Mit dem offiziellen Beginn der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD tritt die politische Verschwörung in Berlin in ein neues Stadium ein. Hinter dem Rücken der Bevölkerung arbeitet die herrschende Klasse daran, die rechteste Regierung in Deutschland seit dem Untergang des Dritten Reichs zu installieren.
Das diskutierte Regierungsprogramm ist dabei so arbeiterfeindlich, militaristisch und reaktionär, dass die erste Verhandlungsrunde im Willy-Brandt-Haus nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern sogar hinter mit Folie abgeklebten Fensterscheiben stattfand. Die 39 Teilnehmer der Sondierungsgespräche haben sich auf ein Interviewverbot geeinigt, um zu verhindern, dass die Inhalte nach außen dringen.
Offiziell wird die Heimlichtuerei damit begründet, dass die Jamaika-Sondierungen am 19. November gescheitert seien, weil Teilnehmer die Öffentlichkeit ständig über Interviews, Talkshows und soziale Netzwerke über den Verlauf der Gespräche informiert und diese kommentiert hatten. In Wirklichkeit fürchtet die herrschende Klasse den wachsenden Widerstand gegen ihre Politik des Militarismus, der inneren Aufrüstung und des Sozialkahlschlags. Einer aktuellen Insa-Umfrage zufolge unterstützen nur noch 30 Prozent der Befragten eine Fortsetzung der Großen Koalition, während sich 34 Prozent für Neuwahlen aussprechen.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) erneuert unter diesen Bedingungen ihre Forderung nach Neuwahlen. Es darf nicht zugelassen werden, dass eine Clique von rechten Verschwörern ohne jedes Mandat der Bevölkerung ihren Willen bekommt. Die SGP würde im Wahlkampf die wirklichen Ziele der bürgerlichen Parteien – darunter SPD, Linkspartei und Grüne – entlarven und eine sozialistische Alternative zu Kapitalismus, Krieg und Autoritarismus aufbauen.
In den vergangenen Tagen haben führende Vertreter aller drei Parteien immer wieder deutlich gemacht, dass eine Neuauflage der Großen Koalition nicht einfach die Politik der vorangegangenen weiterführen wird. Ihre Kurs wird noch viel reaktionärer sein. Drei Themen stehen dabei im Mittelpunkt: Die Außen- und Militärpolitik, die Sparpolitik und der Sozialabbau sowie – um den Widerstand gegen beides zu unterdrücken – der Ausbau des Polizei- und Überwachungsapparats.
Am deutlichsten hat sich der sozialdemokratische Außenminister Sigmar Gabriel, der sein Amt auch in der neuen Regierung behalten möchte, zum zukünftigen außenpolitischen Kurs geäußert. Es vergeht keine Woche, in der er sich nicht in Vorträgen, Artikeln und Interviews zu Wort meldet. Er wirbt für eine massive militärische Aufrüstung und eine Großmachtpolitik, die sich insbesondere gegen Russland und China, aber auch gegen die USA richtet.
So hat Gabriel Europa letzte Woche im Spiegel mit „Vegetariern“ verglichen, die sich „in einer Welt voller Fleischfresser“ behaupten müssen, und unumwunden Aufrüstung und Kriegspolitik gefordert. Deutschland könne sich nicht mehr darauf verlassen, „dass Franzosen, Briten und allen voran die Amerikaner unsere Interessen in der Welt durchsetzen“.
Wie der Politologe Herfried Münkler, auf den er sich gerne beruft, ist Gabriel der Ansicht, dass Deutschland nur wieder Großmacht werden kann, wenn es sich auf die Europäische Union stützt und sich zu deren „Hegemon“ und „Zuchtmeister“ (Münkler) aufschwingt. Deshalb drängen er und andere SPD-Politiker auf eine enge Zusammenarbeit mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der ebenfalls auf eine militärisch Stärkung der EU pocht.
Die Deutschen machten inzwischen nur ein Prozent der Weltbevölkerung aus und ihr Wohlstand hänge zu 70 Prozent vom Austausch mit dem Ausland ab, begründete der SPD-nahe Diplomat Michael Steiner diese Auffassung kürzlich in der Süddeutschen Zeitung. „Wir brauchen die EU als kraftvollen, wertegetragenen Global Player, der die globalen Entwicklungen auf Augenhöhe mitgestalten kann.“ Als „Handlungsfelder, auf denen wir in der EU zusammenrücken müssen“, nannte Steiner: „Erstens, die Sicherheit: militärische Verzahnung, polizeiliche Zusammenarbeit sowie gemeinsame Grenzsicherung. … Zweitens, Wirtschaft und Finanzen… Und drittens, die Außenpolitik.“
In der Europafrage gibt es zwar Differenzen, da die CSU und ein Flügel der CDU auf mehr „nationale Souveränität“ pochen und enge Beziehungen zu den rechten Regierungen in Ungarn und Österreich unterhalten. Doch diese sind taktischer Natur. In der Grundfrage, der massiven Aufrüstung, stimmen alle überein.
Dasselbe gilt für das Festhalten an Wolfgang Schäubles Sparpolitik der „schwarzen Null“, die in Griechenland, vielen anderen europäischen Ländern und auch Deutschland eine soziale Katastrophe angerichtet hat. Obwohl die soziale Ungleichheit in Deutschland so groß ist wie zuletzt 1913 und Armut und Obdachlosigkeit ständig zunehmen, halten alle Parteien am Sparkurs fest. Gleichzeitig planen sie Steuersenkungen und eine massive Erhöhung der Militärausgaben, was nur durch weitere Einschnitte bei den Sozialausgaben finanziert werden kann.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die großen Konzerne haben als Antwort auf Donald Trumps „America first“-Politik und wachsende Rivalitäten mit China eine neue Welle von Massenentlassungen und Lohnabbau eingeleitet. So werden bei Siemens, ThyssenKrupp, Bombardier, Air Berlin, Opel und der Deutschen Bank bereits zehntausende Arbeitsplätze abgebaut.
Das – und die weitverbreitete Ablehnung des Militarismus – ist der Grund, dass sowohl die Union wie die SPD einen scharfen Rechtsruck in der Innenpolitik anstreben. In Erwartung heftiger Klassenkämpfe wollen sie Polizei und Geheimdiensten massiv aufrüsten. Nachdem mit der AfD sieben Jahrzehnte nach Hitlers Sturz wieder eine rechtsextreme Partei in den Bundestag eingezogen ist, übernehmen sie deren Parolen.
So verlangt Sigmar Gabriel, dass Schlagwörter der Rechten wie „Identität“, „Leitkultur“ und „Heimat“ Eingang ins Programm der SPD finden. Der führende CSU-Politiker Alexander Dobrindt fordert – im Anklang an die ideologischen Wegbereiter des Nationalsozialismus in der Weimarer Republik – eine „konservative Revolution“. Sein Parteikollege Manfred Weber, Fraktionschef der konservativen EVP im Europäischen Parlament, erklärte auf einer CSU-Klausur: „Im Jahr 2018 ist das zentrale europäische Thema die finale Lösung der Flüchtlingsfrage“ – eine Formulierung, die unüberhörbar an Hitlers „Endlösung der Judenfrage“ erinnert.
Es ist atemberaubend, mit welchem Tempo sich die etablierten Parteien wieder politischen Traditionen zuwenden, die lange als überwunden galten. Das gilt auch für die Führung der Linkspartei. Ihr Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch unterstützt ausdrücklich Gabriels Großmachtpolitik und der Flügel um Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine hetzt seit langem gegen Flüchtlinge und plädiert für die Abschottung der Grenzen.
Die SGP ist die einzige Partei, die der rechten Verschwörung entgegentritt. Sie würde im Wahlkampf alle Mittel mobilisieren, um die reaktionären Machenschaften zu entlarven, und für ein Programm kämpfen, das die Interessen der deutschen und internationalen Arbeiterklasse zur Geltung bringt, den Kampf gegen Krieg mit dem Kampf gegen Kapitalismus verbindet und einen sozialistischen Ausweg aus der gesellschaftlichen Sackgasse weist.