Facebook-Sicherheitschef: „Nicht alle Informationen sind gleichwertig.“

Letzte Woche präsentierte Facebooks Sicherheitschef Alex Stamos bei einer jährlichen Militärkonferenz in der estnischen Hauptstadt Tallinn eine Übersicht über das orwellsche Zensurregime, das bei dem größten Social Media-Unternehmen eingeführt wurde.

Stamos warnte sein Publikum aus Generälen, Geheimdienstlern und der US-Regierung nahestehenden osteuropäischen Politikern, dass Millionen von „Menschen, die sich ignoriert oder unterdrückt fühlen“ Facebook benutzten, um „radikale Politik zu verbreiten.“

Diese Rede zeigte, in welchem Ausmaß das Unternehmen als Partner der US- und anderer Regierungen auf der ganzen Welt agiert, um den öffentlichen Diskurs im Internet zu kontrollieren. Ihr unerklärtes Ziel ist dabei, den Zugang zu linken und sozialistischen Ansichten sowie Kriegsgegnerschaft zu unterdrücken.

Stamos hielt seine Rede auf der CyCon, einer von der Nato gesponserten Konferenz zum Thema Cyberkrieg und psychologische Operationen, die nur wenige hundert Kilometer von der stark militarisierten Grenze zu Russland stattfand. Dass ein Social Media-Unternehmen überhaupt bei einer solchen Veranstaltung vertreten ist, zeigt, wie sehr die US-Technologiekonzerne in den amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat und seine internationalen Operationen integriert sind.

Zu Beginn verwies Stamos auf eine Karte mit sozialen Verbindungen, die durch Facebook begünstigt wurden. Dazu erklärte er: „Als diejenigen, die diese Linien gezogen und den Leuten die Möglichkeit gegeben haben, diese Verbindungen zu ziehen,“ habe Facebook die „Verantwortung, die Risiken zu verstehen und zu vermindern“. Ein Risiko bestehe darin, dass seine Plattform für „schlechte Ziele“ benutzt werde, die er als Angriff „auf die Ideale von Facebook“ bezeichnete.

Vor allem wolle Facebook „Fake News“ durch „Änderungen der Nachrichtenfeeds“ bekämpfen, die „den Menschen diese Inhalte zeigen“, sagte Stamos.

Doch statt bei einzelnen Nachrichtenartikeln zu bestimmen, ob es sich um „Fake News“ handelt, setzt Facebook auf Massenprofile von Nachrichtenquellen. Dazu begutachtet es „die Metadaten von Menschen, die den Account des Nachrichtenmediums eingerichtet haben“, um zu bewerten, ob es „vertrauenswürdig“ ist. Durch dieses an George Orwells 1984 erinnerndes Zensurregime sortiert Facebook Nachrichtenorganisationen in Kategorien ein und entscheidet auf dieser Grundlage, wie viele Menschen ihre Postings sehen können.

Mit anderen Worten, das Unternehmen entscheidet über den Wahrheitsgehalt einer Nachricht nicht danach, ob sie zutrifft, auf Tatsachen basiert oder verifiziert werden kann, sondern danach, wer sie postet. Die logische Schlussfolgerung daraus lautet: wenn einer von Facebooks „Partnern“ in den etablierten Medien einen Artikel postet, gilt er dem Unternehmen als vertrauenswürdig, egal wie unzutreffend oder voreingenommen er ist, oder ob er auf Quellen basiert.

Mit anderen Worten, Facebook reagiert auf „Fake News“ mit politisch motivierten schwarzen Listen.

Um „ausländische Beeinflusser“ zu blockieren, so Stamos weiter, werde Facebook auch „händisch organisierte Gruppen untersuchen“, und maschinelles Lernen benutzen, um „schlechte Akteure“ unter seinen Milliarden Nutzern ausfindig zu machen.

Allerdings, so fügte er hinzu, „sind inländische Beeinflussungsoperationen die größte Wachstumskategorie unter Informationsoperationen, die wir in den nächsten Jahren erleben werden“. Damit meint er politische Organisationen, die die Politik ihrer eigenen Länder „beeinflussen“ wollen.

Er erklärte, Facebook gehe gegen Gruppen vor, die sich „ignoriert oder unterdrückt fühlen“ und deren „Ziel“ es sei, „radikale Politik zu fördern.“ Er fügte hinzu, diese Gruppen können „sehr groß sein“. Als Beispiel nannte Stamos die „Hacktivistengruppe“ Anonymous, die die Occupy Wall Street-Proteste gegen soziale Ungleichheit unterstützt hatte und als Unterstützer des Online-Journalismus von WikiLeaks gelten.

Die zahlenmäßig meisten Zensurmaßnahmen Facebooks richten sich jedoch gegen „individuelle Teilnehmer“, die oft durch „ernsthafte Überzeugungen“ motiviert sind, „Partner bei Informationsoperationen zu werden.“ Das heißt, Millionen von Menschen, die keiner organisierten politischen Gruppierung angehören, aber ihre Zustimmung zu den politischen Ansichten der Gruppen äußern, die ins Visier von Facebook geraten sind, indem sie deren Inhalte teilen oder ihre Unterstützung bekunden.

Stamos erklärte: „So ein inländischer Operator“ könne „tausende und abertausende von Menschen haben, die an seine Sache glauben.“ Weiter erklärte er, die Wirksamkeit „dieser Menschen sollte nicht unterschätzt werden.“

Auf diese Weise die politischen Äußerungen breiter Bevölkerungsschichten zu unterdrücken, ist offene politische Zensur. Aus diesem Grund muss Facebook darauf achten, dass es den politischen Diskurs nicht offen unterdrückt, sondern die „Effektivität“ der Teilnahme der Öffentlichkeit an „organisierten Kampagnen“ einschränkt.

Stamos erklärte: „Unsere Reaktion muss hier sehr, sehr vorsichtig sein. Zur Meinungsfreiheit gehört, dass Menschen manchmal Dinge sagen, mit denen man nicht einverstanden ist. Zur Freiheit gehört auch die Freiheit von einzelnen Menschen, falsch zu liegen. Und wir müssen den Leuten erlauben, Unrecht zu haben und Dinge zu sagen, die vielleicht nicht gegen unsere Standards zu Hassreden oder zur Gewährleistung der Sicherheit verstoßen, die aber trotzdem als unangemessen empfunden werden. Offene Gesellschaften müssen das hinnehmen. Aber wir wollen Produkterweiterungen einführen, um sicherzustellen, dass wir die Effektivität dieser Leute einschränken, bewusst oder unbewusst Teil einer organisierten Kampagne zu sein.“

Zu diesen „Produkterweiterungen“ gehört u.a. die Umleitung von Nutzern auf Inhalte, die Facebook genehmigt, oder „erzieherische Hinweise“; die Nutzer informieren, dass ihre Ansichten „umstritten“ sind.

Nach amerikanischem Recht ist Facebook als Kommunikationsunternehmen reguliert, ähnlich wie ein Telefonunternehmen oder ein Paketlieferdienst. Es hat weder die „Verantwortung“, noch das Recht, seinen Kunden seine „Ideale“ aufzuzwingen.

Doch in den Augen des Unternehmens verleiht ihm die Tatsache, dass es als Kommunikationsplattform agiert, die paternalistische Verpflichtung, die Äußerungen seiner Nutzer zu überwachen und zu blockieren, wenn das Unternehmen ihre Ansichten nicht teilt.

Der soziale Inhalt dieser „Ideale“ wird deutlich durch die Zusammensetzung des Publikums aus Militärs und Geheimdienstlern, vor denen Stamos sprach. Im Laufe der letzten zwei Jahre wurde Facebook von der US-Regierung unablässig unter Druck gesetzt, sich zum Werkzeug der staatlichen Geheimdienste zu machen und oppositionelle Ansichten auf seiner Plattform zu zensieren und zu unterdrücken. Führende Befürworter der Zensur, darunter der demokratische Senator Mark Warner und der demokratische Kongressabgeordnete Adam Schiff, haben deutlich gemacht, dass das Unternehmen unter immensen regulatorischen und öffentlichen Druck geraten werde, wenn es den Forderungen nach Unterdrückung der politischen Opposition im Internet nicht nachgebe.

Damit macht sich Facebook zu einem Agenten des amerikanischen Staates. Es erledigt für ihn die Drecksarbeit, die von der Verfassung geschützte Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Öffentlichkeit zu untergraben.

Stamos' wohl bedrohlichste Aussage war seine abschließende Forderung nach noch umfassenderen sozialen Veränderungen im Stile der Maßnahmen, die Facebook bereits getroffen hat. „Insgesamt müssen unsere Gesellschaften anfangen, sich an die Vorstellung anzupassen, dass nicht alle Informationen gleichwertig sind.“ Seine Schlussfolgerung erinnert an das Motto der Schweine in George Orwells Farm der Tiere: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.“

Da ein Großteil der schriftlichen Kommunikation heute im Internet stattfindet, stellt das Vorgehen von Facebook und den anderen Technologiekonzernen das größte, umfassendste Zensurregime in der Geschichte der Menschheit dar. Facebook missachtet und umgeht grundlegende Verfassungs- und Menschenrechte, wenn es sich das Recht anmaßt, zu bestimmen, was hunderte Millionen Menschen lesen und sagen.

Die World Socialist Web Site kämpft dafür, die Versuche von Facebook, Google und anderen Technologiekonzernen zur Zensur des Internets aufzudecken. Diese Unternehmen stellen sich an die Spitze einer Kampagne, deren Ziel die Abschaffung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit auf der ganzen Welt ist. Wir rufen all jene, die diesen Kampf aufnehmen wollen, dazu auf, sich mit uns in Verbindung zu setzen.

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