Mit dem Übergreifen ihrer Streiks und Proteste auf Nord- und Südamerika, Europa und Afrika sind die Lehrer zur Avantgarde eines weltweiten Aufschwungs militanter Arbeiterkämpfe geworden.
In den Vereinigten Staaten gingen diese Woche die Lehrerstreiks weiter. Begonnen hatten sie vor einigen Wochen mit einer Rebellion der Lehrer in West Virginia. Am Mittwoch demonstrierten Lehrer aus Arizona vor dem State Capitol in Phoenix und forderten eine Lohnerhöhung.
In Oklahoma bereiten sich derweil 41.000 Lehrer auf einen landesweiten Streik am 2. April vor. Am Montag und Dienstag kochte ihr Wut über. Grund war ein Deal der Abgeordneten der Demokraten und Republikaner von Oklahoma, die beschlossen hatten, die Zuwächse für die Schulfinanzierung durch erhöhte Mehrwertsteuern aufzubringen, was hauptsächlich Arbeiter und Arme belastet.
Auf der Facebook-Seite Oklahoma Teachers United (OTU), die von einfachen Lehrern betrieben wird und über 10.000 Follower hat, hieß es: „Der Senat soll diese Woche über ein Gesetz abstimmen, dem das Abgeordnetenhaus zugestimmt hat, aber die Lehrer lehnen es ab. DIE LEHRER HABEN ES SATT!!!!!! Jetzt sind die Gesetzgeber richtig verwirrt. Ich habe 100 Anrufe von Dems und Reps bekommen, die mich fragten: 'Was in aller Welt ist los mit euch?'“ Der Deal der zwei Parteien hatte den Lehrern eine Lohnerhöhung von 6.000 Dollar in Aussicht gestellt – weit weniger als die 10.000 Dollar, die sie fordern.
Die Lehrer von Oklahoma haben wenig Vertrauen in die offizielle Gewerkschaft. Sie wird von allen kritisiert, weil sie versucht, einen Streik auf Ende April zu verschieben. Eine Online-Umfrage, die von Oklahoma Teachers Unites veröffentlicht wurde, ergab, dass etwa die Hälfte der Lehrer „der Meinung sind, dass die Gewerkschaft eher vor dem Druck der Abgeordneten und der Schulleitung kapitulieren wird, als dass die Lehrer vernünftige Löhne bekommen“.
Gestern Abend war die Facebook-Seite OTU Gast eines Online-Meetings der Lehrergewerkschaft American Federation of Teachers (AFT). Während der Diskussion postete OTU: „Mitten aus einem Treffen im Rathaus heraus erklärt die AFT den Lehrern, wie sie mit diesem Deal umgehen MÜSSEN.“ Die Gewerkschaft taktiere genauso wie die AFT in West-Virginia; sie erzähle den Lehrern, dass sie keinen Rückhalt in der Arbeiterklasse hätten: „Sie behaupten, dass Eltern, Lehrer und Schüler sich nach einer Woche nicht mehr am Kampf beteiligen.“ Dazu gibt es viele wütende Kommentare der Lehrer.
In Kentucky, einem Bundesstaat mit 42.000 Lehrern, fanden diese Woche sogenannte „pension awareness walk-ins“ statt. Gleichzeitig organisierten die Lehrer am 28. März eine Kundgebung vor dem State Capitol von Frankfort (Kentucky). Der republikanische Gouverneur prangerte die demonstrierenden Lehrer als „egoistisch“ und als „bösartige Menschen“ an, „die zerstören wollen, was gut für diesen Staat ist“. Der Senat von Kentucky verabschiedete einen Haushaltsplan, der innerhalb von 2 Jahren Kürzung um 1,1 Milliarden Dollar im Rentensystem der Lehrer vorsieht, und der Gouverneur drohte, ihre Pensionen zu kürzen, „ob sie wollen oder nicht“.
In Arizona haben sich 51.000 Lehrer an so genannten „Sickouts“ [massenhaftes Krankfeiern] beteiligt, und diese Woche gab es mehrere Demonstrationen, während ein größerer Streik in greifbare Nähe rückt. Unabhängig von der Lehrergewerkschaft verständigen sich die Lehrer über die sozialen Medien und verteilen Handzettel an ihre Nachbarn und an die Eltern ihrer Schulkinder, in denen sie erklären, dass der Staat seit 2008 Kürzungen in Höhe von 371 Millionen Dollar am Bildungswesen vorgenommen hat.
Lehrer in New Dallas (Pennsylvania), in den Quad Cities (Iowa–Illinois) und in Denver (Colorado) könnten als nächste die Arbeit niederlegen. In Denver fordern die Lehrer zum ersten Mal seit den 1990er Jahren wieder eine Urabstimmung über Streik, wie die Denver Post berichtet. In Colorado kam es zu Sickouts und vereinzelten Streiks, weil ein neues Finanzsystem die Schulen für ihre Performance belohnt oder bestraft. Das System hat dazu geführt, dass die Lehrer von Colorado die niedrigsten Gehälter der gesamten Vereinigten Staaten bekommen.
Konfrontiert mit dem wachsenden Widerstand hat eine Lehrergewerkschaft in Denver ihre laufenden Tarifverhandlungen verlängert, ohne dass die Schulbehörde irgendwelche Zusagen gemacht hätte. In ihrer typisch feigen Art hat die Gewerkschaft den Lehrern erklärt, sie müssten darauf hoffen, dass die Gelder für staatliche Bildung durch eine Petition im November erhöht werden – dabei hat die Unterschriftensammlung für die Petition noch nicht einmal begonnen!
Am vergangenen Samstag schlossen sich Lehrer scharenweise den Jugendlichen an, die zu Hunderttausenden überall in den Vereinigten Staaten gegen die Waffengewalt an den Schulen demonstrierten. Forderungen nach einer besseren Finanzierung und Ausstattung der Schulen (statt der Bewaffnung von Lehrern) waren omnipräsent.
Aber nicht nur in den Vereinigten Staaten sind fast 150.000 Lehrer streikbereit: Auf der ganzen Welt wächst der Widerstand gegen die Angriffe auf staatliche Bildung.
Afrika
In Nordafrika finden gleichzeitig mehrere Streiks in Tunesien und Algerien statt. Die Forderungen der Lehrer sind im Grund weltweit dieselben: höhere Löhne, sichere Renten und Pensionen und die Verteidigung des Rechts auf staatliche Bildung.
Am 28. Februar beendete die algerische Lehrergewerkschaft CNAPESTE einen Streik, seit dem 30. Januar einen ganzen Monat lang angedauert hatte. Seither haben Hochschul-, Mittelschul- und Grundschullehrer schon wieder angekündigt, am 9. April erneut die Arbeit niederzulegen. Wie Reuters schreibt, steht das Land damit vor der „wichtigsten Protestbewegung in Algerien seit den Unruhen in Ägypten und Tunesien während des arabischen Frühlings von 2011“.
In Algerien streiken zurzeit Ärzte und Medizinstudenten gegen die Verschlechterung der Bedingungen im staatlichen Gesundheitswesen. Studierende hatten sich auch schon dem Lehrerstreik im Februar angeschlossen.
Im benachbarten Tunesien, wo der arabische Frühling zuerst begonnen hatte, schließen sich Hochschullehrer ihren algerischen Kollegen an. Sie haben am gestrigen Mittwoch einen eintägigen Generalstreik organisiert. Der Streik ist der zweite eintägige Streik in sechs Wochen, den der tunesische Gewerkschaftsverband, die Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT) ausrufen musste. Die UGTT steht unter großem Druck der kampfbereiten tunesischen Lehrer.
In Tunesien fordern die Lehrer einen Zuschlag von 15 Prozent und die Herabsetzung des Rentenalters auf 55 Jahren. In Algerien streiken die Lehrer ebenfalls für ein höheres Gehalt und gegen Kürzungen, die die algerische Regierung am Bildungswesen vornimmt. Sowohl die tunesische als auch die algerische Regierung haben den Streikenden mit Entlassung und Lohnentzug gedroht.
Lateinamerika
Seit einer Woche breiten sich die Lehrerstreiks auch in Zentral- und Südamerika aus. In Argentinien wollen Lehrer der Provinz Buenos Aires ab dem 5. April ein permanentes Protestlager aus weißen Zelten einrichten. Sie fordern eine 20-prozentige Lohnerhöhung, da die Inflation allein schon 15 Prozent beträgt. Vor wenigen Tagen hat ein zweitägiger nationaler Streik das ganze Land erschüttert. Am 22. März legten auch Lehrer im benachbarten Uruguay für 24 Stunden die Arbeit nieder.
Am 21. März traten auch in Mexiko 16.000 Lehrer von Chihuahua in einen Streik für höhere Bezahlung. Sein Höhepunkt war eine Großdemonstration tausender Lehrer in der Innenstadt von Chihuahua. In den verarmten Südstaaten von Oaxaca, Chiapas und Michoacán sind wegen eines Streiks die Schulen geschlossen. Über eine Million Schüler haben schulfrei. Die Regierung hat damit gedroht, jeden Lehrer zu entlassen, der im Monat drei oder mehr Tage streike.
Ein zweitägiger Streik hat letzte Woche in Carabobo (Venezuela) stattgefunden. Die Lehrer fordern deutlich erhöhte Löhne und haben in der Stadt Valencia, zwei Stunden von Caracas entfernt, spontane Protestkundgebungen durchgeführt. Am Montag begann auch im Staat Amazonas (Brasilien) ein Lehrerstreik gegen miese Löhne und Kürzungen der Krankenkasse. Die Aktion fiel mit einem laufenden Streik in Sao Paolo zusammen, der sich gegen geplante Angriffe auf die Pensionen richtet.
Europa
In Frankreich haben sich zehntausende Lehrer an den Massenprotesten vom 22. März beteiligt. Die Streik- und Protestaktionen richteten sich gegen die Pläne der Macron-Regierung, die französischen Eisenbahnen SNCF zu privatisieren. In Schottland steht ein nationaler Lehrerstreik bevor, nachdem die Lehrer einen Vorschlag einer dreiprozentigen Lohnerhöhung rundheraus zurückgewiesen haben. Sie fordern stattdessen 10 Prozent. In ganz Großbritannien setzen die Dozenten ihren Arbeitskampf fort, der schon seit einem Monat andauert. Einen faulen Abschluss ihrer Gewerkschaft, der University and College Union (UCU), haben sie zurückgewiesen. Diese Woche führt außerdem das Lehrpersonal von zwölf weiteren Schulen befristete Streiks in London und in den Midlands durch. Sie fordern höhere Löhne und wehren sich gegen den zunehmenden Einsatz von nicht-ausgebildeten Hilfskräften.
Auf der ganzen Welt haben die Lehrer dieselben Gegner. Das sind einerseits die Regierungen, die Löhne und Renten kürzen und das Bildungsbudget beschneiden, um die Profite der Banken und Konzerne zu steigern, und andererseits die servilen Gewerkschaften, die die Streiks isolieren und von den Arbeitern verlangen, dass sie auf dieselben bürgerlichen Parteien setzen sollen, die gerade die staatliche Bildung zerstören.
Die Lehrer werden eine enorme Stärke entwickeln, wenn sie sich mit ihren Kollegen auf der ganzen Welt zusammenschließen und wenn sie den Kampf zusammen mit der ganzen Arbeiterklasse führen. Nur so können sie die Errungenschaften im Bildungswesen verteidigen und weltweit für jeden Lehrer ein Einkommen und eine Rente durchsetzen, von denen man vernünftig leben kann.