Am Donnerstag, den 10. Mai, kündigte das US-Finanzministerium eine neue Runde von Sanktionen gegen den Iran an. Damit versucht der US-Imperialismus, dieses Land zu isolieren und zu unterwerfen. Nur zwei Tage zuvor hatte Trump den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran erklärt.
Die Sanktionen, die das amerikanische Finanzministerium am Donnerstag auf seiner Website bekannt gegeben hat, können nicht nur eine Wirtschaftskrise im Iran auslösen, sondern verschärfen auch die Spannungen der USA mit Europa.
Die Maßnahmen richten sich gegen sechs Personen und drei Unternehmen im Iran, die angeblich Beziehungen zur mächtigen Revolutionsgarde und deren al-Quds-Eliteeinheit unterhalten. Finanzminister Steven Mnuchin warf der Revolutionsgarde „bösartige Aktivitäten“ vor und unterstellte der iranischen Zentralbank, sie finanziere die Revolutionsgarden über ein Netzwerk, das Millionensummen in Dollars umtausche und den Garden zur Verfügung stelle. Mnuchin fügte hinzu: „Wir beabsichtigen, die Iranische Revolutionsgarde von allen Einnahmequellen abzuschneiden, unabhängig davon, woher das Geld stammt und wozu es verwendet wird.“
Die Sanktionen des US-Finanzministeriums sind ein weiteres Anzeichen dafür, dass sich Washington auf eine direkte militärische Konfrontation mit Teheran zubewegt. Nur wenige Stunden zuvor hatte Israel am Morgen desselben Donnerstags mehrere iranische Stellungen in Syrien angegriffen. Als Rechtfertigung behauptete die Regierung in Tel Aviv, die al-Quds-Einheit habe mehrere Raketen auf israelisches Staatsgebiet abgefeuert. Dar war aber eine Reaktion darauf, dass Israel durch einen Angriff am Dienstagabend nahe Damaskus bereits acht Iraner getötet hatte.
Bei dem jüngsten Angriff mit 28 israelischen Kampfflugzeugen wurden erneut achtzehn Ausländer getötet, vermutlich allesamt iranisches Militärpersonal. Das war bereits der dritte israelische Angriff in weniger als einem Monat auf iranische Stellungen. Das Weiße Haus ermahnte allerdings in einer Stellungnahme vom 10. Mai ausschließlich den Iran, die „provokanten“ Aktivitäten einzustellen, und bekräftigte Israels Recht auf „Selbstverteidigung“.
Nicht weniger absurd sind die Versuche des Finanzministeriums, Teheran als den stärksten destabilisierenden Faktor im Nahen Osten hinzustellen. Die Sanktionen, die gleichzeitig auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten bekanntgegeben wurden, zielen vorgeblich darauf ab, die Unterstützung der Revolutionsgarde für „terroristische“ Gruppen und iranische „Stellvertreter“ in Syrien, dem Libanon und dem Jemen zu unterbinden.
Obwohl das bürgerlich-klerikale Regime, das im Iran an der Macht ist, nur als politisch reaktionär bezeichnet werden kann, ist es doch weit hergeholt, die Unterstützung Teherans für die Hisbollah – die im Libanon einen beträchtlichen Rückhalt in der Bevölkerung genießt – als Finanzierung von „Stellvertreterkräften“ zu bezeichnen. Dies umso mehr, als die beiden Staaten, welche diese Behauptung aufstellen, selbst islamistische Milizen in Syrien mit Millionen Dollar und Waffen unterstützen. Diese Stellvertreterkräfte führen seit sieben Jahren einen brutalen Bürgerkrieg für die USA, der schon mehr als eine halbe Million Menschenleben gefordert hat, um in Damaskus einen Regimewechsel herbeizuführen. In der Bevölkerung haben sie keinerlei Rückhalt, weshalb sie auch schon eine Reihe von Niederlagen erlitten haben.
Die Revolutionsgarde spielt außerdem eine beträchtliche Rolle in der iranischen Wirtschaft. Sie ist in der Bau-, Energie- und Telekommunikationsbranche aktiv. Deshalb werden die neu verhängten Wirtschaftssanktionen in erster Linie die iranische Arbeiterklasse treffen.
Am 8. Mai gab Trump in der Rede, in der er seinen Rückzug vom Atomabkommen bekanntgab, auch die Anweisung zu der vollständigen Wiedereinführung der Sanktionen gegen die iranische Wirtschaft. Er bezeichnete das Abkommen mit dem Iran als „schrecklich“ und „einseitig“ und erklärte, Washington werde die schwersten Wirtschaftssanktionen gegen die Islamische Republik durchsetzen. Damit legte er gleichzeitig nahe, dass der nächste Schritt in diesem Konflikt der Einsatz von militärischen Mitteln sein werde.
Auch Mnuchin machte am selben Dienstag deutlich, dass Washington die härteste Linie gegen den Iran einnehmen wird. Er kündigte an, dass die US-Regierung den Flugzeugbauern Boeing und Airbus die Lizenz, mit Teheran zu handeln, entziehen werde. Trump will auch alle ausländischen Unternehmen sanktionieren, die weiterhin Geschäfte mit dem Iran machen. Er räumte ein Zeitfenster von drei bis sechs Monaten ein, um die Operationen einzustellen.
Der US-Imperialismus hofft, er könne den Iran mit Sanktionen in die Knie zwingen. Zu seinen räuberischen Forderungen gehören u.a. die Einstellung des Raketenprogramms und die Unterstützung des Irans für die Hisbollah, die Hamas und andere ausländische Gruppen. Auf diese Weise möchte Washington den Iran als Hindernis für die eigenen Hegemonialansprüche aus dem Weg räumen und die volle Kontrolle über den rohstoffreichen und strategisch wichtigen Nahen Osten erlangen. Die beiden größten Gegner der USA auf diesem Weg sind Russland und China, die selbst Interessen in der Region verfolgen. Wie um diese Ansprüche deutlich zu machen, kündigte die chinesische Regierung nur einen Tag nach Bekanntgabe der neuen US-Sanktionen die Eröffnung einer neuen Güterzugroute zwischen West-China und dem Iran an.
Zweifellos bereitet sich die US-Regierung auf einen offenen Krieg gegen Teheran vor. Sicherlich wusste Washington im Vorfeld von Israels Plänen, am Donnerstag die iranische Infrastruktur in Syrien anzugreifen, und gab grünes Licht für dieses aggressive Vorgehen – nicht zuletzt, weil die Angriffe die im Land stationierten iranischen Truppen schwächen und es den USA und ihren islamistischen Verbündeten ermöglichen, ihre Position im ölreichen Osten des Landes zu stärken.
Trumps Entscheidung, das Iran-Abkommen aufzukündigen und die Sanktionen wieder einzuführen, stürzt das bürgerlich-nationalistische iranische Regime in eine Krise. Wie Präsident Hassan Ruhani erklärte, hat das Abkommen von 2015 die Beziehungen des Irans zum Westen verbessert und die wirtschaftliche Entwicklung angekurbelt. Das Scheitern dieser Strategie ermutigt Vertreter der Hardliner-Fraktion der herrschenden Elite, jetzt offener aufzutreten. Dieser Flügel des Regimes hat sich immer gegen die Zusammenarbeit mit den USA ausgesprochen. Der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Chamenei, äußerte Zweifel an der Bereitschaft Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens, das Atomabkommen weiter einzuhalten, und erklärte am 9. Mai in einer Rede: „Ich vertraue auch diesen drei Ländern nicht.“ Die iranische Regierung veröffentlichte eine Stellungnahme, in der sie den europäischen Mächten vorwarf, sie hätten ihre Verpflichtung aus dem Abkommen nicht einmal vollständig erfüllt, als die USA noch nominell daran teilgenommen hatten.
Trotz dieses Gepolters ist die iranische Bourgeoisie entschlossen, mit dem Imperialismus zu einer Einigung zu kommen. Teheran hat bereits an Airbus appelliert, seine Ankündigung zu bestätigen, dem Land trotz der angedrohten Sanktionen 100 Flugzeuge zu verkaufen. Außenminister Dschawad Sarif wird zudem in dieser Woche Europa besuchen, um die Bedingungen für die Einhaltung des Atomabkommens zu verhandeln.
Die europäischen Mächte, allen voran Frankreich und Deutschland, nahmen zwar eine kritische Haltung zu Trumps Rückzug vom Iran-Abkommen ein, haben aber auch klargestellt, dass sie von Teheran weitere Zugeständnisse fordern werden, falls das Abkommen weiter bestehen soll. Der Grund dafür ist, dass die Regierungen in Berlin, Paris und London entschlossen sind, ihre eigenen imperialistischen Interessen im Iran und dem ganzen Nahen Osten nicht weniger rücksichtslos zu verfolgen.
Die europäischen Mächte reagieren noch schärfer auf die neuen Sanktionen, da sie ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet sehen. So werden europäische Konzerne bereits offen aufgefordert, den Sanktionen zu trotzen. Die EU bereitet sich derweil darauf vor, Maßnahmen zum Schutz europäischer Unternehmen gegen Bußgelder durch die USA zu ergreifen.
Der französische Finanzminister Bruno Le Maire erklärte am 11. Mai, Europa sei zu Gegenmaßnahmen bereit, falls die Geschäfte europäischer Konzerne mit dem Iran amerikanische Strafen nach sich zögen. In einem Interview mit Europe 1 erklärte er: „Wir müssen in Europa zusammenarbeiten, um unsere wirtschaftliche Souveränität zu verteidigen. Können wir außerterritoriale Sanktionen hinnehmen? Die Antwort ist: Nein. Akzeptieren wir, dass die USA den Wirtschaftspolizisten für die ganze Welt spielen? Die Antwort ist: Nein. Akzeptieren wir, dass Europa in wirtschaftlicher Hinsicht zum Vasallen der USA wird? Die Antwort ist: Nein.“
Letztes Jahr hat sich das Volumen der französischen Exporte in den Iran im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, die deutschen Exporte stiegen auf einen Gesamtwert von etwa 400 Millionen Euro.
Le Maire schlug mehrere Möglichkeiten vor, wie sich die Folgen amerikanischer Sanktionen abwehren ließen. Zum ersten schlug er ein gesamteuropäisches Statut gegen die amerikanischen Sanktionen vor, außerdem brachte er die Gründung einer Aufsichtsbehörde für den europäischen Handel mit dem Iran ins Spiel, um Europa mehr „finanzielle Unabhängigkeit“ von den USA zu verschaffen. Schließlich sagte er, eine EU-Behörde solle die Aktivitäten ausländischer Unternehmen überwachen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schlug am Freitag bei einer Rede am Katholikentag in Münster ähnliche Töne zur US-Politik gegenüber dem Iran an. Sie erklärte, Trumps Entscheidung habe das Vertrauen in die internationale Ordnung verletzt, und sagte dann: „Wir entscheiden uns auch in schweren Zeiten für die Stärkung des Multilateralismus.“