Selten hat sich ein Präsident Frankreichs bei einem öffentlichen Auftritt so militaristisch gebärdet wie Emmanuel Macron am Mittwoch bei seiner Rede vor beiden Häusern des amerikanischen Parlaments. Er lobte die unprovozierte Bombardierung Syriens vom 14. April durch Washington, London und Paris als Modell für die neue Weltordnung des 21. Jahrhunderts. Macron erklärte auch seine Unterstützung für die Kriegsdrohungen der USA gegen Iran, Nordkorea und andere Länder.
Die Rede bildete den Abschluss von Macrons dreitägigem Staatsbesuch in Washington. Sie fand inmitten der tiefsten Krise der transatlantischen Beziehungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs statt. In den herrschenden Kreisen Europas wächst die Panik über die drohenden Handelszölle auf europäische und chinesische Waren, die eine Spirale von Gegenmaßnahmen und einen weltweiten Handelskrieg auslösen könnten. Sie fürchten auch die angekündigten Absichten Washingtons, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen, wodurch ein Krieg im gesamten Nahen und Mittleren Osten droht. Macron hatte jedoch nichts vorzuschlagen, außer weiteren militärischen Aggressionen unter dem Deckmantel hohler und bombastischer Phrasen über die Verteidigung der Demokratie.
„Unsere beiden Nationen wurzeln in dem gleichen Grund, gestützt auf die gleichen Ideale der Amerikanischen und der Französischen Revolution“, erklärte Macron. „Die Stärke unserer Bindung gründet sich auf unsere gemeinsamen Ideale. Das hat uns im Kampf gegen den Imperialismus während des Ersten Weltkriegs und dann im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen den Nationalsozialismus vereint. Das war es auch, was uns im Zeitalter der stalinistischen Bedrohung einte, und jetzt verlassen wir uns auf diese Stärke, um terroristische Gruppen zu bekämpfen.“
Macrons Rhetorik über Washingtons und Paris’ ewigen gemeinsamen Kampf für Demokratie, der in unserer Zeit die Form des „Kriegs gegen den Terror“ islamistischer Gruppen angenommen habe, ist nichts als ein Sack voller Lügen. Die Handelsrivalitäten zwischen großen amerikanischen und europäischen Konzernen sowie der Konflikt zwischen den USA und Europa über die Frage, ob man die wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran gefährden und einen Krieg im Nahen Osten riskieren sollte, haben nichts damit zu tun, die Demokratie vor dem Terrorismus zu schützen.
Macron widersprach selbst seinen betrügerischen Darstellungen. Er appellierte an Washington, seine Drohungen mit einem Handelskrieg fallenzulassen und seine Kriegspolitik enger mit Europa abzustimmen – nicht um Terrorismus zu bekämpfen, sondern um die Vormachtstellung der imperialistischen Länder in der Weltpolitik gegen ungenannte rivalisierende Großmächte zu bewahren.
Er sagte: „Wir haben künftig zwei mögliche Wege. Wir könnten den des Isolationismus, des Rückzugs und des Nationalismus wählen. Das wäre eine Option. Sie könnte verlockend für uns sein – als vorübergehendes Rezept gegen unsere Ängste. Aber die Tür zur Welt zuzuschlagen, wird die Entwicklung der Welt nicht aufhalten... Andere Mächte mit einer stärkeren Strategie und mehr Ehrgeiz würden dann die Lücke füllen, die wir hinterlassen. Andere Mächte werden nicht zögern, erneut ihr eigenes Modell vorwärts zu bringen, um die Weltordnung des 21. Jahrhunderts zu gestalten.“
Der bessere Weg sei, so meinte Macron, „die Weltordnung des 21. Jahrhunderts auf eine neue Art des Multilateralismus zu gründen“. Als Beispiel dafür nannte er: „In Syrien arbeiten wir sehr eng zusammen. Nachdem vor zwei Wochen vom Regime Bashar al-Assads verbotene Waffen gegen die Bevölkerung eingesetzt wurden, haben die Vereinigten Staaten und Frankreich zusammen mit dem Vereinigten Königreich gehandelt, um die Chemiefabriken zu zerstören und die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft wiederherzustellen. Diese Aktion war ein Beweis für diesen starken Multilateralismus.“
Macrons Jubel über die Bombardierung Syriens als Modell für die Zukunft muss für die Arbeiter und Jugend international eine Warnung sein. Unter dem Deckmantel hohler Rhetorik über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit agiert die herrschende Klasse der imperialistischen Länder völlig rücksichtslos und missachtet das Völkerrecht, um ihre Vormachtstellung in der Welt gegen ihre geostrategischen Rivalen wie Russland und China zu sichern und aufrecht zu erhalten.
Der Angriff vom 14. April war ein Kriegsverbrechen, gestützt auf die Lügen der Nato, dass Streitkräfte des Assad-Regimes in der Stadt Duma chemische Waffen eingesetzt hätten. Washington, London und Paris starteten Raketenangriffe auf staatliche Einrichtungen in Syrien, bevor die UNO mit der Untersuchung der angeblichen Chemieangriffe beginnen konnte. Moskau hatte Beweise vorgelegt, dass die von der Nato unterstützten Weißhelme-Milizen diesen angeblichen Angriff inszeniert hatten, um einen Vorwand für die Bombardierung zu liefern. Macrons Lob der Luftschläge unterstreicht, dass die Weltordnung, die er für das 21 Jahrhundert vorsieht, auf endloser, gesetzwidriger Gewaltanwendung der imperialistischen Mächte beruhen würde.
Auf dieser Grundlage unterstützte Macron die Drohungen der USA gegen Ziele in ganz Eurasien. „Die terroristische Bedrohung ist umso gefährlicher, wenn sie mit der Drohung zur Weitergabe von Atomwaffen verknüpft ist“, sagte er. „Frankreich unterstützt voll und ganz die Versuche der USA, Pjöngjang durch Sanktionen und Verhandlungen zur De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel zu bewegen. Was den Iran angeht, ist unser Ziel klar: Iran darf keine Atomwaffen besitzen, jetzt nicht, nicht in fünf Jahren, nicht in 10 Jahren, niemals.“
Am Tag zuvor hatte er bereits angedeutet, dass er Trumps Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran akzeptieren würde, womit der Weg für erneute Wirtschaftssanktionen und einen möglichen Krieg der USA gegen den Iran bereitet würde. Jetzt äußerte Macron sich dennoch mit folgendem pathetischen Vorbehalt: „Aber diese Politik sollte niemals zu einem Krieg im Nahen Osten führen. Wir müssen Stabilität gewährleisten und die Souveränität der Nationen respektieren, einschließlich des Iran, der ein großes kulturelles Erbe repräsentiert. Lasst uns nicht die alten Fehler in dieser Region wiederholen.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Macrons Argumentation ist nichts als heuchlerischer Betrug. Einerseits gibt Macron einen Blankoscheck an Trump, der Nordkorea mit „Feuer und Zorn, wie sie die Welt noch nie gesehen hat“, bedroht hat und auch die israelischen Drohungen mit Militärschlägen gegen den Iran unterstützt. Andererseits betont er, dass er einen Krieg, der das Ergebnis dieser Politik wäre, nicht unterstützen wolle. Dann hängt er noch einen zahnlosen Appell an, um die „alten Fehler“ zu vermeiden, d. h. die imperialistischen Kriege und militärischen Besetzungen des Nahen Ostens in den letzten 25 Jahren, ohne diese beim Namen zu nennen.
Nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 gab es keinen starken militärischen Gegner mehr, der den neokolonialen Interventionen der imperialistischen Mächte im Nahen Osten etwas entgegensetzen konnte. In den endlosen und blutigen imperialistischen Kriege in dieser strategisch bedeutenden und ölreichen Region – vom Irak nach Afghanistan, Libyen und Syrien – wurden Millionen Menschen ermordet oder in die Flucht getrieben. Die Klasseninteressen hinter diesen Kriegen wurden jedoch mit imperialistischen Lügen verschleiert und mit dem Kampf gegen Terrorismus und der Verteidigung der Demokratie gerechtfertigt. Die große Lüge von den Massenvernichtungswaffen im Irak lieferte das Muster, nach dem die folgenden neokolonialen Kriege abliefen.
Die geopolitische Krise, die diese jahrzehntelangen Kriege heraufbeschworen hat, eskaliert zu einer militärischen Konfrontation zwischen den Großmächten. Da in Syrien russische und iranische Truppen gegen von der Nato unterstützte „Rebellen“ kämpfen und China engere Beziehungen zu Russland sucht, um sich vor den Drohungen der USA mit Handelskrieg, die Auseinandersetzungen im Südchinesischen Meer und um Nordkorea zu schützen, wächst die Gefahr, dass ein Krieg unmittelbar zwischen Atommächten ausbricht. Die Angriffe vom 14. April waren äußerst rücksichtslos, gerade weil sie die Gefahr bargen, einen Zusammenstoß zwischen Russland und Nato-Streitkräften zu provozieren.
Die sozialen Angriffe, die die herrschende Klasse durchführen wird, um die Kriege zu finanzieren, werden zu einem wachsenden Widerstand in der Arbeiterklasse führen. In den USA finden Massenstreiks der Lehrer statt, in Frankreich streiken die Eisenbahner und Studenten besetzen ihre Universitäten, um gegen Macrons drastische Reformen zu protestieren, die er trotz großer Ablehnung in der Bevölkerung durchsetzt.
Die wachsende Opposition in der Arbeiterklasse ist ein wichtiger Faktor, der die herrschende Klasse in Frankreich und in den USA dazu treibt, ihre militärischen Aggressionen im Ausland zu verstärken. Damit wollen sie von den sozialen Spannungen im Innern ablenken, sie gegen einen äußeren „Feind“ richten und die Bedingungen schaffen, um die Opposition im Land mit Polizeigewalt und Zensur zu zerschlagen.