloten eines Apache-Kampfhubschraubers, als sie als CIA-Agentin in Bagdad arbeitete. Der Bewerber Dan McCready, ein Marinekorps-Veteran, Multi-Millionär und Unternehmer im Bereich der erneuerbaren Energien, behauptet sogar, er habe im Irak zu Jesus gefunden – dort wurde er mit Wasser aus dem Euphrat getauft. McCready wird vom Democratic Congessional Campaign Committee (DCCC) als Kandidat im neunten Wahlbezirk von North Carolina unterstützt.
Die Irak-Kriegsveteranen sind entweder Offiziere und zählen somit zu den Hauptverantwortlichen eines der großen Verbrechen des 21. Jahrhunderts, oder waren bei Spezialeinsatzkräften wie den Army Rangers oder den Navy SEALs tätig, wo sie an verdeckten Operationen teilnahmen, die zu den blutigsten und brutalsten Einsätzen des Kriegs gehören. Andere übernahmen hohe Posten im Pentagon oder dem nationalen Sicherheitsrat.
Daniel Helmer tritt im zehnten Wahlbezirk Kaliforniens gegen weitere fünf Kandidaten mit hohen Kampagnengeldern an, darunter Alison Friedman, die früher im Außenministerium gearbeitet und schon über 1 Million Dollar für ihre Kampagne gesammelt hat. Helmer äußert sich auffallend wenig über seine Tätigkeit in Afghanistan und im Irak, obwohl ein Foto von ihm in Uniform auf seiner Startseite prangt. Allerdings kann er sich mit der bei weitem längsten Unterstützerliste an ehemaligen nationalen Sicherheitsbeamten brüsten, darunter acht Generäle und vier Admirale, zwei ehemalige stellvertretende Direktoren der CIA, Avril Haines und David Cohen, sowie Michèle Flournoy, ehemalige Staatssekretärin für Verteidigungspolitik. Wie er sich ihre Gunst erworben hat, bleibt der Phantasie überlassen.
Richard Ojeda, der 2016 bereits zum Senator im Bundesstaat West Virginia gewählt wurde, strebt dort nun eine Kandidatur im dritten Wahlbezirk an, der sich über das südliche Drittel West Virginias erstreckt. Wie die englische WSWS bereits berichtete, gründet Ojeda seine politische Laufbahn auf über zwanzig Jahren bei den United States Army Special Forces (Airborne, Luftlande-Sondereinsatzkommando), in denen er mehrmals im Irak und in Afghanistan eingesetzt wurde, wo er den Rang des Majors erlangte. Zum Schluss leitete er die Rekrutierungsarbeit in Beckley und versuchte, Jugendliche in West Virginia und Virginia zu überzeugen, als Kanonenfutter für das Pentagon herzuhalten.
Josh Butner, der im 50. Wahlbezirk Kaliforniens gegen den Republikaner Duncan Hunter Jr. antritt, „diente 23 Jahre lang in der US-Navy, bei der er mehrere Kampfeinsätze leitete, zuletzt im Irak und in Afghanistan“. Der Navy-SEAL-Veteran geht in seiner Biografie fast gar nicht darauf ein, was er bei dem hochrangigen militärischen Tötungskommando eigentlich gemacht hat – was zu erwarten ist. Auf seiner Kampagnenwebsite wird lediglich der Slogan „Service, Country, Leadership“ nebst einem Foto von Butner in Tarnuniform präsentiert.
Dan Feehan tritt als Nachfolger des amtierenden Demokraten Tim Walz im ersten Wahlbezirk von Minnesota an. Walz hatte angekündigt, dass er als Gouverneur kandidieren wird. Von 2005 bis 2009 war Feehan seiner Kampagnen-Biografie zufolge „Soldat im aktiven Dienst und nahm an drei Kampfeinsätzen im Rahmen der Operation ‚Iraqi Freedom‘ teil“. Er trat dann der Obama-Regierung bei, zuerst als Berater im Weißen Haus und anschließend als Assistant Secretary of Defense im Pentagon.
Andy Kim, der im dritten Wahlbezirk New Jerseys antritt, konnte mehr Geld sammeln als der amtierende Republikaner Tom MacArthur. Kim hat im Pentagon gearbeitet und war strategischer Berater der Generäle David Petraeus und John Allen, als diese noch das Kommando über die US-Streitkräfte in Afghanistan innehatten. Er wechselte anschließend zum nationalen Sicherheitsrat wo er zwei Jahre lang als Direktor für den Irak unter Obama tätig war.
Maura Sullivan, die eine Nominierung der Demokraten im zweiten Wahlbezirk von New Hampshire anstrebt, weil dort die amtierende Demokratin Carol Shea-Porter zurücktritt, war Offizierin beim Marinekorps. Sie erhielt den Rang eines Hauptmanns und wurde im irakischen Fallujah stationiert, dem Schauplatz einiger der blutigsten Schlachten und brutalsten Kriegsverbrechen der USA im Irakkrieg. Sie trat ebenfalls der Obama-Regierung als zivile Verwaltungsbeamtin im Pentagon und im Kriegsveteranenministerium bei.
Jason Crow tritt im sechsten Wahlbezirk von Colorado gegen den amtierenden Republikaner Mike Coffman an. Das DCCC hat Crow als einen der Top-Kandidaten der Demokraten für das „Red-to-Blue“-Programm ausgewählt. Crow ist Veteran der 82. Airborne Division, der während des Einmarschs in den Irak eine Fallschirmjäger-Einheit leitete. Danach schoss er sich den Army Rangers an und diente als Mitglied der „Joint Special Operations Task Force“ in zwei Einsätzen in Afghanistan, wo er zum Hauptmann aufstieg.
Matthew Morgan schildert auf seiner Kampagnen-Seite seine „zwanzigjährige Karriere bei den US Marine-Korps, in deren Rahmen ich routinemäßig im Ausland stationiert war. Aus diesem Grund hatte ich mehrere leitende Positionen inne, bei denen ich zahlreiche militärische Führungspersonen beriet, darunter auch den Verteidigungsminister“. Morgan nahm an zwei Einsätzen im Irak teil und war an der Terrorismusbekämpfung am Horn von Afrika beteiligt. Jetzt ist er unangefochtener Kandidat für die Nominierung der Demokraten im ersten Wahlbezirk Michigans. Dort wechselte das Amt immer wieder zwischen den beiden „Big-Business“-Parteien hin und her und wird gegenwärtig von dem Republikaner Jack Bergman in der ersten Amtsperiode gehalten.
In 40 Prozent der Wahlbezirke, die das Democratic Congressional Campaign Committee (DCCC) der Demokratischen Partei für die diesjährigen Zwischenwahlen zum Kongress ausgewählt hat, treten Bewerber mit militärischem oder geheimdienstlichem Hintergrund für eine Nominierung als Kandidaten an. Sie stellen damit die größte Berufsgruppe in den Vorwahlen der Demokraten dar. Wenn sie in allen 44 Wahlbezirken, in denen sie antreten, auch gewinnen – was zwar unwahrscheinlich, aber theoretisch möglich ist – würden sie zusammen 10 Prozent des Repräsentantenhauses ausmachen.
Vom Außenministerium nach Capitol Hill
Die letzte Kategorie der Kandidaten mit Militär- oder Geheimdienstkarriere, die hier untersucht werden soll, sind ehemalige Mitarbeiter des Außenministeriums unter Barack Obama, von denen die meisten als Berater Hillary Clintons dienten. Von allen voraussichtlich nominierten Demokraten haben sie die größten finanziellen Ressourcen und wurden am meisten beworben. Sollten die Demokraten bei den Kongresswahlen im November erhebliche Zugewinne erzielen, würden diese Kandidaten die meisten Sitze im Repräsentantenhaus bekommen.
Tom Malinowski, ehemaliger Kongressberater und Mitarbeiter der Regierung unter Bill Clinton, leitete 13 Jahre lang das Büro von Human Rights Watch in Washington, bevor er der Obama-Regierung beitrat und unter Außenminister John Kerry als stellvertretender Sekretär für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit diente. Er tritt für die Nominierung in New Jerseys siebten Wahlbezirk gegen den amtierenden Republikaner Leonard Lance an.
Lauren Baer, früher Rechtsberaterin für die Außenminister Clinton und Kerry sowie für die UN-Botschafterin Samantha Power, strebt die Nominierung im 18. Wahlbezirk von Florida an. Ihre Hauptkonkurrentin ist Pam Keith, früher oberste Juristin der Marine (Navy Judge Advocate General) und gegenwärtig Rechtsberaterin für das Energieunternehmen Florida Power & Light. Beide Frauen haben auch die Identitätspolitik auf ihrer Seite, da Baer offen homosexuell und Keith Afroamerikanerin ist.
Nancy Soderberg ist eine langjährige Vertreterin der amerikanischen Außenpolitik. Sie hat bereits in der Clinton-Regierung gedient, erst im Nationalen Sicherheitsrat, dann als Stellvertreterin des Nationalen Sicherheitsberaters und schließlich als stellvertretende Repräsentantin für den UN-Sicherheitsrat im Rang eines Botschafters. Sie hat seitdem viel Zeit damit verbracht, private Operationen im Ausland wie die „International Crisis Group“ zu leiten. Gleichzeitig spielt sie eine wichtige Rolle in der Demokratischen Partei in Florida. Dort tritt sie im sechsten Wahlbezirk (Daytona Beach) an, wo sie faktisch keinen Herausforderer hat, da der amtierende Republikaner Ron DeSantis als Gouverneur kandidiert.
Edward Meier war Chefberater für das Außenministerium. Seiner Kampagnen-Website zufolge war er „im Irak verantwortlich für die Koordinierung des Übergangs von der militärischen zur zivilen Verwaltung und gewährleistete so die Sicherheit unserer Diplomaten und Entwicklungshelfer nach dem Abzug der US-Truppen. In dieser Funktion trat er mehrere offizielle Reisen durch den Irak an, bei denen er eng mit den US-Truppen und der irakischen Regierung zusammenarbeitete.“ Anschließend wurde er Leiter der Policy Outreach-Kampagne für Hillary Clintons Präsidentschaftswahlkampf. Meier hat bei den Vorwahlen im 32. Wahlbezirk von Texas verloren und landete auf Platz vier von insgesamt fünf Demokraten, die gegen den amtierenden Republikaner Pete Sessions antraten. Während der Präsidentschaftswahl hatte Clinton in diesem Dallas-Vorort gegen Trump gewonnen, obwohl letzterer mehr Geld investiert hatte.
Sara Jacobs, eine weitere Wahlkampfhelferin der Clinton-Kampagne, arbeitete im Außenministerium zu „Konfliktzonen in Ost- und Westafrika“, insbesondere zum Kampf gegen Boko Haram in Nigeria. Laut ihrer Kampagnen-Website half sie dabei, „Präsident Obamas Bemühungen, die Führung im Bereich der Sicherheit unserer Anti-Terror-Partner zu verbessern und voranzutreiben“. Sie war außenpolitische Beraterin der Clinton-Kampagne und tritt nun für die Nominierung der Demokraten im 49. Wahlbezirk Kaliforniens an, wo der amtierende Republikaner Darell Issa in den Ruhestand geht.
Jacobs ist die am besten finanzierte Demokratin im Rennen – wie es der Enkeltochter von Irwin Jacobs, dem Gründer des Großkonzerns Qualcomm, auch gebührt! Doch mit ihren 29 Jahren wäre sie die jüngste Kongressabgeordnete überhaupt, und bei den letzten Sitzungen der Demokratischen Partei wurden andere, erfahrenere Kandidaten ihr gegenüber vorgezogen. Einer ihrer Gegner ist Douglas Applegate, ehemaliger Judge Advocate General der Marinekorps mit Kampfeinsätzen in Fallujah, Bagdad und Ramadi, der im Wahlkampf 2016 knapp gegen Issa verlor.
Talley Sergent, noch eine ehemalige Mitarbeiterin des Außenministeriums, die bei der Clinton-Kampagne mithalf, tritt im zweiten Wahlbezirk von West Virginia an, in dem auch Charleston liegt. Dort ist der Republikaner Alex Mooney seit zwei Legislaturperioden im Amt. Die ehemalige Beraterin des Senators Jay Rockefeller arbeitete im Außenministerium zu den Bereichen Sklaverei und Menschenhandel. Dann organisierte sie Clintons desaströse Wahlkampagne in West Virginia, bevor sie schließlich zur Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei Coca-Cola Co. avancierte.
Ihr Gegenkandidat in der Demokratischen Partei ist Aaron Scheinberg, West Point-Absolvent und Irak-Kriegsveteran, der zuerst als Zugführer in der vierten Infanteriedivision und anschließend als Civil Affairs Officer in Haswah, Irak, eingesetzt war. Scheinberg ist jetzt Geschäftsführer der Non-Profit-Organisation „The Mission Continues“, die die Beschäftigung von Veteranen fördert. Im Vorstand sitzen hochrangige Politiker und Militärs wie Michèle Flournoy, ehemals Staatssekretärin für Verteidigungspolitik während der Obama-Regierung, Meghan O’Sullivan, Irak-Direktorin für den Nationalen Sicherheitsrat unter George W. Bush, und der General a.D., Ray S. Odierno, ehemaliger Befehlshaber der US-Streitkräfte im Irak.
Jessica Morse war ihrer Website zufolge Irak-Beauftragte für das Außenministerium und diente „mehr als zehn Jahre als Strategin für nationale Sicherheit“. So hat sie für die US-Agentur für Internationale Entwicklung (US AID), eine langjährige CIA-Tarnorganisation, und anschließend als Beraterin für das US Pacific Command gearbeitet, wo sie die „verteidigungspolitischen Beziehungen zwischen Indien und den USA stärkte [...] und den Kampf gegen terroristische Bedrohungen in Südasien entwickelte“. Ihr Gegner für die demokratische Nominierung im vierten Wahlbezirk Kaliforniens ist Regina Bateson, eine weitere ehemalige Beamtin des Außenministeriums, die ihrer Website zufolge Vizekonsulin in Guatemala war und als Foreign Service Officer im Bereich der Reise- und Grenzsicherheit zur Terrorabwehr gearbeitet hat. Beide treten gegen den amtierenden Republikaner Tom McClintock an.
Ein Undercover-Kandidat – und einige Prominente
Die amerikanischen Leitmedien haben kaum ein Wort über die außergewöhnliche Zahl von Geheimdienstlern und Militärs in der Wahlkampagne der Demokratischen Partei verloren. Sie ziehen es vor, in der Berichterstattung sekundäre Aspekte in den Mittelpunkt zu rücken, zum Beispiel die hohe Anzahl an Frauen, die – größtenteils für die Demokraten – antreten, angeblich als Reaktion auf Trumps Frauenfeindlichkeit.
Eine Ausnahme ist ein Artikel der Capitol Hill-Zeitung Roll Call vom 8. Februar unter der Überschrift „Kandidaten im aktiven Dienst können antreten – doch können sie Wahlkampf führen?“. Dort wird der Demokrat Matt Reel porträtiert, der sich für die Nominierung in Tennessee bewirbt, aber als Reservist für einen fünfmonatigen Einsatz bei der 20. Special Forces Group einberufen wurde. Dem Artikel zufolge weiß „sogar Matt Reels Personal nicht, wo er stationiert ist“.
Reels Ankündigung, im siebten Wahlbezirk anzutreten, folgte kurz nachdem die amtierende Republikanerin Marsha Blackburn bekannt gegeben hatte, dass sie das Repräsentantenhaus verlässt und für den Tennessee-Sitz im Senat kandidiert. Diesen besetzt derzeit der Republikaner Bob Corker, der aber in den Ruhestand geht.
Wegen Reels später Ankündigung hat das Democratic Congressional Campaign Committee den Wahlbezirk noch nicht ausgewählt. Deshalb wurde Reel auch nicht in den genannten Zahlen der Kandidaten mitgerechnet.
Was Reels Situation ungewöhnlich macht: Nach den Regeln des Pentagon darf er seine eigene Wahlkampagne nicht leiten, solange er sich aktiv im Soldatendienst befindet. Seine Berater und Unterstützer können die Kampagne zwar weiterführen, aber es ist ihm verboten, mit ihnen zu kommunizieren. Reel darf nicht einmal seinen Standort verraten, da der militärische Einsatz verdeckt stattfindet. Dieser wahrhaft „große Unbekannte“ hat nach wenigen Werbespots und anderen Videos seine Kampagne verlassen und wird ungefähr einen Monat vor den Vorwahlen am 2. August zurückkehren.
Reel ist ein weiteres Beispiel für einen Kandidaten der Demokraten, der in verdeckten Operationen („black operations“) der US-Armee dient. In seinem Fall gehört beides zusammen: Seit seinem Universitätsabschluss war er sowohl Funktionär der Demokratischen Partei als auch Teil der US Spezialeinheiten (Green Berets). Früher arbeitete er als Stabschef der Kongressabgeordneten Alabamas, Terri Sewell, und zuletzt als stellvertretender Personalleiter für die Demokraten im Ausschuss für Veteranenangelegenheiten des Repräsentantenhauses.
Reel wird als extrem unwahrscheinlicher Kandidat angesehen, da er in einem Wahlbezirk antritt, wo die Republikaner 2016 drei von vier Stimmen für sich gewinnen konnten. Dennoch fördert das DCCC momentan verstärkt Kandidaten mit militärischem Hintergrund – meist Frauen – als neue Stars in den am meisten umkämpften Wahlbezirken, wo die Demokraten am ehesten die Republikaner schlagen könnten. Diese Kandidaten haben Zugang zu finanziellen Mitteln, die erstmalige Bewerber ohne große eigene Ressourcen sonst niemals zur Verfügung hätten.
Im 31. Wahlbezirk von Texas tritt Mary Jennings Hegar an, eine Air Force-Veteranin und Helikopter-Pilotin, die mittlerweile auch Militär-Promi geworden ist: Angelina Jolie wird sie voraussichtlich in einem biografischen Film spielen, der auf ihren Memoiren Shoot Like a Girl: One Woman’s Dramatic Fight in Afghanistan and on the Home Front [Schieß wie ein Mädchen: Der dramatische Kampf einer Frau in Afghanistan und an der Heimatfront] basiert. Hegar wurde bekannt, nachdem sie eine Klage gegen eine Bestimmung des Pentagons einreichte, die Frauen die Teilnahme am Gefecht verbot. Ihr Konkurrent bei der Nominierung der Demokraten für die Kandidatur gegen den amtierenden Republikaner John Carter ist Kent Lester, ein West Point-Absolvent und pensionierter Berufsoffizier, der den Rang des Oberstleutnant erreichte und unter anderem an Einsätzen in Panama und Bosnien teilnahm.
Im zweiten Wahlbezirk Virginias, der das Gebiet Norfolk-Hampton Roads umfasst, wo ein ganzer Komplex von Marinestützpunkten und Werften liegt, hat das DCCC Elaine Luria als präferierte Kandidatin des „Red-to-Blue“-Programms aufgestellt. Luria, eine der ersten Frauen in der Marine, die als Offizierin auf einem Schiff mit Atomantrieb gedient hat, wurde „sechsmal im Nahen Osten und Westpazifik als nuklear-ausgebildete Offizierin für Überwasser-Kriegsführung eingesetzt“. Sie war zweite Befehlshaberin auf einem Lenkwaffenkreuzer und hat Angriffsschiffe kommandiert, die einen Marinekorps-Einsatz unterstützt haben.
Zu den Kandidaten mit einer Militärkarriere, die schon 2017 – ein Jahr im Voraus – über eine Million Dollar für ihre Wahlkampagne gesammelt hatten und über die in den lokalen Medien ihrer Wahlbezirke ausführlich berichtet wurde, zählen außerdem:
Mikie Sherrill, eine Navy-Hubschrauberpilotin, diente zehn Jahre in Europa und im Nahen Osten und ist mittlerweile Bundestaatsanwältin. Ihren Angaben zufolge hatte sie bis zum 31. Dezember 2017 für ihre Kampagne bereits 1.230.000 Dollar zusammen. Sie bewirbt sich im elften Wahlbezirk von New Jersey, wo der amtierende Republikaner Rodney Frelinghuysen in den Ruhestand geht.
Chrissy Houlahan, früher US Air Force-Hauptmann, hat für ihre Kampagne im sechsten Wahlbezirk Pennsylvanias gegen den amtierenden Republikaner Ryan Costello 1.228.000 Dollar gesammelt.
Amy McGrath, ehemalige Jagdpilotin bei den Marinekorps mit 89 abgeschlossenen Missionen im Irak und Afghanistan, hat für ihre Kampagne im sechsten Wahlbezirk Kentuckys gegen den amtierenden Republikaner Andy Barr 1.133.000 Dollar zusammenbekommen.
Einige politische Schlussfolgerungen
In der Bevölkerung wächst die Wut auf die Trump-Regierung, doch gefangen in der politischen Zwangsjacke des Zweiparteiensystems findet dieser Widerstand keinen echten Ausdruck. Im November 2016 waren Millionen Menschen nicht zur Wahl gegangen, weil sie sich gezwungen sahen, zwischen zwei gleichermaßen abstoßenden Präsidentschaftskandidaten zu entscheiden – Hillary Clinton, einer langjährigen Handlangerin der Wall Street und des Pentagons, und Donald Trump, einem korrupten Milliardär aus der Unterwelt des Immobilienbetrugs und der Spielcasinos. Doch Enttäuschung und Wut über die bankrotte, rechte Politik der Obama-Regierung haben auch viele Arbeiter dazu bewogen, Trump zu wählen, vor allem in den verarmten Industriegebieten wie Wisconsin, Michigan, Ohio, Pennsylvania und West Virginia. Trump konnte einen mühsamen Sieg im Wahlmännerkollegium erlangen, obgleich er nicht die absolute Mehrheit der Wählerstimmen erhielt.
Bei den diesjährigen Kongresswahlen könnte ein ähnlicher Prozess in umgekehrter Richtung stattfinden. Aus Zorn über die Steuersenkungen für Reiche und Großunternehmen, die Zerschlagung von Sozialprogrammen wie Medicaid und Lebensmittelmarken und die Angriffe auf Immigranten und demokratische Rechte im Allgemeinen werden Millionen von Arbeiter, wenn auch zögernd, ihre Wahlzettel für die offizielle „Opposition“ abgeben, die Demokratische Partei, die aber in Wahrheit keinen Widerstand gegen Trump leistet.
Es steht bei weitem nicht fest, dass die Demokraten am 6. November die Kontrolle über das Repräsentantenhaus gewinnen werden. Doch die hier vorliegende Untersuchung der Kandidaten zeigt auf, dass ein Sieg der Demokratischen Partei keinesfalls einen Linksruck bedeuten würde.
Die Aufstellung von Militärs und Geheimdienstlern in umkämpften Wahlbezirken ist in gewisser Weise eine Versicherung der Demokratischen Partei an die herrschende Elite in den USA. Sollte ein erheblicher Umschwung zugunsten der Demokraten stattfinden, wird das Repräsentantenhaus einen Zustrom von neuen Mitgliedern erleben, die in erster Linie aus dem nationalen Sicherheitsapparat stammen und treue Diener des amerikanischen Imperialismus sind.
Nebenbei bemerkt sollte darauf hingewiesen werden, dass es keinen vergleichbaren Zustrom an Unterstützern Bernie Sanders oder anderer, sich linker Phrasen bedienender Kandidaten geben würde, wenn die Demokraten in den Wahlen erfolgreich sind. Nur fünf von 221 der für diese Studie untersuchten Kandidaten haben Verbindungen zu Sanders oder zählen sich zu den „progressiven“ Demokraten. Für keinen von ihnen bestehen große Chancen auf einen Sieg bei den Vorwahlen, von den Zwischenwahlen ganz zu schweigen.
Wenn nach dem 6. November 2018 die Ergebnisse stehen, werden ziemlich sicher mehr ehemalige CIA-Agenten in der Fraktion der Demokraten im Repräsentantenhaus sitzen als ehemalige Sanders-Unterstützer. Es sind die Militär- und Geheimdienst-Mitarbeiter die das Rückgrat der Demokratischen Partei bilden, nicht Sanders „Our Revolution“-Gruppe. Das ist ein vernichtendes Urteil für den Senator von Vermont, der behauptet, man könne die Demokratische Partei reformieren und nach links drücken, und der dabei von diversen pseudolinken Gruppen unterstützt wird.
Das Übergewicht an nationalen Sicherheitsbeamten bei den Vorwahlen der Demokraten enthüllt auch abermals den wahren Charakter der Obama-Regierung. Obamas Amtsübernahme markierte kein Wiederaufleben des liberalen Reformismus, wie die zahlreichen Apologeten der Demokraten von der International Socialist Organization und anderen Gruppen behauptet hatten. Vielmehr führten acht Jahre Amtszeit unter Obama dazu, dass der Einfluss des Militär- und Geheimdienstapparats innerhalb der Demokratischen Partei zugenommen hat.
Dies zeigt sich im weiteren Werdegang seines Spitzenpersonals. Von denjenigen Kandidaten in den Vorwahlen, die unter Obama als zivile Beamte gearbeitet haben, waren danach 16 im Außenministerium, Pentagon, Heimatschutz-Ministerium oder Nationalen Sicherheitsrat tätig, während nur fünf für zivile Behörden arbeiteten. Einer von ihnen, Haley Stevens, war Obamas Stabschef der Task Force für die Autoindustrie, die Lohnkürzungen von 50 Prozent für neu eingestellte Autoarbeiter durchsetzte. Von diesen fünf wird nur Stevens als aussichtsreicher Kandidat in den Vorwahlen gehandelt.
Die Demokratische Partei war schon immer eine Partei des amerikanischen Kapitalismus und damit auch seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eine Partei des Imperialismus und der imperialistischen Kriege – ganz gleich, ob ihre Kandidaten gelegentlich von „Frieden“ sprechen, um die Antikriegsstimmung der amerikanischen Bevölkerung aufzufangen und in die Irre zu lenken.
Seit mehr als einem Jahrhundert gehörte es zu den wichtigsten politischen Aufgaben der marxistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten, gegen die Illusionen in die Demokratische Partei zu kämpfen, die vor allem in den vergleichsweise kurzen Perioden des Wiederauflebens reformistischer Politik unter den Präsidenten Franklin Roosevelt in den 1930er Jahren sowie John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson in den 1960er Jahren geschürt wurden. Der Kampf gegen die Demokratische Partei, ebenso wie die Republikaner, ist auch heute die zentrale Grundlage für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse.
Die Wahlkampagne von 2018 stellt eine qualitative Veränderung dar. Keine der beiden Parteien bietet eine glaubwürdige Aussicht auf soziale Reformen – dafür aber rechte Patentrezepte, versetzt mit Militarismus. Beide Parteien versuchen die Arbeiterklasse nach Hautfarbe, Geschlecht oder Herkunft zu spalten.
Die Vorwahlen finden im Kontext der Anti-Russland-Kampagne statt, die die Demokraten seit über einem Jahr unermüdlich vorantreiben. Ihr Narrativ lautet, dass Trumps Sieg in der Präsidentschaftswahl 2016 auf russische Einflussnahme zurückzuführen und er letztlich ein Handlanger Russlands im Weißen Haus sei.
Es wurde nicht der geringste Beweis vorgebracht, der eine russische Einflussnahme oder geheime Absprachen mit Russland im Rahmen der Trump-Kampagne belegen würde. Ebenso gibt es keine Hinweise auf Betrug bei den Wahlen oder den Stimmauszählungen der lokalen oder bundesstaatlichen Regierungen.
Doch die Demokratische Partei versucht ganz gezielt, an die rechtesten, chauvinistischen Stimmungen zu appellieren, die an die McCarthy-Ära erinnern. Sie greift Trump nicht an, weil er eine rechte Politik verfolgt, gegen Immigranten hetzt, mit Faschisten, Rassisten und „white supremacists“ zusammenarbeitet und die Steuern für Reiche senkt. Was die Demokraten stört, ist Trumps angebliche militärische Zurückhaltung gegenüber Russland in den Konflikten im Nahen Osten, in Zentralasien, Osteuropa – vor allem der Ukraine – und im Baltikum.
Hillary Clinton trat 2016 als Favoritin des Militär- und Geheimdienstapparats zu den Wahlen an und erhielt Unterstützung von hunderten ehemaligen Generälen, Admiralen und Chefspionen. Ihre Hauptkritik an Trump bestand darin, dass er untauglich für den Posten des Oberbefehlshabers sei.
Die Demokratische Partei hat diese politische Orientierung 2018 weiter entwickelt und vertieft. Sie tritt in den Kongresswahlen nicht nur als eine Partei an, die Russland gegenüber härter vorgeht, sondern die auch Kandidaten und Mitglieder anwirbt, die für die Kriege des amerikanischen Imperialismus – ob offen oder verdeckt – direkt verantwortlich sind. Ihr Ziel ist es, nicht nur eine Partei für, sondern auch des Pentagon und der CIA zu sein.
Diese Entwicklung ist nicht einfach nur das Ergebnis der politischen Psychologie oder der beruflichen Laufbahn jener, die es an die obere Spitze der Demokratischen Partei schaffen. Sie bringt einen ganz bestimmten Klassencharakter zum Ausdruck. Die Demokratische Partei hat ihre Versprechen einer – wenngleich beschränkten – Politik der Sozialreformen im Interesse der gesamten Arbeiterklasse schon lange aufgegeben. Sie fördert heute die Privilegien von Teilen der oberen Mittelschicht auf der Grundlage von identitätspolitischen Kriterien.
Die Demokratische Partei plädiert für eine Umverteilung des Reichtums und der Macht innerhalb der privilegiertesten Schichten der Bevölkerung, ohne aber das grundlegende gesellschaftliche Gefüge anzutasten, das von einer tiefen sozialen Spaltung geprägt ist: an der Spitze die Superreichen, gefolgt von einer privilegierten oberen Mittelschicht von vielleicht zehn Prozent oder weniger und ganz unten die überwiegende Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung, deren Lebensbedingungen sich kontinuierlich verschlechtern, obwohl die angebliche wirtschaftliche „Erholung“ nach dem Wall-Street-Crash schon fast zehn Jahre andauert.
Die obere Mittelschicht, die die „Massen“-Basis der Demokratischen Partei bildet, hat innerhalb der letzten vier Jahrzehnte einen drastischen Rechtsruck vollzogen. Sie hat sich am Börsenboom bereichert, steht der Arbeiterklasse bewusst feindlich gegenüber und unterstützt mit großer Begeisterung den Militär- und Geheimdienstapparat, der letztlich auch ihre eigene soziale Stellung gegen potenzielle Bedrohungen sowohl außen- als auch innenpolitisch absichert. Dieser soziale Veränderungsprozess findet in der kapitalistischen Politik nun einen offenen Ausdruck und manifestiert sich im Aufstieg der Militärs und Geheimdienstler in die Führung der Demokratischen Partei.
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Anmerkungen Teil 1:
1. Bei den Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten werden ein Drittel der Senatoren und das gesamte Repräsentantenhaus neu bestimmt sowie ein Teil der Gouverneure neu gewählt. Sie finden in der Mitte der vierjährigen Amtszeit des Präsidenten statt.