Perspektive

Die Rohingya-Krise in Myanmar und der Menschenrechtsimperialismus

Der Besuch von Papst Franziskus in Myanmar (Burma) lenkt den Blick auf die tragische Situation der muslimischen Rohingya-Minderheit, die zur Flucht in die angrenzenden Staaten gezwungen wurden.

Mindestens 620.000 Männer, Frauen und Kinder wurden in den letzten Monaten vom burmesischen Militär und verbündeten Schlägerbanden aus dem Land vertrieben. Als Vorwand dienten kleinere Anschläge der Arakan Rohinya Salvation Army (ARSA) im August 2017. Die Flüchtlinge leben in elenden, überfüllten Lagern in Bangladesch und Indien. In beiden Ländern sind die Flüchtlinge erklärtermaßen nicht willkommen.

Die internationale Reaktion auf die humanitäre Krise in Myanmar ist gezeichnet von Heuchelei. Dies trifft vor allem auf die imperialistischen Großmächte zu – auf die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und ihre Verbündeten – die ansonsten gerne „Menschenrechte“ im Mund führen, um ihre geopolitischen Ziele durchzusetzen sowie Regimewechsel und Kriege zu rechtfertigen.

Nach dem brutalen Vorgehen des burmesischen Militärregimes gegen Massenproteste und Streiks im Jahr 1988 haben die USA und die EU das Land jahrzehntelang als Schurkenstaat behandelt, die Verstöße gegen demokratische Rechte verurteilt und harte Sanktionen verhängt.

Aung San Suu Kyi, die Führerin der oppositionellen Nationalen Liga für Demokratie (NLD), wurde allgemein zur Ikone der Demokratie erklärt und erhielt 1991 den Friedensnobelpreis. Sie hatte zwar 1988 eine wichtige Rolle dabei gespielt hatte, dass die Proteste gegen die Militärherrschaft nicht zum Erfolg führten und das Militär an der Macht blieb. Doch aufgrund des gegen sie verhängten Hausarrests galt sie in Medien und Establishment fortan als Märtyrerin.

Weder die scharfen Worte gegen das Militär noch die Lobeshymnen für Suu Kyi hatten etwas zu tun mit einer echten Sorge um die demokratischen Rechte und das Leiden der burmesischen Bevölkerung. Das größte Problem, dass die USA mit dem burmesischen Militär haben, ist seine Nähe zu und Orientierung an China. Suu Kyi repräsentierte die Fraktion der burmesischen Elite, die sich nach Westen orientierte und das Land für ausländische Investoren öffnen will.

Das alles änderte sich, als das Militärregime seine Bereitschaft signalisierte, sich von China zu distanzieren und eine politische Rolle für Suu Kyi und ihre NLD zu schaffen. Fast über Nacht wurde Myanmar vom „Schurkenstaat“ zur „entstehenden Demokratie“. Amerikanische und europäische Regierungsvertreter strömten in das Land, im Jahr 2012 besuchte US-Präsident Obama das Land. Die Sanktionen wurden nach und nach ausgesetzt.

Als die NLD die Wahl 2016 gewann und Suu Kyi als faktische Regierungschefin eingesetzt wurde, galt dies als das Aufblühen der Demokratie. Dabei wurde kaum erwähnt, dass das Militär die Kontrolle über die wichtigsten Sicherheitsministerien behielt und sich durch einen Block von nicht gewählten Sitzen im Parlament ein Vetorecht bezüglich aller Veränderungen an der selbst entworfenen Verfassung hat.

Die Verbrechen des Militärs gegen die Rohingya im westburmesischen Bundesstaat Rakhine haben diesen Schwindel entlarvt.

Die historischen Wurzeln der Hetze gegen die muslimischen Rohingya im überwiegend buddhistischen Myanmar liegen in der Politik des Teile-und-herrsche während der britischen Kolonialherrschaft in Indien. Bis 1937 war Burma Teil von Britisch-Indien. Die burmesische Elite betrachtete die Rohingya im Gegensatz zu anderen ethnischen Minderheiten des Landes als „illegale Einwanderer“ oder „Bengalen“, die von den Briten ins Land gebracht wurden. Diese Hetze richtet sich auch gegen Menschen, die bereits seit Generationen in dem Land leben, das 1948 zum unabhängigen Burma wurde.

Die Militärjunta, die 1962 die Macht ergriff, schürte Chauvinismus gegen Muslime und Rohingyas, um die arbeitende Bevölkerung zu spalten und ihre Macht zu festigen. 1982 nahmen sie die Rohingya nicht in die Liste der anerkannten ethnischen Minderheiten auf und beraubten sie damit ihrer Bürgerrechte. Suu Kyi und die NLD sind ebenfalls tief von diesem Rassismus geprägt und lehnen es ab, den Rohingya demokratische Grundrechte zu gewähren.

Das Militär betreibt eine ethnische Säuberung gegen die muslimischen Rohingya, die noch vor zehn Jahren Forderungen nach härteren Sanktionen oder sogar einer Militärintervention ausgelöst hätte. Heute ist die internationale Reaktion auffallend zurückhaltend und die Forderungen nach Maßnahmen nur symbolischer Natur, während Suu Kyi und ihre Regierung das Vorgehen des Militärs fördern und verteidigen.

Als Reaktion auf die wachsende internationale Empörung über das Wüten des Militärs schlossen sich die USA der Kritik von UN-Vertretern an, die das Vorgehen des Militärs als „ethnische Säuberung“ bezeichneten. US-Außenminister Rex Tillerson, der Anfang des Monats zu Besuch in Myanmar war, erklärte sich „zutiefst besorgt über glaubwürdige Berichte, laut denen Myanmars Sicherheitskräfte und Selbstjustizler zahlreiche Gräueltaten verüben“.

Auf die Frage, ob die USA neue Sanktionen gegen Myanmar verhängen würden, erklärte Tillerson, er halte dies „für momentan nicht anzuraten“. Weiter sagte er: „Wir wollen, dass Myanmar Erfolg hat. Man kann nicht einfach Sanktionen verhängen und sagen, deshalb ist die Krise vorbei.“ Tillerson und die Trump-Regierung haben sorgfältig jede Kritik an Suu Kyi vermieden, die das Vorgehen des Militärs verteidigt.

Verschiedene Persönlichkeiten, Medien und Menschenrechtsorganisationen, die Suu Kyi zu einer „Ikone der Demokratie“ aufgebaut haben, äußern vorsichtig Kritik an ihr oder schlagen sogar vor, ihr den Friedensnobelpreis abzuerkennen. Die Medien spekulieren noch, ob Papst Franziskus das Militär oder Suu Kyi kritisieren oder auch nur das Wort „Rohingya“ erwähnen wird. Bei seinem Treffen mit dem Oberbefehlshaber des burmesischen Militärs General Min Aung Hlang am Montag äußerte er kaum ein kritisches Wort.

Wenn Washington den Eindruck gewinnt, dass Myanmar wieder zu nahe an China heranrückt, könnte sich all das schnell ändern und das Land wieder zum „Schurkenstaat“ werden. General Hlang kam vor kurzem von einem sechstägigen Besuch in China zurück, bei dem er sich mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping traf. Suu Kyi wird bald nach Peking reisen, um an einer Konferenz teilzunehmen und „im Rahmen eines Arbeitsbesuchs die bilateralen Beziehungen zu stärken“.

Die internationale Arbeiterklasse muss die schmutzigen Manöver der Großmächte und ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden der Rohingya in Myanmar als eine weitere Lehrstunde in Geopolitik verstehen. Hinter der Fassade der „Menschenrechte“ verbergen sich die räuberischen Interessen der imperialistischen Mächte, die sie gnadenlos verfolgen, ohne Rücksicht auf die oftmals schrecklichen Folgen für die arbeitende Bevölkerung weltweit.

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